Mit Bilderbüchern durch die Pandemie

Bilderbücher über Viren, das Drinbleiben und viele Haare

Ein gutes Jahr ist es nun her, dass sich Große und Kleine an viel Zeit im Haus, wenig Zeit für einen Frisörbesuch und etliche neue Regeln gewöhnen mussten. Die Veränderungen in unserem Leben halten nun auch Einzug in die Bilderbücher. Neben nachdenklich machenden und ermutigenden Titeln gibt es dabei auch leichteren Lesestoff – sie alle tragen dazu bei, unsere Kinder seelisch zu stärken und uns alle ein wenig besser durch die Pandemie zu bringen.

Schon im vergangenen Jahr verbreitete sich ein Gedicht von Kitty O’Meara wie ein Lauffeuer in den sozialen Medien. In „Und die Menschen blieben zu Hause“ fängt sie all die kleinen Situationen in den Wohnungen der Menschen ein, die sich aus der Pandemie ergeben. Sie konzentriert sich dabei überwiegend auf schöne Momente, die mit anhaltender Einschränkung der Menschen zunehmend in den Hintergrund geraten: Mehr Zeit füreinander, weniger Termindruck, ein gemeinsames Besinnen darauf, was uns an unserer engsten Familie wichtig ist. Angst vor finanzieller Not, Streit und Stress blendet sie aus, nicht aber die Traurigkeit, die uns immer wieder überkommt, etwa wenn uns liebe Menschen sterben oder wir in Einsamkeit oer Traurigkeit versinken. Stefano Di Cristofaro und Paul Pereda haben dieses Gedicht graphisch umgesetzt und bestärken das Positive, Hoffnungsvolle, das Kitty O’Meara in den Fokus nimmt. So kann dieses Bilderbuch dazu beitragen, dass wir uns immer wieder bemühen, unseren negativen Gedanken etwas Frohes entgegensetzen und so mit ein bisschen mehr Kraft an der Seite unserer Kinder durch diese Zeit kommen.

Ganz ähnlich gehen Marie Franz und Daniela Spoto mit dem Thema um. In „Das kleine Virus Corona – Wie die Kinder geholfen haben, es zu besiegen“ erzählen sie zunächst rückwirkend, was Merkwürdiges auf der ganzen Welt passierte, weil ein kleines Virus sich so schnell ausbreitete. Sie gehen dabei auf die Krankheit und ihre Auswirkungen ein und darauf, wie schwer es für die Menschen ist, gegen ihre eigenen Wünsche zu Hause zu bleiben, auf Freunde und kleine Freuden im Alltag zu verzichten. Aber allem Negativen setzen sie einen positiven Gedanken gegenüber: Die Menschen können sich gegenseitig darin bestärken, diese bedrohliche Zeit gemeinsam zu überstehen. Der Hilflosigkeit vieler Erwachsenen, der Traurigkeit und Einsamkeit begegnen sie mit der Hoffnung und der Freude auf das, was eines Tages wieder sein kann. Besonders setzen sie dabei auf die Superkraft der Kinder. Und auch wenn die Forschung heute nicht mehr wie im vergangenen Jahr davon ausgeht, dass Kinder sich nicht anstecken können, ist doch ihre wahre Superkraft ihre Phantasie: Als kleine Helden erledigen sie ihre Schulaufgaben von zu Hause aus und erfinden immer neue Spiele, um die Langeweile zu vertreiben. Sie spielen damit eine wichtige Rolle im Kampf gegen Corona. In einem Nachwort fasst Diplom-Psychologin Sylvia Kresse noch einmal zusammen, wie wichtig es besonders in Krisensituationen ist, sich seiner Kraft bewusst zu sein, auch wenn sie nur klein scheint. Indem wir den Glauben an uns nicht verlieren und wir uns gemeinsam bewusst machen, dass wir aus jedem positiven Gedanken Kraft schöpfen können, stärken wir uns gegen die Ohnmachtsgefühle in der Krise. Das ist eine starke Botschaft!

