Brennpunkt Schulter

wodurch Schulterschmerzen entstehen

Mehr als 25 Prozent der Deutschen leiden irgendwann im Leben unter behandlungsbedürftigen Schulterproblemen. Egal ob jung oder alt, Schulterschmerzen betreffen fast alle Altersstufen. Die Komplexität dieses Gelenkes und die hohen funktionellen Anforderungen machen es anfällig für krankhafte Veränderungen oder akute Verletzungen. Etwa ein Viertel der 50-Jährigen sowie die Hälfte der 70-Jährigen hat eine Läsion der sogenannten „Rotatorenmanschette“, ein Sehnenriss der Schulter.

Viele Patienten klagen besonders über nächtliche Schmerzen. Das Schlafen auf der betroffenen Seite ist oft nicht mehr möglich. Das Anheben des Armes über die Horizontale, Überkopfarbeiten oder auch einfache Tätigkeiten wie Haare waschen bereiten starke Schmerzen und sind nur noch eingeschränkt möglich. Oft kommt es zu einer dauerhaften Einnahme von Schmerzmitteln, um den Alltag erträglich zu machen.

Aufbau der Schulter

Das Schultergelenk ist das beweglichste Kugelgelenk des menschlichen Körpers. Es wird zum größten Teil von Sehnen und Muskeln stabilisiert und ermöglicht somit einen großen Bewegungsspielraum.

Der Oberarmkopf wird von einer Sehnenhaube umschlossen, der sogenannten Rotatorenmanschette. Die einzelnen Muskeln dieser Manschette ermöglichen die Beweglichkeit der Schulter. Ein Faserring stabilisiert die Gelenkfläche der Gelenkpfanne des Schulterblattes. In dem Raum zwischen der Rotatorenmanschette und dem Schulterdach befindet sich ein Schleimbeutel.

Diagnostik

Zu Beginn der Diagnostik steht die gründliche Erhebung der Krankengeschichte durch den behandelnden Arzt, sowie die ausführlich körperliche Untersuchung der Schulter. Die Funktion der Muskeln des Schultergelenkes prüft er mittels spezieller Untersuchungsmethoden. Besteht eine Verdachtsdiagnose werden weitere bildgebende Verfahren hinzugezogen.

Die einfachste ist die Ultraschalluntersuchung. Hierbei können ohne Strahlenbelastung Sehnen und andere Weichteile dargestellt werden. Wird die Ursache jedoch eher knöchernen Ursprungs vermutet, so ist eine Röntgenuntersuchung erforderlich. In der Röntgenaufnahme lassen sich knöcherne Strukturen, Gelenkverschleiß, Verkalkungen oder tumoröse Veränderungen darstellen.

Die aussagekräftigste Untersuchung ist jedoch die Magnetresonanztomographie (Kernspintomographie). Hierbei können schichtweise feingewebliche Zustände wie Flüssigkeitseinlagerungen sowie die Beschaffenheit von Sehnen und Bändern dargestellt werden. Die Magnetresonanztomographie geht ebenfalls ohne Strahlenbelastung einher.

Falls eine Bildgebung mittels MRT nicht möglich sein sollte (Herzschrittmacher o.ä.) ist eine Untersuchung mittels einer Computertomographie (CT) möglich. Diese zeigt ebenfalls Schichtbilder an, jedoch mit Strahlenbelastung.

Die häufigsten Ursachen für Schulterschmerzen und Therapiemaßnahmen

Impingement

Impingement beschreibt ein Enge zwischen dem Schulterdach und dem Kopf des Oberarmknochens (Subacromialraum). Die normale Weite beträgt 8mm. Es zeigen sich oft Einengungen bis auf 4-5mm. Hierbei werden die dazwischenliegenden Strukturen, wie Teile der Rotatorenmanschette und der Schleimbeutel, eingeklemmt. Sind diese Strukturen gereizt, kommt es oft zu chronischen Entzündungen, die auf Dauer die Strukturen schädigen und den Raum zunehmend verringern können. Klinisch zeigen sich die Schmerzen vor allem beim Anheben des Armes zwischen 70 und 140° (painful arc). Vorrangiges Ziel ist es, die Schmerzen zu beseitigen und die Gelenkfunktion wiederherzustellen. Dies gelingt in 80 % der Fälle mit konservativen und operativen Methoden. Die konservative Therapie ist der erste Schritt. Diese erfolgt meist in Kombination einer Schmerz- und entzündungshemmenden Therapie sowie physiotherapeutischer und eigenständiger Beübung des Schultergelenks. Eine weitere Therapieoption ist die Injektionstherapie mit Kortison als stark entzündungshemmendes und schmerzstillendes Medikament. Hierbei wird Kortison in Kombination mit einem lokalen Betäubungsmittel direkt unter das Schulterdach gespritzt. Um eine Schädigung der Sehnen zu vermeiden, sollte dies nicht häufiger als 2- bis 3-mal erfolgen. Bei erfolgloser konservativer Therapie besteht die Möglichkeit einer operativen Therapie. Die Erweiterung des Raumes unter dem Schulterdach sowie die Schleimbeutelentfernung gelten als Standardverfahren zur operativen Behandlung des Impingements. Der Eingriff kann offen und arthroskopisch durch eine Gelenkspiegelung erfolgen.

