Kieferorthopädie bei parodontal vorerkrankten Patienten

Eine Parodontitis, im Volksmund auch Parodontose genannt, ist eine Entzündung des Zahnfleisches und des Zahnhalteapparates, die durch Bakterien ausgelöst wird. Die Parodontitis geht mit einer unwiederbringlichen Zerstörung des umliegenden Knochens und des Bindegewebes einher. Es drohen im schlimmsten Fall Zahnlockerungen und Zahnverlust. Bei einer akuten Parodontitis können sich zwischen Zahn und Zahnhalteapparat durch Schwellung des Zahnfleischs sogenannte Taschen bilden, in denen die für die Parodontitis verantwortlichen Bakterien nachweisbar sind. Eine Parodontitis hat neben der fortschreitenden Zerstörung des Knochens auch einen großen Einfluss auf Allgemeinerkrankungen wie z.B. Diabetes, Gefäßerkrankungen und Alzheimer. Zu typischen Symptomen einer Parodontitis zählen Zahnfleischbluten, Schwellung des Zahnfleisches, Mundgeruch, Zahnlockerungen und Zahnfleischrückgang. In Deutschland gehört die Parodontitis zu den Volkskrankheiten. Bei den 35-44jährigen sind 10% der Bevölkerung von einer schweren Parodontitis betroffen, bei den 65-74jährigen sind 25 % der Bevölkerung an einer schweren Parodontitis erkrankt. Der Schweregrad der Parodontitis bestimmt die Therapie. So kann bei milden Verlaufsformen eine regelmäßig durchgeführte professionelle Zahnreinigung schon genügen. Bei schwereren Verläufen ist eine mechanische Reinigung unterhalb des Zahnfleischrandes, eine antibiotische Therapie und/oder chirurgische Maßnahmen indiziert.

Nach erfolgreicher Therapie der Parodontitis kommt es häufig durch das Abschwellen des nicht mehr entzündlichen Zahnfleisches zu freiliegenden Zahnhälsen und optisch sehr langen Zähnen. Außerdem beobachten Patienten sehr häufig Zahnwanderungen und Lücken nach überstandener Parodontitistherapie.

Mit einer kieferorthopädischen Behandlung verbindet man meistens die Korrektur von Zahn- und Kieferfehlstellungen bei Kindern und Jugendlichen. Heute stellt sich jedoch ein immer größer werdender Anteil an erwachsenen Patienten in der kieferorthopädischen Praxis vor. Durch interdisziplinäre Behandlungsansätze zwischen Zahnarzt und Kieferorthopäden hat sich das Behandlungsspektrum für Patienten deutlich erweitert. Die Kieferorthopädie dient hierbei oft als Schnittstelle zur Implantologie, Ästhetischen Zahnheilkunde, Prothetik oder Parodontologie. Die kieferorthopädische Therapie leistet einen wichtigen Beitrag zur Wiederherstellung von Funktionalität und Ästhetik bei Patienten mit Parodontitis assoziierten Zahnfehlstellungen. Bewegungen wie Aufrichtung gekippter Zähne, Schließen von Lücken oder das Auflösen von Engständen sind hier möglich. Ebenfalls denkbar ist ein präprothetischer/präimplantologischer Knochenaufbau durch kieferorthopädische Maßnahmen. Auch die Hygienefähigkeit kann durch kieferorthopädische Behandlungsschritte verbessert werden, denn stark gedrehte Zähnen stellen eine besondere Herausforderung bei der täglichen Zahnreinigung dar.

Da sich die Kräfteverhältnisse bei reduziertem Knochenangebot verändern, ist während der kieferorthopädischen Behandlung darauf zu achten, dass nur leichte Kräfte auf die Zähne einwirken. Zudem muss weiterhin eine optimale Mundhygiene gewährleistet sein.

Hier steht mit der Aligner-Therapie eine geeignete Methode zur Verfügung. Es handelt sich hierbei um durchsichtige elastische Kunststoffschienen, die die Zähne mit definierten Kräften präzise bewegen. Die Ausprägung der Fehlstellung entscheidet über die benötigte Anzahl der Schienen. Jede Schiene beinhaltet nur eine geringe Veränderung, so werden die Zähne und das umliegende angegriffene Gewebe geschont. Durch den herausnehmbaren Charakter dieser Geräte wird eine uneingeschränkte Zahnpflege ermöglicht.

Die Möglichkeiten und die Notwendigkeit der kieferorthopädischen Behandlung erwachsener Patienten werden sich in der Zukunft noch deutlich ausweiten, da in einer präventionsorientierten Zahnmedizin die Kieferorthopädie als Bestandteil einer interdisziplinären Therapie (zum Beispiel im Zusammenhang mit parodontologischen, prothetischen und implantologischen Maßnahmen) unverzichtbar werden wird.

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Dr. Lisa Meyding und Dr. Moritz Meyding
Dr. Lisa Meyding und Dr. Moritz Meyding

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