Therapie bald online?

Egal wohin sich unser Blick auch richtet, Computer bzw. computergestützte Programme nehmen in unserem Alltag einen immer größeren Stellenwert ein. Grade im Bereich der Medizin ist dies oft hilfreich, können wir doch so bestimmte Diagnosen früher und differenzierter erfassen, Behandlungsmethoden weiter differenzieren und auch den Austausch der Behandler untereinander fördern. Gedanklich stoßen wir dabei jedoch auch immer wieder an unsere Vorstellungsgrenzen. Wie sicher ist es, wenn uns eventuell ein chirurgischer Roboter operiert, was ist mit Fehlinterpretationen durch Programme oder auch „Kann nicht so ein Computer auch mal abstürzen, wie das meiner zu Hause öfters tut?“

Das Vertrauen in diese Entwicklung ist oftmals mit der Intensität, in welcher wir und vor allem seit wann wir im Kontakt mit computergestützten Systemen stehen, unterschiedlich. Sind wir bereits damit aufgewachsen oder hineingewachsen, oder fühlen wir uns mit der Entwicklung überfordert!?

Eine noch ziemlich frische Dimension ist die Frage, ob auch Psychotherapie zumindest mit bestimmten Online-Psychotherapieprogrammen durchgeführt bzw. unterstützt werden kann. Auch hier regt sich sehr schnell Widerstand und die Frage, inwieweit ein persönlicher Händedruck, ein Gespräch unter vier Augen, ein sich gegenseitiges Wahrnehmen wirklich am PC erfolgen kann? Eine Reihe von Universitäten in verschiedenen Ländern ist sehr akribisch dabei, dies zu untersuchen. In unserem deutschen Gesundheitssystem wird aktuell mit einem Computerprogramm zur Behandlung von leichten Depressionen geforscht und es werden durchaus interessante Ergebnisse damit erzielt. Das Programm Deprexis, welches von verschiedenen Krankenkassen ihren Mitgliedern angeboten wird, jedoch auch für Rund 280 € für 3 Monate selbst gebucht werden kann, gibt vor, Menschen bei der Bewältigung ihrer Depressionen zu unterstützen. Mit Hilfe von Fragebogen wird versucht andere psychische Erkrankungen, wie Süchte oder Psychosen, ebenso auszuschließen, wie eine akute Selbstmordgefährdung. Fachgerecht ist auch der Hinweis, dass es für eine differenziertere Abklärung der Diagnose eines erfahrenen Arztes oder psychologischen Psychotherapeuten bedarf. Sind die Gefährdungspotentiale jedoch auszuschließen, führt einen das Programm in die Welt von Entspannungs- und Achtsamkeitsübungen, informiert über die möglichen Hintergründe einer Depression und gibt durchaus praktische Hinweise belastende Situationen zu meistern.

Als sehr vorteilhaft kann gewertet werden, dass vielleicht über diesen Zugangsweg mehr Personen sich trauen, sich mit dem Thema auseinander zu setzen und die anonymisierte Form der Hilfestellung nutzen. Einschränkend muss jedoch auch betont werden, dass schwerwiegendere Formen, im Sinne der mittelgradigen bis schweren Depression eines komplexen Behandlungsplanes, z. B. auch im Sinne einer Verknüpfung von pharmakologischer und direkt persönlicher individueller Therapie bedürfen.

Weitere Angebote im Sinne der app-gestützten Therapie werde ich Ihnen in den nächsten Ausgaben vorstellen.

 

Über den Autor

Dr. med. Thomas Klein
Dr. med. Thomas Klein
Ärztlicher Leiter
Klinik Eschenburg
Aktuelle Ausgabe2/2024