„COVID-19“ Pandemie im Kindes- und Jugendalter

Was ist anders als bei der Infektion von Erwachsenen?

Die mittlerweile weltweite Seuche mit einer bisher unbekannten Variante aus der Familie der Coronaviren hat unsere stabile Ökonomie samt hoch differenziertem Sozialgefüge seit vielen Monaten fest im Griff. Nur durch die frühe, konsequente und effektive Zusammenarbeit von Wissenschaftsexperten, Medizinern in einem flexiblen Gesundheitssystem, Bevölkerung kann aktuell von einer „abklingenden“ Gefahrensituation gesprochen werden. Die strenge Isolation wird schrittweise aufgelockert: Wir sind in “Phase 3“ - neudeutsch des „Lock Out“.

Vieles ist bei der Covid 19 (SARS-CoV-2) Infektion unbekannt. Zahlreiche Studien sind noch nicht abschließend ausgewertet. Welche Medikamente helfen effektiv? Wann kommt eine Schutzimpfung? Droht eine zweite Infektionswelle? Wie lange müssen noch Quarantäne und persönliche Verhaltensregeln strikt eingehalten werden?

Neben den bekannten Risikogruppen der älteren Mitbürger mit schweren Vorerkrankungen oder in Heimbetreuung dürfen die uns Schutz befohlenen Kinder nicht aus den Augen verloren werden.

Kinder sind keine kleinen Erwachsene!

Im Gegensatz zum Influenza (Grippe) Virus zeigt der Coronaerreger unbekannte, Schrecken verbreitende Krankheitsbilder mit hoher Kontagiosität (Ansteckungspotential) und Infektiosität: Stand Anfang Juni weltweit 6,7 Millionen Infizierte und mehr als 400 000 Todesfälle.

Wie bedroht das neue Virus unsere Generation in Schwangerschaft, Babyalter, Kita, Schule und Freizeit?

Grundsätzlich ist die Ansteckungsgefahr und damit die Durchseuchung für Kinder vergleichbar mit der von Erwachsenen. Sie werden jedoch deutlich seltener klinisch schwer krank (2-5% der Fälle). Gründe dafür sind ein noch nicht ausgereiftes Immunsystem, sie leiden seltener unter den „alt“ bekannten Risiken wie Herz-Kreislauf /Lungenerkrankungen, Krebs oder Diabetes mellitus. Eigentümlicherweise ist die Übertragungsrate von Kind zu Kind sogar innerhalb der eigenen Familie deutlich geringer als bei Erwachsenen. Kinder haben nur selten Kontakt mit potentiell Infizierten sei es im Beruf, der Öffentlichkeit oder auf wohl unkontrollierbaren Großveranstaltungen. Statistisch zuverlässige Daten fehlen den Infektiologen und Immunologen bisher noch wegen meist zu niedriger Fallzahl sowie fehlender systematischer Testungen zum Erregernachweis oder bereits positiver Immunantwort durch spezifische Antikörperbildung.

Symptomatik Covid-19 Infektionen verlaufen bei Kindern nicht selten symptomlos oder milde mit kurzer Dauer (ca.25%). Krankheitszeichen sind Abgeschlagenheit, Nahrungs-verweigerung, Unruhe, eher mäßig Fieber, selten ausgeprägte Halsschmerzen. Bei trockenen Hustenattacken findet man im Computertomogramm eine Lungenentzündung bei immerhin bis zu 50% der. Erkrankten.

Die Hospitalisierungsrate bei schwerem Verlauf mit hohem Fieber und Atemnot oder sich verschlechternder Vorerkrankung beträgt etwa 10 %. Bisher wurden nur einzelne Todesfälle gemeldet, wobei weltweit auch über akut lebensbedrohende Verläufe wie beim „Kawasakisyndrom“ mit Befall mehrerer Organe durch Gefäßimmunreaktionen berichtet wird. In allen schweren Fällen ist immer eine sofortige pädiatrische Intensivversorgung in Spezialkliniken erforderlich.

Schwangerschaft/Stillzeit:

Bisher sind keine Viruserreger im Fruchtwasser oder Plazenta (Mutterkuchen) nachgewiesen worden – auch nicht in der Muttermilch!

Risiken bei einer drohenden Frühgeburt sind extrem selten, erst kürzlich wurde aus Afrika jedoch der Todesfall eines Frühchens mit Lungenaffektion zwei Tage nach der Geburt bei bekannter Coronainfektion der Mutter berichtet.

