Engpass Schulter

Mehr als jeder vierte Deutsche leidet irgendwann in seinem Leben unter starken Schulterschmerzen. Die Zahl der Schulter OP´s ist in den letzten Jahrzehnten stark gestiegen. Für manche Betroffene wäre es ein Traum, nachts schmerzfrei wieder durchschlafen, oder eine bequeme Schlafposition einnehmen zu können. Auch im Alltag kann z.B. die tägliche Körperhygiene zur unlösbaren, schmerzhaften Aufgabe werden.

Hoch bewegliches Schultergelenk

Das Schultergelenk ist ein Kugelgelenk und somit hat es den größtmöglichen Freiheitsgrad aller Gelenke im Körper. Rein von gelenkmechanischer Seite wäre es möglich über Kopf fassend jeden Punkt am oberen Rücken erreichen zu können. Leider macht eben genau diese hohe Beweglichkeit dem Körper zu schaffen. Das Hauptgelenk der Schulter wird vom Oberarmknochen (Kopf) und der kleinen knöchernen Gelenkpfanne des Schulterblatts gebildet. Dann ist da auch noch das Schultereckgelenk (Acromion), welches die Verbindung des Schlüsselbeins und des Schulterdachs ist. Das dritte Gelenk mit direktem Schulterbezug, ist das Gelenk zwischen Schlüssel- und Brustbein (Sternoclaviculargelenk). Die Schulter wird hauptsächlich über Muskeln stabilisiert und geführt. Diese „muskuläre Kappe“ rund um das Gelenk wird Rotatorenmanschette genannt. Muskulär gibt es da z.B. den sogenannten Supraspinatus, der durch die enge Stelle zwischen Oberarmknochen und Schulterdach läuft. Um die dort entstehende Reibung und Enge abzumildern, haben wir dort einen druckverteilenden Schleimbeutel. Da das Gelenk hauptsächlich über Muskeln stabilisiert ist, so ist die muskulär-fasziale Balance sehr wichtig. Das wiederum ist häufig nicht gegeben, da die heutigen Bewegungsmuster sich hauptsächlich vor dem Körper abspielen und andere Bewegungen vernachlässigt werden. Beispielsweise nach vielen Stunden Büroarbeit resultieren daraus Überspannungen, Verkürzungen und Enge im Gelenk. Körperliche Fehlhaltungen und einseitige sportliche Aktivitäten machen das Ganze nicht besser.

Häufige Diagnosen

In der Praxis werden häufig die Diagnosen Impingement, Kalkschulter, frozen shoulder oder Arthrose gestellt. Meiner Erfahrung nach entsprechend führe ich all diese Dinge auf dieselbe Ursache zurück: Der muskulär-faszialen Problematik im Bereich der Rotatorenmanschette. Ich gehe hierbei auf die drei häufigsten Beschwerdebilder ein.

1.Impingement- Syndrom

Wie oben bereits beschrieben ist der Raum zwischen Oberarmkopf und Schulterdach sehr eng (Subacromialraum). Hierbei wird der Gelenkkopf durch die muskulären Überspannungen, Verkürzungen und der vorhandenen Dysbalance vermehrt in Richtung Schulterdach gezogen. Die dazwischen liegenden Strukturen werden gestresst oder gar eingeklemmt. Der Körper möchte das natürlich nicht und reagiert so, dass der Schleimbeutel und die Supraspinatussehne anschwellen. Es findet dadurch ein reduzierter Stoffwechsel statt und somit eine verminderte Bindegewebselastizität. Dies´ kann zur Folge haben, dass es heftige, teils ausstrahlende Schulter- Armschmerzen gibt. Ist die Sehne schon spröde, oder vorgeschädigt, so kann diese auch teilweise oder gar vollständig reißen.

2.Kalkschulter

Im Gewebe insbesondere in der Supraspinatussehne, sowie auch in anderen Schultersehnenbereichen können sich Ablagerungen, sog, Kalkdepots, bilden. Diese „Kalkablagerungen“ können unterschiedliche Beschwerden mit diversen Schmerzstärken machen. Durch die Ablagerungen wird die Sehnengleitfähigkeit beeinträchtigt. Dabei kann es zu Entzündungen der Sehnenansätze und des Schleimbeutels kommen.

