Die richtige Diagnostik und Behandlung erfordert das Wissen zahlreicher Fachabteilungen

Wenn der Beckenboden Probleme macht

Bundesweit klagen gut 5 Millionen Patienten über Harninkontinenz, 3 Millionen über Stuhlinkontinenz. Wenn die Blase oder der Darm nicht richtig funktionieren, kann dies zu ungewolltem Harn- und Stuhlverlust führen. Auch kann die vollständige Entleerung von Blase oder Enddarm gestört sein. Reizzustände mit häufigem Harn- oder Stuhldrang sind ebenfalls häufige Beschwerdebilder. Häufig kommen diese Beschwerden gleichzeitig vor.

Für eine Behandlung ist es wichtig, die Ursachen für die genannten Beschwerden herauszufinden. Manchmal ist das nicht nur eine, sondern es sind mehrere Ursachen gleichzeitig. Beispiele hierfür sind die Genitalsenkung bei der Frau und die Prostatavergrößerung beim Mann. Auch diverse Erkrankungen von Herz und Niere, ferner auch Nervenerkrankungen, Bandscheibenschäden und Medikamente können zu Störungen der Blasen- und Darmfunktion führen.

Die Vielfalt der Beschwerdebilder und Ursachen erfordert oft die Kooperation verschiedener medizinischer Fachabteilungen, um Störungen der Ausscheidungsorgane gemeinsam zu untersuchen und zu behandeln. In einem Beckenbodenzentrum arbeiten diese Abteilungen zusammen, um für Betroffene den richtigen Weg der Diagnostik und Behandlung zu finden.

Das Beckenbodenzentrum Lahn-Dill hat deshalb in allen Bereichen besonders erfahrene ärztliche, pflegerische und physiotherapeutische Mitarbeiter/innen, die sich mit Funktionsstörungen der Ausscheidungsorgane und der Schwäche des Beckenbodens auskennen. Es verfügt zusätzlich über eine besondere apparative Ausstattung unter anderem mit speziellen Ultraschallgeräten für Darm und Blase, endoskopischen Einrichtungen, Blasen- und Darmdruck-Messplätzen und Röntgeneinrichtungen. All dies ermöglicht es, die Ursachen von Funktionsstörungen sehr genau feststellen zu können. Auf dieser Basis erfolgt die individuell abgestimmte Behandlung des Patienten.

Ein breites Spektrum an Behandlungsmöglichkeiten wird im Beckenbodenzentrum vorgehalten. Ganz vorne stehen die Möglichkeiten der sogenannten konservativen Behandlung. Hierzu zählen Beckenbodengymnastik, Biofeedback, Elektrotherapie, Physiotherapie, Ernährungsberatung, Medikamente, Scheidenring- und Würfelbehandlung etc.

Wenn anatomische Organfehler vorliegen, verfügen die Fachabteilungen des Zentrums über eine Vielzahl operativer Möglichkeiten, um die Fehllage der Beckenorgane und damit deren Funktion wieder herzustellen. Angefangen vom sogenannten Kontinenzbändchen, was mit einem kleinen Eingriff unter die Harnröhre gelegt wird, bis zu komplexeren Wiederherstellungsoperationen der normalen Verhältnisse von Blase und Darm kann das Zentrum vielen Problemen gerecht werden.

Die Sprechstunden des Beckenbodenzentrums dienen als Anlaufstelle für betroffene Patienten und Patientinnen. Der betreuende Hausarzt, Frauenarzt oder Urologe stellt die Probleme zunächst fest und vereinbart einen Termin in der Spezialsprechstunde (Frauenheilkunde, Urologie, Proktologie, Gastroenterologie), die am besten zum jeweiligen Organ und dessen Störung passt.

In der Sprechstunde wird dann gezielt nach den Beschwerden und wichtigen Begleiterkrankungen gefragt. Eine körperliche Untersuchung, ggf. mit Ultraschall und Organ-Spiegelung, wird durchgeführt. Es wird geklärt, ob die Vorstellung in weiteren Sprechstunden oder weitere Untersuchungen (Messung von Blasen- und Darmdruck, Röntgen oder MRT-Aufnahmen etc.) nötig sind. Hierfür können dann Termine vereinbart werden. Die Kontaktaufnahme für die Vereinbarung von Sprechstundenterminen erfolgt über die Sekretariate der Fachabteilungen Gynäkologie, Urologie, Chirurgie und Gastroenterologie. Im Anschluss wird die weitere Behandlung mit dem Betroffenen besprochen und der einweisende Arzt darüber informiert.

Das Beckenbodenzentrum Lahn-Dill bietet somit optimale Voraussetzungen für die medizinische Behandlung von Beschwerden des Beckenbodens. Darüber hinaus möchten wir wissenswerte Informationen und praktische Hilfestellungen auch außerhalb der Sprechstunden anbieten und haben hierfür unsere Beckenbodenschule ins Leben gerufen.

In regelmäßigen Vorträgen der Beckenbodenschule informieren wir über die Diagnostik und Behandlung von Funktionsstörungen von Blase und Darm. Das Rehazentrum kerngesund! im Medi-Center am Klinikum Wetzlar bietet darüber hinaus Kurse zur Kräftigung des Beckenbodens an. Ab Anfang 2018 erfolgt dies in Form von sogenannten Präventionskursen. Die Kosten hierfür werden dann von den Krankenkassen zu mindestens 80 Prozent übernommen.

Über den Autor

Dr. med. Jörg Timmer
Dr. med. Jörg Timmer
Leitender Oberarzt Gynäkologie und Geburtshilfe und Koordinator des Beckenbodenzentrums

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