Anis und Sternanis
Zwei Arznei- und Gewürzpflanzen
Nach dem Kümmel in der letzten Ausgabe wollen wie uns diesmal mit der Anispflanze beschäftigen.
Kümmel und Anis sind bekannte Gewürz- und Heilpflanzen, botanisch eng verwandt und jedem durch den charakteristischen Duft des ätherischen Öls der jeweiligen Früchte gut bekannt. Die Anispflanze, Pimpinella anisum L., gehört ebenfalls zur Familie der Doldenblütler, Apiaceae, und ist im Westen Asiens und im Mittelmeerraum beheimatet. In Deutschland kommt sie wildwachsend nicht vor. Die Pflanze wird meist 30 - 50 cm hoch, hat rundliche, gezähnte Grundblättchen und 2 - 3fach fiederschnittige Stengelblättchen; die weißen Blüten stehen in Doppeldolden, Hüll- und Hüllchenblätter fehlen meist.
Der Anbau erfolgt hauptsächlich in Südeuropa, dem Vorderen Orient und rund ums Mittelmeer. Anisfrüchte sind ebenfalls Spaltfrüchte, etwas kleiner und rundlicher als Kümmelfrüchte. Der Gehalt an ätherischem Öl liegt bei 2 - 5 %. Hauptinhaltsstoff des Öles ist mit über 90 % das Phenylpropan trans-Anethol, das den charakteristischen Geruch und Geschmack ausmacht. Daneben kommen etwas cis-Anethol, Methylchavicol (= Estragol) und Anisaldehyd vor. Das Öl riecht angenehm würzig und schmeckt aromatisch süß.
Anisöl wirkt schleimlösend und schwach spasmolytisch. Es wird daher bei Verdauungsstörungen und bei Katarrhen der Atemwege eingesetzt, die Früchte in Tees, das Öl als Bestandteil von Husten- oder Magentropfen, wobei die expektorierende Wirkung vermutlich auf einer Erhöhung der Flimmertätigkeit des Bronchialepithels beruht. Zur Aromatisierung von Backwaren und Weihnachtsplätzchen findet Anis ebenso Verwendung wie in Spirituosen. Genannt seien Aperitifs wie Pernod, Ricard und Pastis oder Hochprozentige wie Ouzo und Raki, die oft mit Wasser verdünnt genossen werden.
Interessant ist, daß im Handel befindliches „Anisöl“ oft gar nicht aus Anisfrüchten gewonnen wird! Selbst das Europäische Arzneibuch erlaubt die Gewinnung von „Anisöl“ aus Früchten des Sternanis, die mit 5 – 9 % doppelt so viel ätherisches Öl enthalten wie echte Anisfrüchte. Sternanis ist eine völlig andere Pflanze, Illicium verum HOOKER fil., aus der Familie Schisandraceae, die nicht den Doldenblütlern, sondern den Magnoliengewächsen botanisch nahesteht.
Der Sternanisbaum ist ein bis zu 20 m hoher, immergrüner Baum mit lorbeerartigen Blättern, der ursprünglich in Südchina und Vietnam beheimatet ist und heute in der Tropen angebaut wird. Die rotbraunen Sammelbalgfrüchte bestehen aus 6 - 11 Teilfrüchten, die sternförmig angeordnet sind und glänzend braune Samen enthalten.
Sie kennen diese dekorativen Früchte von Weihnachtsbasteleien. Die Samen des Sternanis enthalten ein sehr ähnlich zusammengesetztes ätherisches Öl, das ebenfalls 85 – 90 % trans-Anethol enthält, daneben Estragol und Anisaldehyd. Eine Unterscheidung von echtem Anisöl ist durch das Vorkommen von Foeniculin (1 – 5 %) möglich, das im Öl von Pimpinella-anisum-Früchten fehlt.
Wegen der sehr ähnlichen Zusammensetzung des Öles ist Sternanisöl in der pharmazeutischen Verwendung dem echten Anisöl gleichgestellt. Und in der bevorstehenden Erkältungs- und Weihnachtszeit werden Sie für die Plätzchen Anisfrüchte, zum Basteln Sternanisfrüchte und bei Atemwegsbeschwerden anishaltige Hustentropfen verwenden, natürlich alles aus der Apotheke. Daß sie nun einiges mehr über beide Stammpflanzen wissen, wird Geschmack und Genuß nicht beeinträchtigen. Vielleicht schmeckt alles einfach schlauer!
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Apotheker