3. Frozen Shoulder

Die „Schultersteife“ entsteht über Jahre durch schleichende Veränderungen des Gelenkkapsel- Bandapparates. Dann kann es zur schmerzhaften und stark eingeschränkter Schulterbeweglichkeit kommen. Eine verdickte, verhärtete, verfilzte und entzündete Gelenkkapsel ist charakteristisch dafür und zwingt Patienten zu einer Schonhaltung. Diese Schultersteife kann bis zu einem Jahr anhalten.

4. Schultergelenksarthrose

Auch im Schultergelenk kann Arthrose entstehen, wenngleich auch nicht so häufig, wie im Hüft- oder Kniegelenk. Meistens ist hierbei das Schultereckgelenk betroffen. Einseitige Belastungen wie z.B. gebeugte Sitzhaltung mit vorgezogenen Schultern und innenrotierten Armen, steigern die Schultergelenkbelastungen. Denn durch jahrelange Überspannungen verstärkt sich der Druck auf Knorpel, somit auf das Schultergelenk drastisch. Das begünstigt den Schultergelenksverschleiß.

Schulterschmerzen loswerden

Der Schmerz bedeutet nicht, dass die Schulter kaputt ist, sondern der Körper warnt vor weiteren Engstellen, Abrieb, Verschleiß und reagiert mit sog. Alarmschmerzen. Somit möchte er uns darauf aufmerksam machen, dass die Struktur bedroht ist. Wichtig ist, die Schultergelenke bis ins hohe Alter flexibel zu halten, Überspannungen durch einseitige Bewegungsmuster zu reduzieren. Jeder Mensch hat es selbst in der Hand. Gleichen Sie Ihre Einseitigkeiten durch vielfältige Schulterbewegungen in alle möglichen Gelenkwinkel aus und verbessern so Ihre Mobilität. Das Liebscher-Bracht Konzept setzt an der Ursache an: Mit der Akuttherapie der Osteopressur ( überhöhte Spannungen verringern sich), den passenden Engpassübungen ( verbesserte Flexibilität der Muskulatur) und der dazugehörigen Faszienrollmassage (Verspannungen lösen und Stoffwechsel aktivieren) normalisiere ich in meiner L&B Praxis die Störungen der oben beschriebenen muskulär-faszialen Fehlspannungen. Dadurch kann sich alles rund um das Schultergelenk regenerieren und abheilen und neu strukturieren, da Zugkräfte verringert und der Stoffwechsel angekurbelt wird. Wenn Medikamente eingenommen werden, so können diese hierbei kurzfristig unterstützen, sind aber keine Dauerlösung. Sie lindern die Symptome, aber nicht die Ursache. OP` s bieten auch keine Garantie für Schmerzfreiheit und es kann dabei zu Komplikationen kommen.

Schmerz-Freiheit - Hilfe zur Selbsthilfe

Übungen sind kostenfrei und haben keine Nebenwirkungen, ganz egal, welche Diagnose gestellt wurde! Das Ziel ist eine Normalisierung der Überspannungen und das Erweitern der Beweglichkeit im Schultergelenk. Hierzu empfehle ich Ihnen zwei Übungen:

1.Im Vierfüßler Stand nehmen sie die Daumen abgespreizt aneinander, setzen Ihre Hände auf die Erde, lassen die Ellenbogen gestreckt und bewegen Ihr Brustbein Richtung Erde. Ideal ist es bei diesem „durchtauchen“, wenn die Oberschenkel senkrecht stehen bleiben.

2.Im Sitzen auf dem Boden setzen Sie die Hände eng zusammenhinter Ihrem Körper, Fingerspitzen nach hinten zeigend, auf. Nun „laufen“ Sie langsam auf Ihrem Gesäß nach vorne, indem Sie die gebeugten Beine nach links/rechts schwenken. Die Ellenbogen bleiben auch hierbei ganz gestreckt und Sie schieben Ihr Brustbein Richtung Decke.

Versuchen Sie an 6 Tagen pro Woche, mind. 1x täglich zu üben. Bleiben Sie für 2 Minuten jeweils in der Übung. Die Übungsintensität sollte so sein, das Sie das Dehngefühl stark merken- aber noch so, das Sie nicht gegenspannen oder die Luft anhalten.

Ich wünsche Ihnen viel Spaß dabei, die Schmerzfreiheit und Schulterbeweglichkeit Stück für Stück zurückzuerobern.

Ihre Petra Müller

 

Über den Autor

Petra Müller
Petra Müller
Physiotherapeutin, Heilpraktikerin
LNB Schmerztherapiepraxis Wetzlar

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