Chirurgischer Ratgeber
Stich-, Tierbiss- und Kratzwunden ernst nehmen
Im Allgemeinen scheinen Bagatell-Verletzungen ohne jegliche Behandlung folgenlos zu heilen.
Grund dafür ist eine normale biologische Abwehrlage des Organismus, die allen Lebewesen und damit auch uns Menschen innewohnt.
So bestehen nur ganz geringe Bedenken, wenn nach einem Ausrutscher eine kleinflächige Abschürfung an der Hand, am Ellenbogen oder Knie entsteht.
Art der Verletzung beachten
Die Schürfwunde ist meist ganz oberflächlich, sie hat keinen „unter“ die Haut gehenden Anteil. Ebenso verhält sich eine ganz kleine Schnittwunde, sie „klafft“ ein wenig und ist dadurch eine „offene“ Wunde, das Wundsekret kann nach außen abfließen.
Bei jeder Verletzung verursachen Bakterien, die „immer um uns herum sind“ eine Besiedelung der Wundoberfläche und lösen die damit verbundene Entzündung aus.
Der Körper reagiert mit Absonderung einer entzündungsentgegenwirkenden Flüssigkeit, diese Wunden „nässen“ und gehen schnell in eine Schorfbildung über, die so lange die Wunde schützt, bis eine vollständige Wiederherstellung der Hautoberfläche, wie sie ursprünglich war, eingetreten ist.
Kleiner Biss, böse Folgen!
Die Annahme, dass die winzige Bisswunde vom „liebsten Tier des Hauses“ sich ebenso verhält, führt leider sehr oft dazu, dass schwere Folgen behandelt werden müssen.
Der entscheidende Unterschied ist, dass bei diesen Verletzungsmustern nicht die Größe der Schädigung allein ausschlaggebend ist, sondern die Tiefe der Verletzung.
Der „Schmutz“, also die Krankheitserreger (Bakterien) dringen mit der Verletzung in die Unterhaut, in das Fettgewebe, Faszien, Sehnenscheiden oder Muskeln ein. Die Krankheitserreger „fühlen sich dort so wohl, wie die Fliegen auf einem Marmeladenbrötchen auf dem Fensterbrett in der Sonne“.
Die Infektion der tieferen Strukturen muss unter allen Umständen verhindert werden, damit sind alle Stichwunden, die durch Nägel, Gartengeräte, Messer, Rosendornen, Holzsplitter und vieles weitere, genauso gefährlich, wie die Tierbissverletzung.
Fachgerechte Wundversorgung ist Pflicht
Grundsätzlich gilt, die chirurgische Wundversorgung entsprechend den Vorschriften in Anspruch zu nehmen.
Fachgerecht heißt, die Wunde wird „gesäubert“, im chirurgischen Sprachgebrauch „ausgeschnitten“ und offen gelassen“, sie darf nicht fest vernäht werden. Diese Maßnahme lässt sich leicht in örtlicher Betäubung (Schmerzlosigkeit) ausführen.
Art und Umfang hängen natürlich von der Schwere und Ausdehnung der Verletzung ab. Je größer und je tiefer, klaffend oder mit weiteren Begleitverletzungen (Nerven, Blutgefäße) einhergehend, werden auch anspruchsvollere Wundversorgungen nötig, die insbesondere im Gesicht-Hals-Bereich eine operative Technik benötigen, die auch kosmetische Gesichtspunkte mit berücksichtigt.
Tetanusschutz erforderlich
Der Wundstarrkrampf, eine lebensgefährliche Folge einer Verletzung mit Eindringen dieser Erreger in den Körper, gehört in unseren Breiten glücklicherweise zu den seltensten Katastrophen.
Die vorgeschriebenen Impfungen ab der Geburt schließen automatisch einen Schutz gegen die tödliche Gefahr der Tetanuskrankheit ein. Jedes Kind und jeder Erwachsene sollten entsprechend des Infektionsschutzgesetz (IfSG) geimpft sein. Und werden die Impftermine eingehalten, kann kein Tetanus entstehen.
Die Grundimmunisierung führt zwar zur Bildung von Antikörpern gegen Wundstarrkrampf, muss aber in regelmäßigen Abständen aufgefrischt werden. Wenn die erste Impfung im Säuglingsalter erfolgte, wird der Impfschutz mit je einer Injektion im 5. bis 6. Lebensjahr und zwischen dem 9. und 17. Lebensjahr aufgefrischt. Um den Impfschutz zu erhalten, müssen auch Erwachsene sich anschließend alle zehn Jahre nachimpfen lassen.
Dieser Nachweis ist nach einer Verletzung dem behandelnden Arzt vorzulegen.
Bei nicht oder nicht ausreichend Geimpften wird im Falle einer gefährdenden Verletzung eine Tetanus-Immunprophylaxe empfohlen, die unverzüglich durchzuführen ist.
Kann Tollwut eintreten?
Viele Haustiere sind gegen Tollwut geimpft, dann besteht keine Gefahr. Kann der Tierbesitzer diesen Nachweis nicht erbringen oder entstand die Biss-Verletzung durch ein Wildtier, empfiehlt sich im Einzelfall eine nachträgliche Tollwut-Immunisierung des durch Biss Verletzten. Das Robert-Koch-Institut veröffentlicht dazu umfangreiche Hinweise, so die Empfehlung, wenn der Verdacht auf eine Tollwutvirusinfektion nicht entkräftet werden kann, eine sogenannte postexpositionellen (nach dem Biss) Tollwutprophylaxe durchzuführen, da eine Tollwuterkrankung immer zum Tod des betroffenen Patienten führt. Rechtzeitig vorgenommen, liegt die Schutzrate nach einer aktiven Immunisierung bei Tierbiss-Verletzungen bei 100%.
Für Trekkingreisende in Regionen mit einem entsprechenden hohen Risiko einer Tollwutgefährdung (z.B. durch streuende Hunde) ist eine prophylaktische Impfung sinnvoll.
Kleine Wunde mit „rotem Strich“ und Schmerzen
Der Fachmann erkennt das Problem sofort und der „rote Strich“ ist häufig ein gefährliches Zeichen einer Verletzungsfolge. Kleinste Wunden am Nagelbett, wie durch einen Rosendorn hervorgerufen, genügen leider.
Ist der menschliche Organismus durch chronische Krankheiten oder altersbedingt geschwächt, bestehen Zuckerkrankheit oder Rheuma, kann sich eine noch so kleine Wunde rasend schnell infizieren und eine „Blutvergiftung“ kommt in Gang. Entlang der Lymphbahnen im Körper, die die Blutgefäße begleiten, dringen in hoher Geschwindigkeit die Erreger in die Blutbahn ein und erreichen so den gesamten Organismus.
Diese Gefahr muss durch eine sofortige ärztliche Behandlung mit komplexeren Behandlungsstrategien gebannt werden, um eine allgemeine „Sepsis“ des Organismus zu verhindern.