Moderne Parkinsontherapie:

Multimodale Komplexbehandlung in der Gertrudisklinik Biskirchen

Unsere im schönen Lahntal gelegene Gertrudis-Klinik ist eine neurologische Akutklinik, welche sich auf die Therapie neurodegenerativer Erkrankungen spezialisiert hat. Neben Patienten mit unruhigen Beinen (Restless Legs Syndrom, RLS) und familiärem Zittern (essentieller Tremor, ET), werden schwerpunktmäßig Patienten mit Parkinson-Syndromen jeder Ursache behandelt.

Zu unserem therapeutischen Angebot für Parkinson-Patienten gehört seit 2008 das Konzept der Multimodalen Komplexbehandlung, welche die akutstationären Behandlungsmöglichkeiten ideal ergänzt. Durch die hohe Therapieintensität und Multidisziplinarität der Behandlung können sowohl motorische als auch nichtmotorische Probleme der Patienten differenziert behandelt und dadurch in den meisten Fällen eine Verbesserung der Alltagsfunktionen erreicht werden.

Warum nicht nur Medikamente?

Im Verlauf der Parkinson-Krankheit entwickeln Patienten regelhaft Symptome, welche nicht auf die klassische medikamentöse Therapie ansprechen. Im Rahmen der multimodalen Komplexbehandlung wird den Patienten begleitend zur Optimierung der Medikation ein umfassendes Therapieprogramm angeboten, welches Elemente aus der Physio-, Ergo- und physikalischen Therapie sowie logopädische Betreuung enthält.

Behandlungsziele

Physiotherapie

Die Physiotherapie führt den Patienten nach Erfassung seiner motorischen Funktionsstörungen an ein gezieltes Trainingsprogramm heran: Wichtige Ziele sind die Verbesserung von Bewegungsgeschwindigkeit und -ausmaß (Bradykinese, Hypokinese), die Verbesserung der Stand- und Gangunsicherheit mit Schwerpunkt Sturzprävention, die Korrektur von Haltungsstörungen wie vornübergebeugte Haltung (Kamptokormie oder Anteklination), Schiefhaltung bzw. Seitabkippung im Stehen (Pisa-Syndrom) und das Einüben von Hilfsmechanismen (Cues) bei Gehblockaden (Festkleben der Füße am Boden beim Losgehen, während des Gehens oder beim Passieren von Engstellen = Starthemmungen, Freezing, Engpasshesitation). Der Transfer eines Teils des Übungsprogramms in den Alltag im Sinne eines täglichen Übungsprogrammes in Eigenregie ist hierbei besonders wichtig. Häufig berichten Patienten auch nach längerem Krankheitsverlauf, dass sie erst im Rahmen der Komplextherapie den Nutzen einer intensiven Physiotherapie erlebt haben. Darüber hinaus können physiotherapeutische Techniken wie muskellockernde Massagen und Lymphdrainage zur symptomatischen Beschwerdelinderung eingesetzt werden, insbesondere wenn die Möglichkeiten für aktive Übungen stark eingeschränkt sind. In der Teamarbeit sind außerdem die Beobachtungen der Physiotherapeuten in Bezug auf Besonderheiten der Motorik und des Antriebs, einschließlich motorischer Schwankungen, ausgesprochen wertvoll, um die medikamentöse Therapie zu optimieren.

Logopädie

Sprech- und Artikulationsstörungen betreffen Parkinson-Patienten in allen Krankheitsstadien. Das Sprechen wird insgesamt leiser, die Stimme klingt belegt, die Sprachmelodie wird monotoner, das Sprechtempo kann sowohl langsamer werden, aber gegen Ende des Satzes auch schneller bis hin zum Stottern. Der Tonumfang reduziert sich und die Sprechinitiierung kann aufgrund von Sprechfreezing gestört sein. Die soziale Kommunikation ist hierdurch oft stark gestört. Bei berufstätigen Patienten sind Sprechstörungen, die unter psychischem Stress zunehmen können, ähnlich belastend und peinlich wie motorische Symptome. Ein weiteres Arbeitsgebiet für eine logopädische Behandlung sind Schluckstörungen. Diese sind in fortgeschrittenen Krankheitsstadien beim idiopathischen Parkinson-Syndrom und bei atypischen Parkinson-Patienten bereits frühzeitig im Krankheitsverlauf regelhaft vorhanden und können erhebliche Komplikationen wie Verschlucken (Aspirationsgefahr), unzureichende Medikamentenwirkung oder Mangelernährung nach sich ziehen. Standardisierte Fragebögen und klinische Schluckuntersuchungen helfen, Schluckstörungen zu erkennen, auch wenn diese vom Patienten selbst noch gar nicht wahrgenommen werden.

Ergotherapie

Die Ergotherapie bietet ein breites Spektrum an Angeboten, die flexibel auf individuelle Bedürfnisse abgestimmt werden können. Übergeordnetes Ziel ist der Erhalt von Aktivitäten des täglichen Lebens wie Essen, Trinken, Ankleiden, Küchen-, Haushalts- und Einkaufsaktivitäten. Feinmotorik- und Schreibtraining, Seh- und Gedächtnistraining sowie Koordination von Bewegungsabläufen stehen daher oft im Mittelpunkt. Es bestehen Überlappungen mit Zielen der Physiotherapie beim Thema des Transfers und der Mobilität sowie mit sozialdienstlichen Aspekten beim Thema Sicherheit und Hilfsmittelberatung.

Wie ist die Multimodale Komplexbehandlung definiert?

Vorgeschrieben ist eine wöchentliche Therapiezeit von 7,5 Stunden, davon mindestens fünf Stunden als Einzeltherapie. Allerdings wird für jeden Patienten ein individueller Therapieplan erstellt, der sich nach den Fähigkeiten und Bedürfnissen des einzelnen Patienten und dem Stadium der Erkrankung richtet. Die Ergebnisse werden einmal wöchentlich im Rahmen einer Teambesprechung ausgewertet.

Die Dauer des Aufenthaltes beträgt im Durchschnitt 18 Behandlungstage.

 

Gesetzlich vorgeschriebene Mindestmerkmale der Multimodalen Komplexbehandlung bei Morbus Parkinson und atypischem Parkinson-Syndrom*

  1. Team unter neurologischer Behandlungsleitung.
  2. Wöchentliche Teambesprechung mit wochenbezogener Dokumentation bisheriger Behandlungsergebnisse und weiterer Behandlungsziele.
  3. Vorhandensein mindestens folgender Therapiebereiche: Physiotherapie/physikalische Therapie, Ergotherapie.
  4. Einsatz von mindestens drei nicht ärztlichen Therapiebereichen (Physiotherapie/physikalische Therapie, Ergotherapie, Sporttherapie, Logopädie, künstlerische Therapie [Kunst- und Musiktherapie], Psychotherapie), patientenbezogen in unterschiedlichen Kombinationen.
  5. Mindestens 7½ Therapiestunden pro Woche, davon fünf Stunden in Einzeltherapie.
  6. Einer der eingesetzten drei nicht ärztlichen Therapiebereiche aus den Bereichen Physiotherapie/physikalische Therapie oder Ergotherapie

*Die Multimodale Komplexbehandlung ist anhand der obigen Kriterien gesetzlich definiert. Nur wenn diese erfüllt sind, dürfen Kliniken – wie die unsrige – diese Therapie anbieten.

 

 

Über den Autor

Dr. med. Ilona Csoti
Dr. med. Ilona Csoti
Ärztliche Direktorin
Gertrudisklinik Biskirchen

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