COVID-19 und Schwangerschaft - die Fakten!
(Teil 1)

Täglich werden wir in der Sprechstunde von besorgten, werdenden Müttern über das Risiko einer COVID-19-Infektion und deren Folgen in der Schwangerschaft angesprochen.

Wir versuchen mit diesem Artikel, Ihnen anhand der vorliegenden wissenschaftlichen Daten einen Überblick zu geben. Wir werden Ihnen die allgemeinen Infektionsdaten präsentieren, das Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf erörtern und allgemeine Maßnahmen in der Schwangerschaft besprechen. Wir werden Ihnen auch erklären, wie für infizierte Mütter im Wochenbett eine möglichst normale Mutter-Kind-Beziehung ("Bonding") aufgebaut werden kann und besprechen zum Schluß noch die Impfsituation für Schwangere und Frauen mit Kinderwunsch.

Als COVID-19 erstmalig in der Presse erwähnt wurde, war die Viruserkrankung noch weit weg und niemand konnte sich die Auswirkungen dieser Pandemie vorstellen.

Am 7. Januar 2020 erschien die erste wissenschaftliche Publikation in der das Virus SARS-CoV-2 isoliert wurde und kurz darauf erfuhren wir, dass es sich um eine hochinfektiöse Tröpfcheninfektion mit einer Übertragung von Mensch zu Mensch handelt. Die Ursache der Pandemie ist nach wie vor nicht schlüssig geklärt, aber es deutet derzeit alles darauf hin, dass das Virus wohl als eine Neumutation im Rahmen des Tiermarktes der chinesischen Millionenstadt Wuhan auftrat.

Sind Schwangere besonders gefährdet?

Anfänglich hieß es immer, dass SARS-CoV-2-Virus sei für Schwangere nicht gefährlich - wie wir mittlerweile wissen: Leider eine Fehleinschätzung. Doch für welche Schwangere ist das Virus eventuell gefährlich? Wir werden Ihnen im Folgenden einen Überblick geben, um das Risiko nach derzeitigen, aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen besser abschätzen zu können.

Das Auftreten von COVID-19 in der Schwangerschaft ist abhängig vom allgemeinen Auftreten der Infektion: waren in sog. Hotspot-Regionen wie New York und London 7 - 15 % aller Schwangeren positiv getestet, so waren in Regionen mit niedriger Inzidenz (Infektionsrate in der Bevölkerung) wie Connecticut weniger als 3 % und in Deutschland nur 0,6 % der Schwangeren infiziert. Man muss allerdings von einer gewissen Rate an unerkannten Infektionen ausgehen (Dunkelziffer). Auch in den Hotspot-Regionen ging es den meisten Schwangeren gut. In den wissenschaftlichen Veröffentlichungen von New York und London waren bis 89 % der infizierten Schwangeren völlig symptomlos.

Ganz allgemein kann man festhalten, dass es kein höheres Infektionsrisiko in der Schwangerschaft gibt. Dies konnte auch anhand von Daten aus Deutschland durch das Robert Koch Institut (RKI) ermittelt werden.

Überhaupt gilt, dass Frauen ein geringere Infektionsrisiko für schwere Erkrankungsverläufe nach COVID-19-Infektion aufweisen. Als ursächlich hierfür wird wissenschaftlich eine protektiv (schützende) Wirkung der weiblichen Hormone Östrogen und Progesteron auf das Immunsystem bei gleichzeitig infektionshemmender Wirkung angenommen. Beobachtet wurde aber auch, dass es eine erhöhte Infektionsrate bei fortschreitender Schwangerschaft gibt. Einige amerikanische Autoren heben auch ein erhöhtes Infektionsrisiko für bestimmte ethnische Gruppen hervor (schwarz, hispanisch), vermutlich liegt diese Beobachtung aber eher an den sozio-ökonomischen Lebensbedingungen in dieser Bevölkerungsgruppe.

 

Eindeutig belegt ist aber mittlerweile, dass das Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf der COVID-19-Infektion für schwangere Frauen deutlich erhöht ist: In insgesamt sechs internationalen Studien wurde ermittelt, dass das Risiko für schwangere Frauen gegenüber nicht-schwangeren Frauen, schwer an COVID-19 zu erkranken um den Faktor 5,7 bis 34,8 erhöht ist. Dies spiegelt sich auch in der Rate von Krankenhausaufnahmen wider: Infizierte Schwangere mussten in 31,5 % der Fälle stationär im Krankenhaus behandelt werden, nicht schwangere Frauen nur zu 5,8 %.

