Rehabilitation von urologischen Erkrankungen
Der Urologe behandelt Erkrankungen des Harntrakts bei Männern, Frauen und Kindern sowie der Genitalorgane bei Männern und Knaben. In der fachspezifischen stationären urologischen Rahbilitation (Reha) steht dabei die Behandlung von urologischen Tumorerkrankungen vorzeigweise von Prostata, Harnblase und Nieren aber auch anderer Urogenitalorgane an erster Stelle. Die meisten urologischen Tumorpatienten werden heute durch die Erstbehandlung (Operation, Bestrahlung bei Prostatakrebs) geheilt. Weitere wichtige Erkrankungen sind chronische Beckenschmerzen und Urogenitalinfektionen sowie häufig wiederkehrende Harnsteine.
Nach der akuten Behandlung treten dabei häufig Funktionsstörungen und Beschwerden auf. Durch die Reha kann man diese Probleme wie z. B. Harninkontinenz oder Impotenz, anhaltende Schmerzen, psychologische Belastung und die allgemeine Leistungsschwäche, Probleme der Harnableitung, Nierenfunktionsstörungen sowie die häufige Wiederkehr von Harnsteinen oder Infektionen verbessern oder beseitigen.
Dies gelingt nur mit einer fachspezifischen medizinischen Kompetenz bei Diagnostik und Therapie sowie einer hohen therapeutischen Dichte. Die multimodale stationäre Anschlussheilbehandlung/-rehabilitation (AHB, AR) unmittelbar in Anschluss an Operation, Bestrahlung oder Chemotherapie und die stationäre urologisch-onkologische Rehabilitation längere Zeit nach der Aktubehandlung bei verbleibenden Problemen unterscheiden sich deutlich von der alten Badekur mit wenigen Arztkontakten und relativ wenigen, unspezifischen Anwendungen. Durch versierte Therapeuten und insbesondere fachärztliche Mitarbeiter gelingt es besonders gut, die unten skizzierten Probleme zu verringern oder zu beseitigen.
Besserung eines ungewollten Urinverlusts (Harninkontinenz)
Die Harninkontinenz steht bei den Beeinträchtigungen an erster Stelle. Bei der multimodalen Therapie sind mehrere medizinisch-therapeutische Fachabteilungen einer Rehaklinik beteiligt. Durch das gezielte Erlernen eines Kontinenztrainings als Eigenübungsprogramm, begleitet von Entspannungsverfahren zum besseren Erspüren des Schließmuskels, werden Patienten nachgewiesenermaßen schneller und häufiger wieder kontinent. Bei Bedarf kommen zusätzlich Maßnahmen wie Medikamente, Magnetstuhl, Reizstrom, Biofeedback (visuell, akustisch oder per Spiegelung), Rüttelplatte oder Ergotherapie (Gehirnjogging zur besseren Steuerung der Kontinenz) zum Einsatz.
Beratung, Behandlung und praktische Anleitungen bei Impotenz (Erektile Dysfunktion – ED)
Eine intensive und offene Beratung bei ED erleichtert dem Patienten eine individuelle Entscheidung über das weitere Vorgehen in diesem mit Tabus belegten Bereich. Meist ist das sexuelle Verlangen und die Fähigkeit, einen Orgasmus zu erspüren, nach urologischen Behandlungen erhalten. Je nach Bedarf und Vorgeschichte kom-men Medikamente (PDE-5-Hemmer wie Avanafil, Sildenafil, Tadalafil oder Vardenafil), eine Vakuumpumpe (Vakuumerektionshilfesystem - VEHS), die Spritzenmethode (Schwellkörperautoinjektionstherapie - SKAT) oder Harnröhrentabletten (medizinisches urethrales System für die Erektion - MUSE) bzw. -tropfen (Vitaros®) zum Einsatz.
