Knieprothese –
Wann ist es denn so weit, Herr Doktor?

Sagen, Sie doch mal, Sie sind doch Arzt? Wann ist denn eigentlich der richtige Zeitpunkt für so eine Knieprothese? Wie alt muss man sein für so ein künstliches Knie?

Als Orthopäde werden mir genau diese Fragen ziemlich oft gestellt. Und wie so oft in der Medizin möchte man am liebsten antworten: es kommt darauf an.

Oder: 63! Sie müssen 63 Jahre alt sein.

Aber natürlich kann man die Antwort auf eine so komplexe Frage nicht so einfach geben, obwohl beide Antworten richtig sind.

Denn die meisten Patienten, die eine Prothese am Kniegelenk oder an sonstigen Gelenken benötigen sind tatsächlich älter als 60. Aber noch mehr trifft die Antwort zu : es kommt darauf an.

Es kommt ganz persönlich auf jeden einzelnen Patienten und seine ganz individuellen Beschwerden an.

Gehen wir also ein bisschen ins Detail. Was sind das für Menschen, die eine Prothese benötigen?

Im Allgemeinen werden durch eine Prothese die stark aufgebrauchten Anteile eines Gelenkes ersetzt. Um ein wenig konkreter zu werden, will ich heute über aufgebrauchte Kniegelenke reden. Das Kniegelenk wird hauptsächlich aus den drei knöchernen Bausteinen Kniescheibe, Oberschenkel- und Unterschenkelknochen gebildet. Damit diese geschmeidig übereinandergleiten können, werden diese Knochen von Seitenbändern, Kreuzbändern, dem Strecksehnenapparat und dem Beugesehnenapparat gehalten. Außerdem werden die knöchernen Anteile des Kniegelenkes durch den stoßdämpfenden Meniskus und dem Knorpelüberzug getrennt, der direkt über dem Knochen liegt. Knorpel und Meniskus verhindern, dass Knochen auf Knochen ungebremst aufeinander stoßen.

Genau dieser stützende und knochenschonende Stoßdämpfer aus Meniskus und Knorpel kann durch unterschiedliche Art und Weise geschwächt werden, so dass er leider seinen Dienst versagt. Ein schwerer Unfall beispielsweise, kann dem schönen, das Kniegelenk so wunderbar abpuffernden Knorpel übel mitspielen. Die Bänder des Kniegelenkes werden verletzt und es kommt zu einem „Wackelknie“. Durch die mangelhafte Stabilität wird der Knorpelüberzug mit bis zu 7-10 fach höheren Kräften belastet, verglichen mit einem stabilem Kniegelenk. Eine weitere Folge kann die Verletzung der für die Durchblutung verantwortlichen Blutgefäße des Kniegelenkes sein. Dadurch wird der Knorpel des Gelenkes nicht mehr ausreichend mit Blut versorgt. Auch der Meniskus kann durch einen Unfall in Mitleidenschaft gezogen werden und reißen. Er verliert seine gleichmäßige, ebene Oberfläche und scheuert von nun an mit seiner Rißzone über die Oberfläche des Knorpelüberzugs des Oberschenkel- und Unterschenkelknochens.

Auch durch langjährige Belastung eines körperlich anstrengenden Berufes, hohes Körpergewicht oder auch Schiefstellung des Beines (O-Bein oder X-Bein zum Beispiel) kann der Knorpel des Kniegelenkes stark angegriffen werden. In der Folge wird er nach und nach abgeschmirgelt. Früher als bei anderen Altersgenossen schützt er das Bein nun nicht mehr ausreichend vor Stößen.

„Also, wann weiß ich denn, wann ich eine Prothese brauche?“

In Ordnung, ich komme ja zum Punkt. Der Knorpel ist also deutlich geschädigt und der Oberschenkelknochen stößt ungebremst auf die Kniescheibe und den Unterschenkelknochen. Man nennt diesen Verlust von Knorpeloberflächen bis auf den Knochen: Arthrose.

Diese ungebremsten Stöße sind ziemlich schmerzhaft und spätestens dann, steht der erste Termin beim Orthopäden an. Ganz typisch für Arthroseschmerzen ist das Auftreten in Ruhe, beispielsweise in der Nacht. Zudem werden Arthroseschmerzen oftmals nicht besser, wenn wir uns schonen. Manchmal ist sogar das Gegenteil ist der Fall.

Wenn dann so ein gebeutelter Patient zu mir oder einem meiner Kollegen kommt, kann man die beginnende Arthrose zum Beispiel mit Krankengymnastik, Einlagen, Bandagen, Schmerzmitteln, Akupunktur oder auch Hyaluron gut behandeln. Auch eine Gewichtsreduktion kann den Schmerz und das Leid, das durch eine Arthrose auftreten kann, deutlich lindern.

Wenn der Schmerz und vor allem auch die Einschnitte ins Leben, trotz Behandlung zu groß werden, kommen die Menschen erneut zu uns. Der Patient merkt es dann meistens selbst, dass er mit seinem eigenen Kniegelenk nicht mehr gut zurechtkommt. Seine Lebensqualität ist deutlich gemindert, weil er auf Gehhilfen und Schmerzmittel angewiesen ist. Trotz der Hilfsmittel können Spaziergänge nur noch so kurz durchgeführt werden, dass sie den Namen Spaziergang eigentlich gar nicht verdienen und in den Keller will man schon sein ein paar Jahren nicht mehr gehen.

Nun ist es möglich, operativ durch den Einbau einer Kniegelenksprothese zu helfen.

Die Prothese ist kein vollständiges künstliches Gelenk, sondern sie ersetzt lediglich die angeschlagenen Knorpeloberflächen des Kniegelenkes. Wenn nur die Innenseite des Kniegelenkes von Arthrose betroffen ist, kann zum Beispiel mit einer sogenannten Schlittenprothese geholfen werden.

„Das ist doch nur was für alte Leute!“

Ja, richtig, die Arthrose betrifft meistens den älteren Menschen. Aber die Versorgung des arthrotischen Kniegelenkes mit einer Endoprothese hilft dem Menschen, der sich mehr bewegen möchte, als seine geschädigtes Kniegelenk ihm erlaubt. Und der Wunsch nach Bewegung ist ein sehr junges Gefühl.

Über den Autor

Dr. Georg Springmann
Dr. Georg Springmann

Bildergalerie

Aktuelle Ausgabe03.10.