Auch „Drinnen – Draußen“ beginnt mit dem so unbegreiflichen Phänomen, dass alle, die sonst draußen in den Straßen, Parks und Städten waren, nun drinnen sind, hinter Fenstern und Türen. Die preisgekrönte vietnamesische Illustratorin LeUyen Pham hebt exemplarisch einen Teil der Menschen hervor, die dennoch weiter draußen sein müssen: Menschen aus den medizinischen Bereichen, Polizei, Feuerwehr, Menschen, die Lebensmittel verkaufen. Andere zeigt sie bei dem, was sie drinnen machen: Wie sie sich langweilen, arbeiten, einsam sind, spielen, warten, sich sorgen. Die vielen kleinen gemalten Szenen zeigen uns, dass wir mit dem, was wir derzeit durchleben, nicht allein sind. Alle Menschen weltweit sind betroffen, und diese Erkenntnis hilft uns dabei, weiter durchzuhalten. Drinnen oder draußen, egal, wo wir derzeit sind, wir alle verändern uns, lernen und wachsen, und auch wenn wir äußerlich grundverschieden sind, eint uns doch die Sehnsucht nach unseren Familien und Freunden und der Blick in die Zukunft, in eine Zeit, in der Corona nicht mehr all unser Denken beherrscht. „Drinnen – Draußen“ ist ein wundervoll gemaltes, Hoffnung spendendes Zeitdokument, mit dem LeUyen Pham den Menschen dankt: denen, die kämpfen, denen, die verloren haben und denen, die jeder auf die eigene kleine Weise dazu beitragen, dass wir die Hoffnung nicht verlieren. Ein sehr berührendes Buch!

Ein (vermulich unbeabsichtigtes) Zeitdokument ganz anderer und sehr lustiger Art liefert uns indes Daniela Kulot mit „Locken, Pony, Pferdeschwanz – und jede Menge Firlefanz“. Auf 24 Seiten und in vielen witzigen Reimen präsentiert die beliebte Illustratorin hier Frisuren, die wie ein Marshelm aussehen, uns kaum von Pferden unterscheiden, zu unendlich langen Zöpfen geschlungen werden oder sich für den Anbau von Gemüse eignen. Dass auch kleinen Mädchen lange Bärte wachsen rundet den großen Spaß noch ab! Das perfekte kleine Pappbilderbuch für die ganze Familie, deren Frisuren in der langen Lockdown-Zeit ohne mögliche Frisörbesuche recht ulkige und merkwürdige Formen angenommen haben ... und nach dem Lesen darf zu Hause nach Herzenslust überlegt werden, wie man die hauseigenen haarigen Katastrophen am besten benennt oder auf den Zeichenblock bannt.

 

Viele der in dieser Rubrik vorgestellten Bilderbücher werden von der AG Bücher für Vorleser des Wetzlarer Projekts „Vorlesen in Familien“ empfohlen. Die besten Titel werden den ehrenamtlichen Vorlesern zur Verfügung gestellt, die regelmäßig mit Bilderbüchern in die ihnen zugeteilte Familien gehen und letztlich nicht nur ihr Vorlesekind, sondern die ganze Familie unterstützen.

Nähere Informationen zur Ausbildung zum Vorleser und zum Projekt selbst finden sich auf der Homepage:

https://www.phantastik.eu/projekte/vorlesen-in-familien.html

Das Projekt finanziert sich zum großen Teil aus Spenden und ist deshalb ganzjährig auf Unterstützung angewiesen.

 

IBAN: DE49 5139 0000 0012 9129 00

BIC: VBMHDE5F (Volksbank Mittelhessen)

Stichwort: ViF

 

Über den Autor

Maren Bonacker
Maren Bonacker
Lese- und Literaturpädagogin
Phantastische Bibliothek Wetzlar

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