Medizinische Verfahren anschaulich erklärt

Folge 6: Der Wasserstoff (H2) – Atemtest

Der Wasserstoff-Atemtest, auch kurz H2 - Atemtest genannt, ist ein medizinischer Test der bei verschiedenen Magen-Darm-Erkrankungen eingesetzt wird. Häufigstes Einsatzgebiet ist die Erkennung der Laktose- und der Fruktoseintoleranz. Mit dem Test lassen sich aber auch bakterielle Fehlbesiedlungen des Dünndarms erkennen oder aber die Dünndarmverweildauer von Nahrung bestimmen.

Was wird bei dem Test gemessen?

Unter bestimmten Bedingungen entsteht im menschlichen Darm durch bakterielle Zersetzung Wasserstoff. Dieser Wasserstoff wird von der Darmschleimhaut aufgenommen, über die Blutgefäße zur Lunge transportiert und dort in die Atemluft abgegeben. Anschließend kann die Konzentration von Wasserstoff (Partialdruck in ppm) in der Ausatemluft gemessen werden. Genau dies geschieht beim H2-Atemtest.

Wann entsteht der Wasserstoff?
Beim gesunden Menschen werden Zucker wie Fruktose oder Laktose im Dünndarm verarbeitet bzw. aufgenommen. Bei einer Unverträglichkeit geschieht dies nicht. Die Zucker werden dann vom Dünndarm weiter transportiert und gelangen in den Dickdarm. Dort gibt es Bakterien, welche die Zucker zersetzten können und dabei Wasserstoff herstellen. Der Wasserstoff entsteht also durch spezielle Dickdarmbakterien, wenn diese mit bestimmten Zuckern "gefüttert" werden. Selten kann der Wasserstoff auch im Dünndarm entstehen, wenn sich die speziellen Bakterien dort angesiedelt haben. Man spricht dann von einer bakteriellen Fehlbesiedlung.

Was ist eine Laktoseintoleranz?

Laktose wird auch Milchzucker genannt, weil er sowohl in der menschlichen Muttermilch als auch in Kuhmilch vorkommt. Chemisch ist Laktose ein sogenanntes Disaccharid, besteht also aus zwei anderen Zuckermolekülen (Glucose und Galaktose), die miteinander verbunden sind. Damit unser Darm die Laktose aufnehmen kann, muss sie ihre beiden Zuckerbestandteile gespalten werden. Dies geschieht mit dem Enzym Lactulose. Nach der Geburt verfügen alle Menschen über Lactulose - sonst würden sie keine Muttermilch vertragen. Die Fähigkeit Lactulose zu erzeugen entwickelt sich jedoch nach dem Säuglingsalter bei vielen Menschen stark zurück. Das ist genetisch bedingt.

Rund 75% der erwachsenen Weltbevölkerung haben eine Laktoseintoleranz und vertragen somit keine Milch und keine Milchprodukte. Damit handelt es sich nicht um eine Krankheit, sondern eher um einen Normalzustand auf der Welt. Ausgenommen sind nur Europäer und Nordamerikaner. Hier liegt der Anteil der Laktoseintoleranz bei ca. 15 %. Wie kam dieser Unterschied zustande? Man vermutet, dass die höhere Milchverträglichkeit in Europa Folge eines Überlebensvorteils i.S.e. Selektion von Menschen mit Viehhaltung und Milchkonsum ist.

Die Ausprägung der Milchverträglichkeit oder -unverträglichkeit hängt von Menge der noch produzierbaren Lactulose ab. Sie ist somit nicht scharf begrenzt sondern mengenabhängig. Wird sie überschritten, so können Beschwerden auftreten. Während beispielsweise bei einem Menschen Bauchschmerzen schon von einer Scheibe Käse ausgelöst werden können, kommen sie beim anderen erst nach dem Konsum von zwei Litern Milch vor. In der Medizin spricht man von einer Laktoseintoleranz, wenn nach der Zufuhr von 50 g Laktose Beschwerden und/oder ein adäquater Anstieg der Wasserstoffkonzentration auftreten.

Was ist eine Fruktoseintoleranz?

Fruktose ist ein Zucker, der von der Schleimhaut des Dünndarmes mit Hilfe eines Proteins (Transportprotein GLUT5) resorbiert wird. Ist diese Aufnahme gestört, so wird die Fruktose weiter in den Dickdarm befördert und dort bakteriell zersetzt. Normalerweise steigert der Darm die Produktion des Transportproteins, wenn mehr benötigt wird. Gründe für die Fruktoseintoleranz können ein Mangel an Transportprotein, ein zu rascher Transport durch den Dünndarm oder eine Schädigung der Schleimhaut (beispielsweise durch Entzündung) sein.

Warum gibt es Beschwerden bei einer Zuckerintoleranz?

Kann der Zucker im Dünndarm nicht resorbiert werden, so zieht er durch seine osmotische Wirkung Flüssigkeit in den Darm. Ferner beschleunigt der die Darmtätigkeit, was Krämpfe auslösen kann. Die bakterielle Zersetzung erzeugt Wasserstoff, ein Gas, das den Darm bläht. In der Folge kann es zu Blähungen, Darmkrämpfe und wässrige Stuhlgänge kommen.

Wie genau läuft der Test ab?

Zur Vermeidung von Störfaktoren muss der Patient vor dem Test nüchtern sein. Er sollte seine Zähne geputzt und den Mund vorher gut ausgespült haben.

Äußerlich ähnelt das Testgerät einem Alkohol­test­gerät. Zur Messung der Wasserstoff­konzentration atmet der Patient tief ein und dann tief in das Testgerät aus.

Die erste Messung erfolgt nüchtern. Danach trinkt der Patient eine Flüssigkeit, welche die festgelegte Menge des zu testenden Zuckers enthält. Dann werden in 30-minütigen Abständen weitere Messungen durchgeführt.

Das Ergebnis ergibt sich aus der Höhe der Messwerte und ggf. dem Zeitpunkt eines Anstieges. Bei einer Zuckerunverträglichkeit steigt die H2-Konzentration nach einer durch die Dünndarmpasse verursachten Verzögerung an. Bei einer Fehlbesiedlung ist der Anstieg schon nach wenigen Minuten messbar. Je nach verwendetem Zucker lassen sich auch die Dünndarmpassagezeit messen oder sogenannte Non-Responder nachweisen.

Über den Autor

Dr. med. Roger Agne
Dr. med. Roger Agne
Chefarzt Innere Medizin
Dill-Kliniken

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