In Deutschland sind diese Zahlen deutlich niedriger. Im Rahmen der deutschen CRONOS-Studie wurde ermittelt, dass von den registrierten 925 COVID-19-positiven Schwangeren 112 stationär behandelt werden mussten, dies entspricht einer Rate von 12,1 % der infizierten Schwangeren. Ursächlich für diese niedrigere Rate an Krankenhausbehandlungen ist - neben anderen Infektionsgründen - sicherlich auch, dass es in Deutschland ein hohes Angebot an ambulanter frauenärztlicher Versorgung gibt, was in anderen europäischen Staaten und in Nordamerika auf diesem Niveau medizinscher fachärztlicher Versorgung nicht der Fall ist, so dass viele Frauen ambulant behandelt werden konnten. Einen schweren Krankheitsverlauf hatten in Deutschland nur 4 % aller infizierten Schwangeren (s. Tabelle 1).

Zusammenfassung

[Stand 9.1.2021]

Anzahl Fälle

Anzahl Fälle in % der gesamt-COVID-19 Fälle

Wegen COVID-19 stationär aufgenommen

112

12,10

Schwerer mütterlicher Verlauf

36

3,89

Von COVID-19 genesen

597

64,50

Iatrogen wg. COVID-19 entbunden

15

0,54

Verlegung des Kindes in die NICU

94

10,20

Atemunterstützung des Kindes (CPAP und mehr)

35

3,78

Neonataler Tod

3

0,32

Tabelle 1: Auszug aus den Daten der deutschen CRONOS-Studie

 

Besonders gravierend in der Schwangerschaft ist, dass die Erkrankung nicht nur Folgen für die Mutter, sondern auch für das werdende Kind hat, da unter Umständen die Schwangerschaft aufgrund des Gesundheitszustandes der Mutter vorzeitig beendet werden muss.

 

Recht schnell kristallisierten sich die Risikofaktoren für einen schweren Krankheitsverlauf in der Schwangerschaft heraus: Hohes mütterliches Alter, Übergewicht, chronischer Bluthochdruck und ein vorbestehender Diabetes mellitus (vgl. Tabelle 2).

Risikofaktor

RR

KI

Anzahl Studien

N = Fälle

Maternales Alter

1,78

1,25 – 2,55

4

n = 1058

Hoher BMI

2,38

1,67 – 3,39

3

n = 877

Chron. Hypertonie

2,0

1,14 – 3,48

2

n = 858

Vorbestehender Diab. mell.

2,57

1,31 - 4,80

2

n = 858

Tabelle 2: Risikofaktoren für einen schweren Krankheitsverlauf in der Schwangerschaft bei COVID- 19-Infektion

 

Dies sind natürlich auch ganz allgemein Risikofaktoren für einen unter Umständen ungünstigeren Schwangerschaftsverlauf, auch ohne COVID-19-Infektion.

Vergleicht man Frauen nach Alter, Vorerkrankungen und weiteren Faktoren, ergibt sich ein 1,6-fach höheres Risiko für schwangere Frauen - gegenüber nicht schwangeren Frauen - dass der Krankheitsverlauf so schwer ist, dass sie auf einer Intensivstation behandelt werden müssen. Das Risiko, dass sie dann auch noch beatmet werden müssen ist fast doppelt so hoch wie bei nicht schwangeren Frauen.

Die gute Nachricht - aus vielen bislang veröffentlichten Studien - ist jedoch, dass die Sterberate schwangerer Frauen, im Vergleich zu nicht schwangeren Frauen, nicht erhöht zu sein scheint.

Als Risikofaktoren für die mütterliche Sterblichkeit gelten Vorerkrankungen wie Übergewicht, Diabetes mellitus, Asthma bronchiale und fortgeschrittenes Alter der Mutter. Diese Schwangeren bedürfen einer besonderen ärztlichen Fürsorge.

 

Kommen wir zum 1. Fazit:

1. Das Infektionsrisiko für COVID-19 ist für Frauen in der Schwangerschaft nicht höher als für nicht schwangere Frauen.

2. Das Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf ist für schwangere Frauen erhöht, gegenüber nicht schwangeren Frauen, vor allem im letzten Drittel der Schwangerschaft.

3. Insgesamt sind aber nur sehr wenige Frauen ernsthaft in der Schwangerschaft an COVID-19 erkrankt und die Sterblichkeitsrate ist nicht erhöht.

Über den Autor

Assem Hossein, Constance Scholl, Dr. med. Axel Valet,
Assem Hossein, Constance Scholl, Dr. med. Axel Valet,
Fachärzte für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Lahn-Dill-Kliniken, Dillenburg

Bildergalerie

Aktuelle Ausgabe04.04.