Demenz – eine Übersicht (Teil I)

Einleitung

Laut ICD 10 (siehe unten) – dem aktuell gültigen Diagnoseschlüssel für Krankheiten handelt es sich bei einer Demenz um „ein Syndrom als Folge einer meist chronischen oder fortschreitenden Krankheit des Gehirns mit Störung vieler höherer kortikaler Funktionen, einschließlich Gedächtnis, Denken, Orientierung, Auffassung, Rechnen, Lernfähigkeit, Sprache und Urteilsvermögen. Das Bewusstsein ist nicht getrübt. Die kognitiven Beeinträchtigungen werden gewöhnlich von Veränderungen der emotionalen Kontrolle, des Sozialverhaltens oder der Motivation begleitet, gelegentlich treten diese auch eher auf.“

Aufbauend auf dem Wissen der um die der Alzheimer Demenz zugrunde liegenden krankhaften Veränderungen in den Zellen des Gehirns wurden viele verschiedene Substanzen zur Beeinflussung dieser Störungen erprobt. Jedoch war es auch bei sehr frühem Einsatz dieser Medikamente, welche die Symptome der Erkrankung lindern sollten, nicht gelungen, das Fortschreiten der Gedächtnisstörungen zu verhindern. Die uns aktuell zur Verfügung stehenden Medikamente können zwar einige Symptome der Krankheit verbessern. Allerdings erfüllen sie nicht die Erwartungen von Betroffenen und deren Angehörigen.

Im Juni 2021 wurde nun durch die US-Food and Drug Administration (FDA) der Wirkstoff Aducanumab zur Behandlung der Alzheimer-Krankheit in den USA zugelassen. Er wird dort unter dem Handelsnamen Aduhelm erhältlich sein. In Deutschland gibt es noch keine Zulassung für diese Therapie.

Aus diesem Grund möchte ich in diesem und in den folgenden Ausgaben einiges zum Thema Demenz näher beleuchten.

Das Auftreten einer Demenz ist stark vom Alter abhängig. Unter dem 60. Lebensjahr ist sie selten, bei diesen Patienten würde man dann von einer präsenilen (vor dem Alter auftretenden) Demenz sprechen. In der Gruppe der über 85-jährigen Menschen ist etwa jeder Zweite betroffen (1). Da die durchschnittliche Lebenserwartung in den letzten Jahren deutlich angestiegen ist, steigt somit auch die Häufigkeit von Demenzerkrankungen.

Die häufigste Form einer Demenz ist die Alzheimerdemenz. Hier kommt es – ähnlich wie bei Parkinson – zu einem Untergang von Zellen in bestimmten Regionen im Gehirn. Man weiß, dass diesem Zelluntergang wiederum in Anlehnung an Parkinson bestimmte Eiweißbestandteile eine krankhafte Strukturveränderung erfahren. Sie bilden kleine Klümpchen (Plaques) und längliche faserähnliche Gebilde (Fibrillen). Im Unterschied zu M. Parkinson ist es jedoch nicht das Eiweiß

Alpha-Synuclein, sondern Amyloid und Tau betroffen (diese Bezeichnungen kann man nicht übersetzen).

Demenz ist jedoch ein Überbegriff, neben der Alzheimerdemenz gibt es noch andere Ursachen für dementielle Erkrankungen. So kann es zum Beispiel bei langjährigen Gefäßerkrankungen durch hohen Blutdruck oder die Zuckerkrankheit zu einer sogenannten vaskulären Demenz kommen. Weitere relevante Demenzen sind die frontotemporale Demenz, die Parkinson-Demenz und die Lewy-Körper-Demenz. Ich werde im Verlauf auf jede dieser Formen näher eingehen.

