Sport und Bewegung bei Krebs

Der Volksmund weiß es schon lange: „Wer rastet der rostet“. Das richtige Maß an Bewegung ist gesund. Aber kann Sport Krebs vorbeugen und ist es sinnvoll, dass Menschen mit einer Krebserkrankung Sport treiben?

In Deutschland erkranken jährlich etwa 500.000 Menschen an Krebs. Besonders gefährdet sind Menschen mit Übergewicht oder Diabetes. Ein zu hohes Körpergewicht ist bei vielen Krebserkrankungen aus dem Magen-Darmbereich sowie bei gynäkologischen Tumoren der ausschlaggebende Risikofaktor.

Kann Sport bei gesunden Menschen eine Krebserkrankung verhindern?
Experten schätzen, dass die Hälfte der Krebsfälle durch einen gesunden Lebensstil vermieden werden könnte. Hierzu zählt neben dem Meiden krebserregender Substanzen, wie Alkohol und Nikotin, eine gesunde Ernährung und körperliche Aktivität. Man geht heute davon aus, dass sportlich aktive Menschen ihr Risiko an Krebs zu erkranken durchschnittlich um 20 bis 30 Prozent reduzieren können.

Wahrscheinlich führen verschiedene Mechanismen zu einer Verminderung des Krebsrisikos:

  • Sport bringt den Energiehaushalt auf Touren und hilft, ein gesundes Körpergewicht zu halten.
  • Wer Sport treibt, verzichtet oft auf weitere krebsauslösende Substanzen wie Alkohol oder Nikotin.
  • Durch Beschleunigung der Magen- und Darmbeweglichkeit wird die Kontaktzeit möglicher krebserregender Stoffe in Magen und Darm verkürzt und das Risiko für Magen- oder Darmkrebs vermindert.
  • Bei Frauen mit hormonabhängig wachsendem Brustkrebsrisiko senkt Sport den Östrogenspiegel in Blut und Gewebe.

Können Beschwerden, die durch Krebs oder Krebstherapie entstehen, durch Sport gelindert werden?

Früher galt für Krebspatienten: möglichst schonen und wenig Belastung. Das ist mittlerweile überholt. Heute sind Mediziner und Wissenschaftler von einem positiven Zusammenhang von körperlicher Aktivität und der Verfassung bzw. Psyche von Krebserkrankten überzeugt.

Eine kanadische Studie aus dem Jahr 2017 zeigte, dass körperliches Training bei Brustkrebspatientinnen unter Chemotherapie den Kreislauf verbessert, zu weniger depressiven Verstimmungen führt und Rückenschmerzen mindert.

Bei Prostata- und Brustkrebs konnte nachgewiesen werden, dass Krafttraining Nebenwirkungen verschiedener Krebsmedikamenten wie Gelenk- und Muskelschmerzen eindämmen kann.

Vor allem das Gefühl von ständiger, chronischer Erschöpfung (Fatigue-Syndrom), das häufig nach Chemotherapie auftritt, kann durch eine Sporttherapie reduziert werden. Kraft- und Ausdauertraining führen zu besserer Fitness und Belastbarkeit. Betroffene gewinnen ein Stück Alltagsleben und Zutrauen in die Leistungsfähigkeit des eigenen Körpers zurück.

Auch die Gefühlsstörungen an Händen und Füßen, Polyneuropathie genannt, die sich meist als Kribbel- oder Taubheitsgefühl bemerkbar machen und relativ häufig als Nebenwirkung einer Chemotherapie auftreten, können durch ein von sportmedizinischen Hochschulen entwickeltes Gleichgewichts- und Vibrationstraining gemindert werden.

Wer in der Gruppe körperlich aktiv ist, löst sich aus seiner Isolation. Der Kontakt und die Kommunikation zu anderen werden gefördert. Man tauscht Erfahrungen und Informationen aus und erlebt gemeinsam Spaß und Freude.

Kann Sport nach einer Krebstherapie das Wiederauftreten der Krebserkrankung verhindern?

Diese Frage ist umstritten, nur für wenige Krebsarten gibt es ausreichend Belege für eine Wirksamkeit.

Recht gut ist dies hingegen für Brust-, Darm- und Prostatakrebs erforscht. In mehreren Studien konnte gezeigt werden, dass sportliche Aktivität in Zusammenhang mit der Überlebensrate steht. Vor allem Ausdauersport erhöht die Wahrscheinlichkeit, Krebs zu überleben. Auch bislang eher inaktive Patienten können von einer Änderung ihres Lebensstils profitieren.

Welche Sportart ist sinnvoll und wie intensiv sollte das Training sein, wie ist der zeitliche Ablauf?

Alle bekannten Trainingsarten und deren Kombinationen können sinnvoll sein. Es gibt es keine „verbotenen“ Sportarten. Die größten Effekte erzielen Ausdauertraining in Kombination mit einem Krafttraining. Koordinations- und Beweglichkeitstraining dienen zusätzlich dem Wohlbefinden.

Sport- und Bewegungstherapie sollte nach Operation, Bestrahlung und unter laufender medikamentöser (Chemo-)Therapie kann frühzeitig begonnen werden. Auf jeden Fall sollte die Therapie mit Arzt oder erfahrenen Physio- / Sporttherapeuten besprochen und das Training an die Leistungsfähigkeit angepasst werden. Als effektiv und gut machbar hat sich Training mit Therabändern, Hanteln oder dem eigenen Körpergewicht erwiesen. Krafttraining kommt insbesondere dann zum Einsatz, wenn durch die Krebstherapie die Muskelmasse wesentlich zurückgegangen ist.

Koordinationstraining spielt in der akuten, aber auch in Rehabilitationsphase eine maßgebliche Rolle. Bei dieser Art von Training besteht keine Verletzungsgefahr und es ist leicht und früh umsetzbar. Durch dieses Training vereinfachen sich Handlungsabläufe und das Gleichgewicht wird gestärkt.

Beweglichkeitstraining wird in den anderen Trainingsbereichen vernachlässigt und nimmt einen separaten Platz ein. Die Früchte des Trainings sind eine gelockerte Muskulatur, das Vorbeugen von Fehlhaltungen, Schmerzen und Muskelverkürzungen und eine bessere Durchblutung.

In der (stationären) Rehabilitation wird ein gezieltes Bewegungsprogramm nach individuellen Vorlieben besprochen und eingeleitet. Im Verlauf kann dieses nach ärztlicher Absprache über den verordnungsfähigen ambulanten Rehabilitationssport weitergeführt werden.

Menschen mit Krebserkrankungen stehen in Deutschland etwa 1.000 Krebsnachsorge-Sportgruppen zur Verfügung. Diese bieten eine qualitativ hochwertige und zertifizierte Sporttherapie an. In Wetzlar ist das Rehazentrum kerngesund! im Medi-Center am Klinikum Anbieter für Rehasport. Die Kurse finden sowohl in den Räumlichkeiten des kerngesund! in Wetzlar als auch in den Dill-Kliniken in Dillenburg statt. Weitere Anbieter im Lahn-Dill-Kreis erfährt man über die Krankenkasse.

Über den Autor

Dr. med. Wolfgang Gießler
Dr. med. Wolfgang Gießler
Leitender Oberarzt Klinik für Hämatologie, Onkologie und Palliativmedizin, Klinikum Wetzlar

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