Rotatorenmanschettenruptur

Eine Rotatorenmanschettenruptur beschreibt den Riss eines oder mehrerer Muskeln oder Sehnen der Rotatorenmanschette. Der Riss kann frisch traumatisch, durch einen Unfall oder degenerative (altersbedingte) Ursachen hervorgerufen werden. Anrisse führen schon häufig zu dauerhaften bewegungsabhängigen Schmerzen. Komplette Risse dagegen können zu einer ausgeprägten Funktionsstörung bis hin zum Funktionsverlust der betroffenen Schulter führen.

Bei altersbedingten Veränderungen der Rotatorenmanschette sollte zunächst eine konservative Therapie eingeleitet werden. Zur Verringerung der Schmerzen werden meist nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) wie z.B. Ibuprofen zur Schmerzreduktion eingesetzt, da diese über einen entzündungshemmenden Anteil verfügen. Bei Unverträglichkeiten ist aber auch die Gabe anderer Schmerzmittel möglich. Die Physiotherapie besteht aus Dehnübungen, Krafttraining und Stabilisationsübungen, auch oft in Kombination mit Manueller Therapie. Diese verbessert die Funktion, das Bewegungsausmaß und die Muskelkraft bei einer Läsion der Rotatorenmanschette. Auch ein Eigenübungsprogramm sollte nach Einführung durch einen Physiotherapeuten durchgeführt werden. Unterstützend können Infiltrationen mit Cortison erfolgen.

Weitere Verfahren bei Rotatorenmanschettenruptur, die jedoch nicht durch Studien gesichert sind, beinhalten die Elektrotherapie (Iontophorese), Transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS), Kältetherapie, Wärmetherapie, Laser, Röntgen-Reizbestrahlung, Hyperbare Sauerstofftherapie und Magnetfeldtherapie.

Bei Versagen der konservativen Therapie besteht die Indikation zur operativen Versorgung. Die Indikation ist individuell abhängig von den Schmerzen, dem Bewegungsumfang, der Funktion, dem Kraftverlust und der Rissbildung. Bei akuten Rissbildungen der Rotatorenmanschette ist eine operative Versorgung schneller zu erwägen, da gesundes Gewebe mit einer besseren Heilungschance einhergeht. Die operative Versorgung kann arthroskopisch, in mini open Technik oder offen erfolgen. Als Standardverfahren hat sich eine Fixierung mittels Fadenankertechnik etabliert. Dabei wird die gerissene Sehne mit einem Faden gefasst und mit einem Anker am Knochen refixiert.

Kalkschulter

Bei der Kalkschulter kommt es zu Ansammlungen von Kalkkristallen an den Sehnenansätzen der Rotatorenmanschtte. Diese Kalkdepots können sowohl die Sehnen als auch die Schleimbeutel in Mitleidenschaft ziehen, wodurch ähnliche Beschwerden wie bei einem Impingement Syndrom entstehen können.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten der Kalkschulter-Therapie. Oft beseitigt der Körper die Kalkansammlungen selbst und die Krankheit heilt ohne weitere Therapiemaßnahmen aus. Eine Reihe konservativer Maßnahmen kann den Heilungsprozess fördern. Hierzu zählen Physiotherapie, Stoßwellentherapie, schmerz-&entzündungshemmende Medikamente (NSAR) und Kältetherapie. Sie gelten als wichtigste Therapiemaßnahmen bei Kalkablagerungen im Bereich einer Schulter und sollten über mindestens sechs Monate durchgeführt werden, je nach Schweregrad der Symptome. Bei größeren Kalkdepots und ausgeprägten Beschwerden kann eine Operation sinnvoll sein. Die Kalkablagerungen können dann arthroskopisch entfernt werden.

Arthrose der Schulter

Bei Arthrose des Schultergelenkes (Omarthrose) kommt es zu einem Abrieb von Knorpel am Oberarmkopf und/oder der Schultergelenkspfanne. Die Ursachen können altersbedingter Verschleiß, traumatisch bedingte Veränderungen der Knochen oder Sehnen, sowie Fehlstellungen sein.

Als Folge der Arthrose kann es zu einer Bewegungseinschränkung im Gelenk, bewegungsabhängigen Schmerzen im Gelenk oder einer entzündlichen Aktivierung des Gelenkes kommen.

Die konservative Therapie wird mit einer Schmerztherapie in Kombination mit einer Physiotherapie durchgeführt. Weiterhin können eine Kältetherapie, eine Elektrotherapie und auch Ultraschall zur Behandlung eingesetzt werden. Bei weiterhin bestehenden Beschwerden mit zunehmender Bewegungseinschränkung und erfolgloser konservativer Therapie empfiehlt sich ein künstliches Schultergelenk. Bei dem Schultergelenkersatz (Schultertotalendoprothese) werden beide Gelenkflächen durch eine Prothese ersetzt. Bei leichter Schulterarthrose mit intakter Knorpelschicht am Schulterblatt ist ein Teilersatz möglich. Bei ausgeprägter Arthrose in Kombination mit defekter Rotatorenmanschette muss die Versorgung mittels einer speziellen (inversen) Prothese erfolgen.

In der Schulterchirurgie der Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie des Universitätsklinikums Gießen betreuen wir jährlich eine große Anzahl von akuten und chronischen Schulterbeschwerden. Wir bieten das gesamte Spektrum der konservativen und operativen Schulterbehandlungen an und beraten Sie jederzeit gerne in unserer Schultersprechstunde.

 

Über den Autor

Dr. Kai Unzeitig
Dr. Kai Unzeitig
Oberarzt, Leiter Schulterchirurgie,
Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Handchirurgie, UKGM Gießen
Aktuelle Ausgabe4/2024