Die Demenz entwickelt sich langsam fortschreitend. Zunächst entwickeln Betroffene leichte Störungen der Denkleistungen, diese werden als „leichte kognitive Beeinträchtigung“ (LKB) bezeichnet, im englischen Sprachraum hat sich die Bezeichnung „mild cognitive impairment“ (MCI) durchgesetzt. In diesem Stadium können Patienten jedoch ihren Alltag noch ohne fremde Hilfe meistern. Erst wenn die Störungen der Gedächtnisleistungen und das Planen und Handeln im Alltag so betroffen sind, dass fremde Hilfe nötig wird, spricht man von einer Demenz. Ob eine solche Leistungseinbuße vorliegt und wie ausgeprägt diese ist, kann mit international verwendeten Testuntersuchungen geprüft werden. In Deutschland wird gern der MMST (Mini Mental Status Test) verwendet. Er ist jedoch nur für eine Screening Untersuchung geeignet und sollte bei positivem Befund durch weitere Testungen gesichert werden. Fällt dieser sehr einfache Test noch normal aus, ist somit auch eine beginnende Demenz nicht sicher ausgeschlossen. Ein sehr einfacher Screening-Test ist der Uhrentest (siehe Abbildung 1), den auch jeder selbst zuhause durchführen kann.

Zudem sollten andere möglich Ursachen für Gedächtnisstörungen ausgeschlossen werden. Hier sei besonders auf einen schweren B12-Mangel hingewiesen, welcher entweder durch Injektionen oder heute auch bereits gut wirksame Tabletten ausgeglichen werden kann. War dieser Vitaminmangel die Ursache der Gedächtnisveränderung, kann sich diese wieder zurückbilden.

Depressive Patienten haben ebenfalls oft das Gefühl, schlechter denken zu können oder sich nicht konzentrieren zu können. In diesem Fall handelt es sich um eine sogenannte „Pseudo-Demenz“ bei Depression. Das Ausmaß dieser Störungen bessert sich durch gezielte psychotherapeutische und medikamentöse Verfahren.

Kommt es ganz plötzlich zu Orientierungsstörungen und vielleicht sogar Wahrnehmungsstörungen und gehen diese mit anderen klinischen Auffälligkeiten, wie zum Beispiel Fieber, einher, spricht man nicht von einer Demenz, sondern von einem Delir (Verwirrung). Findet man die Ursache dieser plötzlichen Verwirrtheit, bildet sich diese vollständig zurück. Häufig sind bei älteren Menschen fieberhafte Blasen- und Lungenentzündungen oder auch nur eine Austrocknung durch eine zu geringe Trinkmenge. Auch die Einnahme bestimmter Medikamente in zu hohen Dosen (Beispiel Beruhigungsmittel) oder mit starker anticholinerger Wirkung können zu einem Delir führen. Denn Acetylcholin (kann nicht übersetzt werden) ist im Gehirn so wichtig für das Gedächtnis, wie Dopamin für die Bewegung. Wird Acetylcholin durch Medikamente im Gehirn blockiert, kann ein Delir auftreten. Gefürchtet ist das Delir nach Operationen (postoperatives Delir).

Legende:

Die Abkürzung ICD steht für International Classification of Diseases and Related Health Problems. Die ICD ist ein weltweit anerkanntes Klassifikationssystem, welches die Weltgesundheitsorganisation WHO erstellt hat. Alle wichtigen Erkrankungen werden dabei in verschiedene Kategorien eingeteilt und mit einem Kürzel versehen – dem sogenannten Diagnoseschlüssel. Mithilfe der Kürzel kann jede Diagnose weltweit einheitlich benannt werden.

  1. Arvanitakis, Z., Shah, R. C. & Bennett, D. A. Diagnosis and Management of Dementia: Review. JAMA 322, 1589–1599 (2019).
  2. Bildquelle: https://www.pharma-fakten.de/news/details/981-welt-alzheimertag-alter-ist-per-se-keine-krankheit/

Über den Autor

Dr. med. Ilona Csoti
Dr. med. Ilona Csoti
Ärztliche Direktorin
Gertrudisklinik Biskirchen

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