Gesundheit heißt Kommunikation
Dies ist ein Artikel für den Gesundheitskompass.
Kompass hat etwas mit Orientierung zu tun und Gesundheit hat etwas, so definiert es zumindest die Welt-Gesundheits-Organisation WHO mit den Bereichen seelischer, sozialer und körperlicher Gesundheit zu tun. Und Gesundheit hat etwas zu tun mit Kommunikation. Kommunikation findet auf vielen Ebenen statt. Manchmal ist es eine sehr bewusste Kommunikation, manchmal spielen aber auch unbewusste Elemente dafür eine große Rolle. Sicher ist, dass wir über mehrere Wahrnehmungskanäle kommunizieren. Sehen, hören, riechen, schmecken, fühlen und spüren. Die Präferenzen sind kulturell unterschiedlich. Was Kommunikation angeht sind wir in unserem Kulturkreis mehrheitlich orientiert daran uns zu sehen, zu hören und auch zu spüren. Wir erinnern uns doch alle noch an die unterschiedlichen Qualitäten eines Händedrucks, oder?
Ob bewusst oder auch teilweise unbewusst haben wir darüber gespürt, ob jemand eher zurückhaltend oder eher dominant uns gegenüber auftritt, ob eine Person vielleicht nervös ist oder wieviel Nähe beziehungsweise Distanz sie zu uns aufnehmen möchte.
Diese Qualität der Kommunikation haben wir nun seit Beginn der Pandemie nicht mehr zur Verfügung und ich bin auch sehr neugierig, ob und wann dies wieder kommt, oder ob wir einen grundlegenden kulturellen Wechsel unserer Begegnungsmuster des Händegebens erleben werden. Dieser Verlust der Qualität Berührung über die Hand ist jedoch nicht der einzige Wechsel.
Noch inniger haben wir mit uns vertrauten Menschen die Umarmung gelebt. Umarmung bedeutet weitere Qualitäten unseres Gegenübers sammeln zu können. Wir spüren den anderen nicht nur, wir riechen ihn auch. Wenn wir uns bewusst machen, dass unser Riechzentrum im Gehirn hinsichtlich der Entwicklungsgeschichte der Neuronen mit die älteste Region ist und ein unwillkürlicher Bereich obendrein, d.h. dass es nicht willentlich steuerbar ist, wenn wir zum Beispiel empfinden: „Den kann ich überhaupt nicht riechen“, dann merken wir, welche besondere Bedeutung in dem Riechen liegt. Neben den Veränderungen der Wahrnehmungskanäle spüren und riechen, erleben wir durch die Maskierung vor allem eine Verringerung der Informationen über das Sehen und das Hören. Vielleicht ist uns die Tatsache, nur eine eingeschränkte Mimik unseres Gegenübers zu Verfügung zu haben in seinen Auswirkungen gar nicht so bewusst. Wenn man jedoch zum Beispiel an einen Menschen mit Hörproblemen denkt, so reduziert sich für diesen die Tatsache, dass dieser den Mund nicht sehen kann hinsichtlich seiner Kommunikationsfähigkeit vollkommen. Er/sie kann sie nicht verstehen und dies bezieht sich dann auf alle Kontakte außerhalb seiner/ihrer absolut persönlichen, ohne Maske möglichen, Kontakte. Aber auch für alle anderen Menschen bedeutet die reduziert wahrnehmbare Mimik einen Verlust an Tiefe in der Kommunikation.
Selbst eine veränderte Sprache durch die Maske ist eine Veränderung der Kommunikation. An dieser Stelle sei deutlich betont, dass das Tragen von Masken nicht kritisiert werden soll, sondern die Auswirkungen hinsichtlich der Veränderungen lediglich zu beschreiben sind.
Abstand und Masken verändern demnach unsere Kommunikationsstrukturen, das Erleben und die Information, die wir von uns preisgeben und die wir bekommen
Wenn wir ein Gespür dafür gewinnen möchten, wie wichtig für uns alle die aktuell weniger intensiv ausgeprägten Wahrnehmungsebenen wirklich sind, müssen wir nur unsere Kinder anschauen. Sie spielen zu sehen, wie sie miteinander umgehen, wie sie Berührung brauchen, um zu kommunizieren verrät uns alles. Ganz extrem sind ethisch nicht vertretbare frühere Untersuchungen an Menschenaffen bei denen Kleinaffen ohne elterliche, beziehungsweise gleichartige Kontakte, aufgezogen wurden. Die kleinen Affen haben nicht nur Verhaltensauffälligkeiten entwickelt, sie sind allesamt gestorben. Auch, wenn wir zum Glück nicht solche extremen Bedingungen haben und Menschen grundsätzlich mit Tieren in allen Belangen nicht vergleichbar sind, ist die Erkenntnis über die Bedeutung von Zuwendungen und Kommunikation doch sehr wichtig.
Unsere Apelle, die wir hören und vielleicht auch selbst propagieren heißen „Zusammenhalten“! Freuen wir uns darauf unsere Liebsten, auch und gerade die, mit denen wir nicht in einem Haushalt leben, wieder halten zu können, Kinder, Omas, Opas, Geschwister, Freunde und Freundinnen wieder in die Arme nehmen zu können, ganz zu sehen, ungefiltert zu hören, zu riechen und die Haut zu schmecken!
Ich bin gespannt, wie wir in ein bis zwei Jahren darüber reden werden.
Über den Autor
Dr. Thomas Klein
Stellv. Geschäftsführer Fachverband Sucht e.V. Bonn