Schwangere sollten die üblichen Verhaltensregeln einhalten, möglichst potentielle Seuchenherde meiden und gegen Influenza und Pertussis (Keuchhusten) geimpft sein.

Allergien: Es gibt keine Hinweise auf schwere Krankheitsverläufe bei bestehenden Allergien wie. Asthma, Heuschnupfen, Neurodermitis oder Nahrungsmittelallergien. Beim Asthma wird eine Dauertherapie- auch Kortison oder Immunbehandlung (Hyposensibilisierung, Biologicamedikamente wie“ Omalizumab“) oder eine Inhalation - fortgesetzt. Soweit möglich sollte ein Dosierspray mit Inhalationshilfe einer Feuchtinhalation wegen gefährdender Aerosolbildung vorgezogen werden. Auch Tumor / Transplantationsbehandlungen sowie neurologische, endokrinologische Therapien werden in der Regel nach Absprache mit dem Pädiater fortgesetzt. Eine Übertragung von Covit-2 Viren von Katze und Hund auf den Menschen ist selten, in Einzelfällen jedoch vorgekommen –also eher Zurückhaltung!

Erfahrungen mit Medikamenten in der Erwachsenentherapie - Remdesivir (gegen Ebola) und Resochin (Malaria) gibt es in der Pädiatrie nicht.

Bitte nehmen Sie langfristig geplante Pädiatertermine wie Kontrollen bei chronischen Erkrankungen, Impfungen nach offiziellem STIKO -Impfplan oder Kindervorsorgen einschließlich Zahnarztchecks ohne Angst vor einer Ansteckung in der Praxis des Arztes ihres Vertrauens wahr. Dort werden alle seit Beginn der Coronakrise von den Experten mit Erfolg propagierten Präventionsmaßnahmen verantwortungsvoll eingehalten.

Quarantäne hilft definitiv… doch der Hausfrieden ist bedroht

Die im neuen Infektionsschutzgesetz verankerten, wissenschaftlich begründeten prophylaktischen Isolationsmaßnahmen zur Eindämmung des Seuchenvirus treffen Kinder ebenso hart wie Erwachsene. Nur können sie altersabhängig die vielmals einschneidenden Lebenseinschränkungen nicht verstehen und oft nur unter Protest akzeptieren.

Alle Schutzregeln gelten selbstverständlich auch für Kinder. Sie müssen jedoch immer wieder in altersgerechter Form. mit viel Humor und Mitgefühl eingeübt und überwacht werden.

Eltern, Erzieher- und Lehrekräften werden die Besonderheit der für alle Menschen gefährlichen Situation aufklären und dabei die Kinder spielerisch aktiv einbinden und –mitreden lassen. Nur so können sie den Sinn der Schutzmaßnahmen und verständlicherweise ungeliebten Verhaltensregeln akzeptieren lernen. „Jeder schützt sich selbst und seine Mitmenschen.“

Die seelischen Folgen einer Trennung von Großeltern, Verwandten oder Spielkameraden sind ebenso schwer zu lindern wie die Einschränkung der Bewegungsfreiheit oder der Verlust von Sozial/Lernkontakten in Kita und Schule.

Dass unter den oftmals dramatisch veränderten familiären Lebensbedingungen mit vielerlei Sorgen um den Arbeitsplatz, Finanzsituation, Angst und Wut mit oder ohne „home office“ innerfamiliäre Stresssituationen sehr schnell entstehen und eskalieren können, ist allgegenwärtig. Kindesvernachlässigungen und - misshandlungen nehmen ebenso deutlich zu wie Gewalt gegen Frauen, Alkoholprobleme oder Trennungssituationen. Nach ersten sehr alarmierenden Berichten aus München erleiden bis zu 10% der Mütter und Kinder handfeste körperliche, sexuelle und emotionale Gewalt in häuslicher Gesellschaft. Leider nehmen nur wenige Betroffene nur selten die vielerorts angebotenen Hilfen wahr.

Wer sich in der Bedrohung hilflos und überfordert fühlt, sollte frühzeitig Angebote professioneller Hilfe in Anspruch nehmen. Durch eine größere öffentliche Bekanntmachung der gut organisierten Anlaufstellen durch Plakate und Inserate könnte die Gewaltprävention verbessert werden.