Schmerzsanierung
Eine gezielte medikamentöse sowie balneo- und physiotherapeutische Schmerzbehandlung (Elektrotherapie, Wärmepackungen, Massagen, Psychotherapie und körperliches Training) ist bei ca. 10-20 % der Patienten nach urologischer Akuttherapie erforderlich. Wesentliche Schmerzen liegen nach Abschluss der Reha meist nicht mehr vor. Bei chronischen Schmerzen ist das Ziel, einen erträglichen Zustand zu erreichen.
Probleme mit der Krankheitsverarbeitung und dem Gesundungsprozess
Etwa ein Viertel der Patienten hat nach der akuten Behandlung Probleme, die einer gezielten psycho(onko)logi-schen Betreuung bedürfen. Hierbei kommen Einzel- oder Paargespräche, Schulungen und Seminare, Entspan-nungsverfahren und Medikamente zum Einsatz. Auch helfen hier körperliches Training und der Austausch mit den Mitpatienten.
Körperlicher Aufbau, Verbesserung der Abwehrkräfte, Beratung und Schulung
Durch ein Bewegungsprogramm wird die allgemeine Fitness verbessert. Dabei wird auf eine an die aktuelle Wundsituation und die allgemeinen Möglichkeiten des Patienten angepasste Übungsintensität geachtet. Über die Haut wirkende Balneo- und physikalische Therapiemaßnahmen wie Kohlensäurebäder, Güsse, Wassertreten und Wärmepackungen verbessern die nach der Behandlung geschwächte Abwehrkraft des Körpers. Probleme wie vorrübergehende Nervenschäden, Lymphstau, Lymphwasseransammlungen, Thrombosen oder Abflussbehinderungen des Harntrakts werden erkannt und behandelt. Eine gezielte individuelle Beratung und Schulungen zu Tumorerkrankung, Ernährung, Bewegung, Vermeiden von Risikofaktoren und dem Sozialverhalten verbessern die Dauerheilungschancen.
Probleme der Harnableitung nach Harnblasenentfernung
Die Harnableitung nach einer Harnblasenentfernung wegen Krebs erfolgt entweder über einen feuchten Urinseitausgang (Ileumkonduit, Ureterhautfistel), einen katheterisierbaren Darmbeutel (Ileozökalpouch), eine neue Harnblase aus Darm (Ileumneoblase) oder eine Harnleiterdarmimplantation. All diese Ableitungsformen bedürfen der gezielten Unterrichtung und Schulung der Patienten in der Reha, so dass die meisten dieser Patienten nach der Reha im Alltag mit der neuen Form der Harnableitung selbstständig zurecht kommen.
Nierenfunktionsstörungen nach Nierentumorchirurgie
Bei Nierenteilentfernung, wie sie heute zunehmend üblich ist, ist in der Regel keine Verschlechterung der Nierenfunktion zu erwarten. Nach Nierenentfernung kann der Mensch mit einer einzelnen, gesunden Niere gut leben. Nierenfunktionsstörungen sind meist drei bis zwölf Monate nach dem Eingriff wieder ausgeglichen, ansonsten durch fortbestehende Nierenerkrankungen als Dauerschädigung zu betrachten. Die Leistungsfähigkeit hängt dabei von Alter, Trainingszustand, Dauer und Stadium der Nierenfunktionsstörung sowie den Begleiterkrankungen ab. In diesem Zusammenhang ist auch auf Störungen der Blutsalze und des Säure-Haushaltes des Körpers zu achten.
Senkung der Wiederkehrraten von Harnwegsinfektionen und Harnsteinen
Etwa die Hälfte der Patientinnen mit häufig wiederkehrenden Harnwegsinfektionen hat über ein Jahr nach der Reha keine Infektionen mehr. Die Harnsteinwiederkehrraten lassen sich je nach Steinsorte durch gezielte Reha um 60 - 95% senken.
Über den Autor
Chefarzt der Fachklinik Urologie, Kurpark-Klinik Bad Nauheim