Vegane Ernährung und Herz-Kreislauferkrankungen

 

Der Anteil von Vegetariern (Verzicht auf Fleisch und Fisch) und Veganern (kompletter Verzicht auf Nahrungsmittel tierischen Ursprungs wie Milch, Honig, Eier) steigt in den letzten Jahren immer weiter an. Neben ökologischen und weltanschaulichen Motiven sind es häufig gesundheitliche Beweggründe, die bis zu einem Prozent der Bevölkerung zu Veganern machen. Es stellt sich die Frage, ob diese Motive gerechtfertigt sind und ob es wissenschaftliche Hinweise für eine positive Beeinflussung von Herz-Kreislauferkrankungen gibt.

Veganer haben einen niedrigeren Body-Mass-Index, einen niedrigeren systolischen Blutdruck, niedrigere Nüchternblutzucker- und Insulinwerte, bessere Cholesterinwerte und somit wahrscheinlich ein insgesamt günstigeres Risikoprofil.

Veganer nehmen in der Regel auch weniger Kochsalz und mehr Ballaststoffe zu sich. Einige häufige Krebsformen kommen bei Vegetariern und Veganern offensichtlich seltener vor (z.B. Dickdarmkrebs). Es scheint alles auf einen positiven Gesundheitseffekt einer veganen Ernährung hinzudeuten.

Leider ist es nicht ganz so einfach.

Möglicherweise sind viele Effekte eher auf einen allgemein gesünderen Lebensstil als auf die Ernährung zurückzuführen. Vegetarier und Veganer rauchen seltener und leben auch sonst wahrscheinlich gesünder, während trotz des ansonsten gesünderen Lebensstils lebenswichtige Bestandteile der Ernährung fehlen können.

Veganer erfüllen zwar insgesamt die meisten Ernährungsempfehlungen, sie nehmen im Mittel aber nur etwa 80 Prozent der empfohlenen Calciummenge, 40 Prozent des Jods und nur 8,8 Prozent des empfohlenen Vitamin B 12 auf. Niedrige Vitamin B 12-Konzentrationen sind mit Herz-Kreislauferkrankungen in Verbindung gebracht worden. Veganer haben eine erhöhte Knochenfrakturrate, dies allerdings nur, wenn sie tatsächlich zu wenig Calcium zu sich nehmen. Auch erhöhte Homocysteinwerte wurden bei Veganern festgestellt. Bei einer nicht genau bilanzierten veganen Diät sind auch ein Magnesium-, Eisen- oder Zinkmangel zu beobachten. Weiterhin ist die Versorgung mit Omega-3-Fettsäuren prinzipiell zwar auch rein pflanzlich ohne Fisch möglich (Leinöl, Hanföl, Walnussöl, Rapsöl), aber in der Praxis häufig unzureichend. Wegen des hohen Puringehalts der Soja-Produkte zur Eiweißversorgung haben Veganer auch höhere Harnsäurewerte im Blut.

Zur Häufigkeit von Herz-Kreislauferkrankungen bei Vegetariern und Veganern gibt es zwei große Prognosestudien. Die „Adventisten“-Studie zeigte eine um etwa 50 Prozent reduzierte Erkrankungshäufigkeit insbesondere bei Männern bezüglich Herz-Kreislauferkrankungen mit Durchblutungsstörungen. In der „EPIC-Oxford“-Studie war das Risiko für eine Durchblutungsstörung des Herzmuskels um etwa ein Drittel reduziert.

Es spricht vieles dafür, dass eine bilanzierte vegane Ernährung Herzkrankheiten reduzieren kann. Unklar bleibt jedoch, ob die Ernährung an sich oder der allgemein gesündere Lebensstil von Veganern dafür verantwortlich ist, der sich in den Studien statistisch nicht völlig herausrechnen lässt. Dringend erforderlich ist bei den Patienten die Überprüfung von Vitamin B 12, Calcium, möglicherweise auch Omega-3-Fettsäuren, Eisen, Zink und Magnesium. Bei Bedarf sollte eine Substitution erfolgen. Ein einfaches unkritisches Weglassen von Fleisch, Fisch und sämtlichen tierischen Produkten führt zu Mangelerscheinungen und könnte über unterschiedliche Mechanismen das Herz-Kreislaufrisiko sogar erhöhen.

Über den Autor

Prof. Dr. med. Martin Brück
Prof. Dr. med. Martin Brück
Chefarzt der Medizinischen Klinik I
Klinikum Wetzlar

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