Welche Impfungen im Alter sind sinnvoll?

Weltweit liegt der aktuelle Bevölkerungsanteil der Menschen mit einem Alter über 65 Jahren bei 17 Prozent und wird im Jahre 2050 auf 27 Prozent ansteigen. Spätestens ab dem 50. Lebensjahr tritt eine Alterung des Immunsystems auf, die Immunoseneszenz genannt wird und mit einer reduzierten Aktivität des Immunsystems verbunden ist. Um die häufigsten Infektionen im Alter weitgehend zu reduzieren, gehören Impfungen daher zum festen Bestandteil des Konzepts eines gesunden Alterns. Die vier wichtigsten Basisimpfungen im Alter sind die gegen Influenza (Grippe), Pneumokokken, Tetanus-Diphtherie-Pertussis und Herpes Zoster.

Die Influenza ist eine schwerwiegende Erkrankung, die in Deutschland jährlich mehrere tausend Todesfälle auslösen kann, wie beispielsweise im Winterhalbjahr 2017/2018. Die Wirksamkeit der Influenza-Impfung kann zwischen 10 und 60 Prozent erheblich schwanken. Dies ist u.a. durch die ständig wechselnden Oberflächeneigenschaften des Influenzavirus begründet, gegen die sich die Impfung richtet. Dies hat zur Folge, dass Antikörper gegen die Oberflächenantigene, die im Rahmen einer vorangegangenen Infektion oder einer Impfung entstanden sind, keine oder eine deutlich abgeschwächte Wirksamkeit haben. Daher muss die Impfung jährlich an die voraussichtliche Oberflächenstruktur der in der kommenden Saison zu erwartenden Viren angepasst werden. Der optimale Zeitpunkt für die Influenza-Impfung ist umstritten. Unter Berücksichtigung der Abnahme der Impfwirkung innerhalb von vier Monaten gegenüber der Mehrzahl der im Impfstoff enthaltenden Virustypen und der langjährigen Beobachtung, dass über 75 Prozent der Influenza-Epidemien nicht vor Januar bis Mitte März in der nördlichen Welthalbkugel auftreten, scheint der Monat November der optimale Zeitpunkt der Impfung zu sein. In Deutschland wird die Influenza-Impfung empfohlen für Personen ab 60 Jahren, jüngere Risikopatienten, Schwangere ab dem 2. Trimenon, Personen mit einer erhöhten gesundheitlichen Gefährdung (z.B. medizinisches Personal), Personen in Einrichtungen mit umfangreichem Publikumsverkehr und Personen, die als mögliche Infektionsquelle für von ihnen betreute Risikopersonen in Frage kommen.

In Europa stehen Pneumokokken mit 12 bis 68 Prozent an der Spitze der Erreger der ambulant erworbenen Lungenentzündungen (Pneumonien). In Deutschland sind zwei unterschiedliche Impfstoffe gegen Pneumokokken zugelassen: eine 23-valente Polysaccharid-Vakzine (PPSV23) und eine 13-valente Konjugat-Vakzine (PCV 13). Hinsichtlich der Anwendung der beiden verfügbaren Pneumokokken-Impfstoffe gibt es in Deutschland unterschiedliche Empfehlungen. Einigkeit besteht allerdings darin, Risikopatienten mit einer angeborenen oder erworbenen Abwehrschwäche eine kombinierte Impfung mit zu Beginn PCV13 und danach im Abstand von mindestens acht Wochen bis zu einem Jahr eine Dosis PPSV23 zu verabreichen. Die Pneumokokken-Impfstoffe sollten nach vier bis fünf Jahren erneut verabreicht werden.

Im Alter nehmen Stürze und Unfälle mit Wundverletzungen zu. Damit steigt die Gefahr von Tetanusinfektionen. Auch der Keuchhusten (Pertussis) ist unverändert verbreitet in Deutschland. Die Wirksamkeit einer Dreifach-Impfung gegen Diphtherie, Pertussis und Tetanus ist bei älteren Menschen gesichert und eine Kombinationsimpfung zusammen mit einem Influenza-Impfstoff ist möglich. Die Antikörper gegen Tetanus und Diphtherie sind nach 10 Jahren noch ausreichend und die Verträglichkeit mit vorwiegend seltenen lokalen Reaktionen wurde unverändert als günstig beurteilt. Dementsprechend wird die Impfung alle zehn Jahre von der Ständigen Impfkommission (STIKO) in Deutschland empfohlen.

Der Herpes Zoster (Gürtelrose) ist vorwiegend eine Erkrankung des höheren Lebensalters. Nur Personen, die das Varizella-Zoster-Virus (VZV) in sich tragen, erkranken. In Deutschland tragen ca. 90 Prozent das Varizella-Zoster-Virus in sich. Nach der Erstinfektion, die meist im Kindesalter erfolgt und sich in Form der Windpocken manifestiert, gelangt das VZV in die Nervenwurzeln. Dort kann es in einem Ruhezustand lebenslang persistieren. Bei Reaktivierung des Virus werden die Zellen in den entsprechenden Hautarealen zerstört. Es entwickelt sich der typische, sehr schmerzhafte Ausschlag. In der 5. Lebensdekade verdoppelt sich im Vergleich zu 40- bis 49-Jährigen das Erkrankungsrisiko. Bis zum 85. Lebensjahr erkrankt jeder zweite an einem Zoster. Die häufigste schwerwiegende Komplikation ist die sogenannte postherpetische Neuralgie. Diese ist definiert als Schmerzen, die länger als drei Monate in dem befallenen Hautbereich bestehen. Sie wird bei 10 Prozent der 60- bis 69-jährigen und bei mindestens 20 Prozent der 80-jährigen Patienten beobachtet. Die Schmerzsymptomatik kann sehr heftig sein und damit die Lebensqualität der Patienten erheblich beeinträchtigen. Zum Verhindern eines Herpes Zoster existieren zwei Impfstoffe, zum einen ein hochdosierter Lebendimpfstoff (ZOSTAVAX) und neuerdings ein Totimpfstoff (SHINGRIX). Letzterer weist eine höhere Effektivität auf. Diese liegt im ersten Jahr bei 97,6 Prozent und nach drei Jahren bei 84,7 Prozent bei Patienten im Alter von über 70 Jahren. Die Wirksamkeit gegenüber einer postherpetischen Neuralgie liegt bei Patienten im Alter über 50 Jahren bei 91,2 Prozent und bei 88,8 Prozent bei Patienten über 70 Jahren. Im Gegensatz zu ZOSTAVAX besteht bei SHINGRIX allerdings die Notwendigkeit einer zweiten Dosis innerhalb von zwei bis sechs Monaten. In Deutschland wurde SHINGRIX für alle Personen ab einem Alter von 60 Jahren Ende 2018 von der STIKO empfohlen, bei Patienten mit eingeschränkter Immunabwehr ab 50 Jahren.

Über den Autor

Prof. Dr. med. Martin Brück
Prof. Dr. med. Martin Brück
Chefarzt der Medizinischen Klinik I
Klinikum Wetzlar

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