Klettern in der Psychotherapie

Die positiven Wirkungen des Klettersports auf Körper und Geist

Wer hat sich im Leben nicht schon einmal die Frage gestellt, wohin der Weg geht und wie man die Hindernisse auf diesem Weg überwindet? Eine Antwort darauf kann möglicherweise beim Klettern gefunden werden.

Der Klettersport konnte in den letzten Jahren nicht umsonst einen enormen Boom verbuchen. Kletterhallen wurden gebaut und auch Outdoorkurse, in denen man Felsklettern erlernen kann oder Klettersteige sind sehr beliebt. Seit einiger Zeit hat sich auch herausgestellt, dass man den Klettersport auch in der Psychotherapie sehr gut nutzen kann.

Für wen ist therapeutisches Klettern geeignet? Eigentlich für alle, die sich fit dafür fühlen. Auch Menschen mit körperlichen und geistigen Einschränkungen können grundsätzlich klettern. Im Zweifelsfall sollte man den Hausarzt fragen. Auch höheres Körpergewicht ist kein grundsätzliches Ausschlussskriterium!

Es gibt laut der Psychoanalytikerin Elisabeth Kübler-Ross zwei Grundängste des Menschen: Die Angst vor plötzlichen, lauten Geräuschen und die Angst, unkontrolliert aus großer Höhe zu fallen. Naturgemäß beschäftigen wir uns beim Klettern vor allem mit dem Zweiten.

Viele Menschen leiden unter Höhenangst, die sich z.B. bei steilen und ausgesetzten Wegen in den Bergen, Sesselliften und Gondeln, Brücken und Türmen bemerkbar macht. Häufig ist diese Angst auch korreliert mit weiteren Ängsten, das heißt die Höhenangst ist lediglich ein Symptom. Bei Angstpatienten besteht grundsätzlich die Annahme, das Leben muss kontrollierbar, sicher und vorhersehbar sein. Ist das nicht der Fall, treten starke Symptome auf. Diese Angst vor der Höhe kann man beim Klettern in der Halle wunderbar trainieren und verlieren. Der Patient lernt, dass auch beim Loslassen und Fallen nichts passiert, dass man der sichernden Person vertrauen kann und man eigene Erfolge spürt. Hier wirkt das Klettern im Körperbereich, durch schnelle Erfolgserlebnisse „spürt man den Körper wieder“. Durch die Überwindung dieser Angst wird das „Tor zur Wahrnehmung anderer Ängste“ verkleinert, der Patient traut sich im Leben wieder mehr zu.

Auch bei anderen Erkrankungen wie beispielsweise Depressionen, aber auch Süchten, Psychosomatischen Symptomen, Psychosen und posttraumatischen Belastungsstörungen wirkt die Klettertherapie.

Erklären kann man das sehr gut am Beispiel des Balancemodells mit den vier Bereichen Körper-Sinne, Leistung, Kontakt und Zukunft-Phantasie.

Im Körperbereich wird die Konzentration, Beweglichkeit und Koordination gefördert, mehr als in den meisten anderen Sportarten. Man geht an die körperlichen Grenzen, spürt den Körper wieder neu, überwindet die Antriebslosigkeit (der 1. Schritt ist immer der schwerste!).

Man lernt, die Route zu erkennen, ganz praktisch in Form der farbigen Griffe und Tritte.

Im Leistungsbereich gelingt es, mal wieder „über sich hinauszuwachsen. Eine neue Art von Leistung führt zu mehr Selbstbewusst sein, man spürt Glücksgefühle (Erhöhung der Neurotransmitter im Gehirn).

Im Kontaktbereich schließt man neue Kontakte und lernt, sich und anderen zu vertrauen.

Im Bereich Zukunft-Phantasie (Pläne, Wünsche und Hoffnungen) finden sich neue Lösungswege, man überträgt die gefundene Route auf sein Leben, überwindet Grenzen, lernt die Kontrolle auch mal abzugeben und sich fallen zu lassen. Das fördert das Finden von Perspektiven.

Die Erfahrung in Weiterbildungen haben gezeigt, dass Patienten, die an Einheiten des therapeutischen Kletterns teilnahmen, von diesen sehr schnell profitieren konnten. Schon nach 2 Einheiten zeigten sich positive Veränderungen, die sich auch in den begeisterten Rückmeldungen zeigten.

Therapeutisches Klettern ist keine Kassenleistung, es ist sinnvoll zwei bis fünf Übungseinheiten einzuplanen!

Das therapeutische Klettern wird Indoor in Kletterhallen durchgeführt und der/die PatientIn bzw. TeilnehmerIn wird mit einem bereits installierten Seil im Toprobe gesichert. Das heißt ein fest fixiertes Seil mit Umlenkung kommt von der Hallenwand, in die losen Enden wird der Kletterer und derjenige, der sichert, eingebunden. Beide benötigen dafür einen Klettergurt. Dieser kann genau wie die Kletterschuhe in der Halle ausgeliehen werden. Das gilt auch für

Über den Autor

Dr. Kerstin Büring
Dr. Kerstin Büring
Psychotherapie, Wetzlar
Aktuelle Ausgabe2/2024