COVID-19 – das neue Virus und die Pandemie

Sorgen und Angst, aber auch Hoffnung

Unsere Bundeskanzlerin Frau Angela Merkel sagte: die Lage ist ernst, sie ist sehr ernst. Das verstehen wir sicherlich alle, wenn wir die Nachrichten der letzten Wochen und Monate bedenken. Wir hören von vielen Infizierten und Toten. Zunächst in China, im Verlauf zunehmend in Italien, in Frankreich, in Spanien, aber auch in Deutschland. Ganz Europa ist nicht mehr sicher vor diesem so unbekannten Virus. Mittlerweile hat sich das Virus weltweit verbreitet. Und dann hören wir von den Menschen, die in anderen Ländern und Kontinenten aufgrund von Versorgungsengpässen keine intensivmedizinische Behandlung bekommen können. Gerade die älteren Menschen, die besonders von dem schwerkranken Verlauf dieses Virus betroffen sind, müssen um die maximal mögliche medizinische Behandlung fürchten. Gott sei Dank haben wir in Deutschland eines der besten – wenn nicht das beste - Gesundheitssysteme der Welt.

Sicherlich sind all diese Informationen und Schreckensmeldungen mit Sorgen verbunden und auch mit existenzieller Angst um unser Leben, aber auch die Angst um unsere wirtschaftliche Situation ist evident:

Zunächst wurden im März nur Reisebeschränkungen empfohlen, im weiteren Verlauf wurden die Vorgaben, Verwandte und Freunde nicht mehr wie gewohnt zu treffen, herausgegeben. Dann kam es zu Schließungen der nicht lebensnotwendigen Geschäfte, so dass die Zukunft der Wirtschaft landesweit ungewiss war und ist.

Wie sicher ist meine Rente? Wie sicher ist mein Arbeitsplatz und mein Einkommen als Angestellter? Viel existentieller waren aber die Ängste der Selbstständigen, die sich fragten, wie lange sie die Gehälter der Mitarbeiter noch zahlen können, wenn keine oder nur reduzierte Einnahmen möglich sind? Die Restaurants, die Cafés, die Einzelhandelsgeschäfte - alle waren geschlossen, der Umsatz steigt nach der schrittweisen Öffnung vielfach nur langsam.

Aber auch ganz persönliche Fragen bewegen uns: Muss ich meinen Zahnarzttermin absagen, bin ich dort in der Gefahr einer Infektion? Wie sieht es mit meinem Urlaub aus? Wann werde ich wieder sicher im In- und Ausland verreisen können? Fragen über Fragen, Unsicherheiten, die Sorgen und Ängste mit sich bringen.

Demgegenüber gab es so zahlreiche Hoffnungsschimmer in dieser Zeit, der Umgangston in der Gesellschaft wurde an so vielen Stellen liebevoller und aufmerksamer. Die Krise eröffnet den Blick auf den Nächsten, auf die in der Gesellschaft, die der Hilfe bedürfen. Wie viele Studenten engagierten sich in Form von Einkaufsdiensten für ältere Mitbürger, machten sich Gedanken um die ärmeren Mitmenschen, die keine ausreichenden Lebensmittel mehr bekamen, da die Tafeln ihre Ausgaben zum Teil geschlossen hatten.

Im Buch Exodus beschreibt Mose den „Tanz um das Goldene Kalb“. Menschen setzen hier nicht Gott und den Menschen an die erste Stelle, sondern Gold und Gewinnstreben. Nicht Gott wird in dieser biblischen Erzählung angebetet, sondern das Goldene Kalb.

Zu allen Zeiten müssen sich Menschen dies fragen lassen, aber besonders in der derzeitigen gesundheitlichen Krise: was sind die Prioritäten in unserem Leben? Was ist das Wichtigste? Was beten wir letztlich an wie einen Gott? Ist es das Geld, ist es der Luxus, ist es die gesellschaftliche Position? Unser Leben verändert sich durch die Corona-Krise.

Wir sehen ausgesprochen diszipliniertes Verhalten, das wir in Deutschland kaum für möglich gehalten hätten. Die Bevölkerung bleibt zu Hause, sie akzeptiert Einschränkungen und gesetzliche Vorgaben, und nur wenige zeigten zunächst Schwierigkeiten, diese Vorgaben einzuhalten. Die Todeszahlen - besonders in den benachbarten Ländern von Deutschland - machen Angst und führen zu Disziplin.

Wir sollen zu Hause bleiben, was heißt das für die Menschen? Die Meisten sind in einer Familie, Arbeitnehmer bleiben im sogenannten Home-Office. Andere haben aber Kurzarbeit, sie haben Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren. Hier wird die Gestaltung des Miteinanders zu Hause schwierig, zum Teil emotional kaum zu meistern.

Aber was heißt denn für einige in unserer Gesellschaft „bleibt zu Hause“. Für die Wohnungslosen in unserer Gesellschaft? Wo sollen Sie hingehen? Es gibt sog. Tagestreffs, dort bekommen sie ein warmes Essen. In einer U-Bahn-Station in Frankfurt können diese Menschen etwas geschützt übernachten. Häusliche Quarantäne ist für Menschen ohne ein Zuhause nicht möglich, und gerade diese Menschen gehören zur ausgesprochenen Risikogruppe, sie sind selten gesund, häufig von Krankheiten geschwächt und bräuchten eigentlich eine besondere Prävention, um nicht an diesem Virus zu erkranken. Auch die Ehrenamtlichen, die sich um diese Nichtsesshaften kümmern, sind oft ältere Menschen, die selbst zur Risikogruppe gehören. Diese mussten auch hier die Hilfe einstellen, so dass die Wohnungslosen noch schwerer betroffen sind.

Hier zeigt sich, wie behutsam wir mit unserer Sprache umgehen müssen: bleib zuhause – ohne ein Zuhause zu haben!

Bilder aus den Slums vor den Toren Nairobis in Kenia erschüttern. Auch hier ist das Virus angekommen. Die Menschen sollen sich häufig die Hände waschen, leben eng zusammen. Sie haben aber nicht ausreichend Wasser und schon gar nicht sauberes Wasser.

Erwachsene, Kinder, Kranke oder schwangere Frauen, die auf der Flucht sind, die in den Flüchtlingslagern in Südeuropa leben, sie haben keine Möglichkeit, dem Virus zu entgehen.

Wir können nur hoffen, dass uns diese spürbare Verletzlichkeit unserer Gesellschaft nachhaltig für die Bedürfnisse und Nöte unserer Mitmenschen sensibilisiert.

Unser komfortables Leben, das wir uns über die letzten Jahrzehnte nach dem zweiten Weltkrieg erarbeitet haben, ist keine Selbstverständlichkeit. Unser bundesdeutsches Sozialsystem und die excellente medizinische Versorgung werden uns aber sicherlich helfen, die Zeit „nach Corona“ positiv zu erleben und zu gestalten.

Bleiben Sie gesund und hoffnungsvoll!

Ihre

Dr. Inga H. Sünkeler

Über den Autor

Dr. Ingrid H. Sünkeler
Dr. Ingrid H. Sünkeler
Stellvertretende ärztliche Direktorin
BDH Klinik Braunfels

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