Kita und Schule – wie geht es weiter

Nachdem die erste Phase der Pandemieabwehr in strenger Isolation vorbei ist, Infektionszahlen und Todesfälle deutlich gesunken sind, sollten die Restrestriktionen für Kinder zügiger als bisher gelöst werden. Aus dem „Notbetrieb“ der Pandemieanfangszeit ist Anfang Juni ein leider nur „eingeschränkter “Regelbetrieb“ geworden. Vielerorts werden nur 40 % der Kinder in Kitas ganztags betreut. Der Unmut vieler Eltern wächst ständig, zumal die Experten ein Abklingen der Pandemie nicht vor Ende dieses Jahres erwarten – sofern keine zweite Infektionswelle entsteht. Alle bundesweit kooperierenden pädiatrischen Fachverbände fordern- ebenso wie „Kinderhilfswerk“ und „Kinderschutzbund“ - eine zeitnahe vollständige Öffnung von Kita und Schulen unter Beachtung regionaler epidemiologischer Besonderheiten. Kinder sind keine Hochrisikogruppe und in der Regel nicht verantwortlich für „Superspreading“ (Virusschleudern). Der Einzelfall einer Coronainfektion rechtfertigt nicht die Schließung der gesamten Einrichtung. Bei allem Verständnis für räumliche, personelle und organisatorische Probleme sollten im Interesse der Kinder schnelle und flexible Lösungen gefunden werden. Dabei geht es um kleine, konstante Gruppen ohne „Durchmischung auch mit gemeinsamen Mahlzeiten überwachter Einhaltung der bewährten Prophylaxeregeln: „AHA“ = Abstand halten + Hände waschen/Hatschihygiene + Atem/Nasenschutzmaske(altersabhängig)! Mit allseitigem Engagement der Verantwortlichen sollte es möglich sein, das Problem des aktuellen Mehrbedarfs an „Schulräumen und Pausengestaltung“ zeitgerecht zu lösen.

Für viele Schulen und Kitas ist spätestens jetzt in der Krisenzeit die Gelegenheit und dringende Notwendigkeit gekommen, hinlänglich bekannte, oft höchst beschämende Hygienedefizite in Toiletten - und Waschbereichen für Kinder und ihre Betreuer schnell zu beseitigen!

Rückkehr zum normalen Leben:

Die Covid-19 Pandemie ist noch nicht zu Ende. Wissenschaftsexperten vieler Sparten und Politiker arbeiten auf allen Ebenen vorbildlich zusammen. Sie raten weiterhin zu verantwortlichem, rücksichtsvollen und kontrolliertem Handeln, um die bisherigen Erfolge in diesem ungleichen Kampf gegen das unsichtbare Virus nicht aufs Spiel zu setzen.

Ein Impfstoff wird frühestens Anfang 2021 zur Verfügung stehen, Medikamente werden weiterentwickelt und müssen vor ihrem klinischen Einsatz getestet werden.

Die Corona „Überwachungsapp“, die in verschiedenen Ländern bereits eingesetzt wird, meldet anonym den persönlichen Kontakt mit einem Coronainfizierten. Sie steht bei uns noch nicht zur Verfügung, die Bereitschaft zu ihrem Einsatz ist bisher eher verhalten.

Labortestung zum Nachweis des Erregers oder der Immunität nach überstandener Infektion muss dringend erweitert und systematisch flächendeckend – gerade auch in Kita und Schule -eingesetzt werden.

Erfreulich: Die Bundesfamilienministerin Franziska Giffey hat die Einrichtung eines Kita - Registers zum Coronageschehen angekündigt, um die Rolle des Infektionsgeschehens besser verstehen zu lernen und. Bundespräsident Walter Steinmeier bedankte sich Anfang Juni zum Tag des Kindes ausdrücklich bei Eltern und Kindern für ihre große „Disziplin und Verständnisbereitschaft “ in der schweren Pandemiezeit - eine schöne Geste!

 

Weitere Information, Beratung und Hilfe erhalten Sie jederzeit über:

Kinderschutzbund: info@kinderschutzbund-wetzlar.de

„Plaudertelefon“ Netzwerk „Frühe Hilfen“ und LDK- 06441 -4076099

www.rki.de Robert Koch Institut als Bundesbehörde für Infektionskrankheiten in Berlin

www.kinderaerzte.im.netz.de

Über den Autor

Dr. med. Josef Geisz
Dr. med. Josef Geisz
Kinder-Jugendarzt/Allergologie, Wetzlar

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