Mehr Schutz und Rechte für unsere Kinder und Jugendlichen

Kindeswohl in alten Zeiten und heute

Das hohe Gesellschaftsgut „Kindeswohl“ war auch im vergangenen Jahr 2021 nicht nur durch die hartnäckige Corona- Pandemie, sondern auch durch Kriegshandlungen, Flüchtlingselend, Armut, Hungersnot und Kinderausbeutung in vielen Teilen der Welt bei weitem nicht sichergestellt. Nicht wenige Politiker verteidigen im Umgang mit Kindern und Jugendlichen überholte Erziehungs- und Rechtsvorstellungen, die mit internationalen Kinderschutzvereinbarungen nicht in Einklang stehen.

 

Kinderrechte in früheren Zeiten bis zur Gegenwart

Bis zur Neuzeit und späteren Aufklärung galten für nahezu alle Völker Kinder grundsätzlich als Besitz ihrer Eltern – zumeist des Vaters. Diese entschieden im Rahmen gesellschaftlicher Strukturen von Stand, Vermögen, Politik und Religion über ihren Nachwuchs in Erziehung, Ausbildung und Beruf. Im Christentum bedeutete das allermeist eine streng alttestamentarisch, selten empathisch liebevolle Grundhaltung: Kinder müssen gehorchen und arbeiten. Es gab nur selten Raum für eigene Wünsche und Würde, geschweige denn ein Recht auf Individualität und Gerechtigkeit -aber viele Ge- und Verbote mit harter Bestrafung. Diese Situation änderte sich erst in der Zeit der Aufklärung mit human- philosophisch und liberal - sozialen Ideen von allgemeinen Menschenrechten wie in der Unabhängigkeitserklärung der USA 1776 oder wenige Jahre später 1789 in der Französischen Revolution. Kinder erlitten in der Zeit der Industrialisierung schwerste Ausbeutung und Not. Nur wenige Länder respektierten das Kind als eigenständige Person mit eigenen Rechten. 1833 verbot man in England Kindern unter 8 Jahren die schwere Fabrik - und erst 10 Jahre später die zwölfstündige harte Grubenarbeit unter Tage. Im deutschen Reich wurden 1896 im Bürgerlichen Gesetzbuch Strafen für Eltern eingeführt, die ihre Kinder misshandelten oder sie vernachlässigten. In die Weimarer Verfassung fanden Eltern- und Kinderrechte 1919 Eingang.

 

Die Britin Eglantyne Jebb erreichte 1924 mit ihrer „Children`s Charta“ die Etablierung von Kinderrechten als „Genfer Erklärung“ in den Völkerbund, der nach den Gräueln des 1.Weltkrieges gegründet wurde – allerdings ohne Rechtsverbindlichkeit für die Mitgliedsländer. Nach dem 2. Weltkrieg wurde 1946 der Völkerbund aufgelöst. Zwei Jahre später verabschiedete die Generalversammlung der Vereinten Nationen (UNO) im Rahmen der allgemeinen „Menschenrechtserklärung“ erstmals konkrete – erneut nicht einforderbare - Rechte für Kinder und Jugendliche bis zum 18. Lebensjahr. 1989 verpflichteten sich alle Unterzeichnerstaaten (außer USA) in der „UN- Kinderrechtskonvention“ dem vereinbarten Kindeswohl aktiv Geltung zu verschaffen. Ihr Inhalt gilt weltweit als Leitlinie des Handelns. Im Jahr 2000 wurde das Gesetz zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) verankert. 2002 gab es Zusatzprotokolle für Kinder- und Jugendliche in bewaffneten Konflikten: Kein zwangsweiser Militärdienst an Kampfhandlungen unter 18 Jahren sowie strafbewehrte Verbote von Kinderhandel, Prostitution und Kinderpornographie, 2014 das Schutzinstrument eines Individualbeschwerdeverfahrens wodurch ein Beschwerderecht bei Verletzung ihrer Rechte vor dem UN-Kinderrechtsausschuss besteht. Der 19. November wurde zum internationalen „Tag der Kinderrechte“ erklärt.

Die UNESCO wurde 1945 als Sonderorganisation der UNO in London gegründet. Sie kümmert sich weltweit – auch für Kinder und Jugendliche – um Förderung von Bildung, Wissenschaft und Kultur. 193 Staaten verpflichten sich, den Frieden durch internationale Zusammenarbeit und kollektive Sicherheit zu erhalten.

Zentrale Ziele der UN- Menschenrechtskonvention

Die „natürliche“ Fürsorge, Rechte und Verantwortung der Eltern für ihre Kinder bis zum 18. Lebensjahr sind in Artikel 5 festgehalten. Die Unterzeichnerstaaten verpflichten sich nachhaltig, die Rahmenbedingungen für eine möglichst optimale körperliche, geistige, seelische und soziale Entwicklung zu schaffen. Kinderrechte sind unverhandelbare Menschenrechte und damit Ausdruck von Achtung und Verantwortung für alle Schutzbefohlenen.

Die einzelnen Kapitel sind in einem umfangreichen Gesetzeswerk festgelegt, auf ihre Einhaltung und Durchsetzung in den Unterzeichnerstaaten wird regelmäßig gedrungen – soweit irgend politisch möglich.

Gleichheit

Alle Kinder haben die gleichen Rechte. Kein Kind darf benachteiligt werden. (Artikel 2).

Gesundheit

Jedes Kind hat das Recht auf Gesundheit und Geborgenheit und auf ein Leben ohne Not (Artikel 24).

Besondere Fürsorge und Förderung bei Behinderung

Alle Anstrengungen sind zu unternehmen, um jedem behinderten Kind eine möglichst große und gute Teilhabe am sozialen und gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen (Artikel 23).

Schutz vor Gewalt

Kinder haben das Recht auf Schutz vor Gewalt, Missbrauch und Ausbeutung jeder Art (Art: 19,32, 34)

Schutz im Krieg und auf der Flucht

Kinder haben das Recht bei Kriegshandlungen und auf der Flucht besonders geschützt zu werden (Artikel28).

Schutz der Privatsphäre und Würde

Alle Kinder haben das Recht auf ihr individuelles Privatleben und die Beachtung ihrer persönlichen Würde (Artikel 23).

Spiel und Freizeit

Alle Kinder haben das Recht zu spielen, ein Recht auf Ruhe und Erholung sowie Förderung ihrer künstlerischen Anlagen (Artikel 31).

Bildung

Alle Kinder haben das Recht auf Förderung in jedem Alter - Kita, Schule und Ausbildung - um ihre Bedürfnisse und Fähigkeiten möglichst gut entfalten zu können (Artikel 28).

Freie Meinungsäußerung und Beteiligung

Alle Kinder haben das Recht bei allen Fragen, die sie betreffen, mitzubestimmen und ihre Meinung frei zu äußern (Artikel 12 und 13).

Zugang zu Medien und Medienschutz

Kinder haben das Recht, sich alle Informationen zu beschaffen, um sich ihre eigene Meinung bilden und mitteilen zu können (Artikel 17).

 

Wie steht es um den Schutz der Kinder und Jugendlichen in Deutschland?

Die Regierung der Bundesrepublik unterzeichnete die UN-Kinderrechtskonvention im Jahre 1992 - Zusatzprotokolle 2012. Unser verfassungsmäßiges Grundgesetz von 1949 regelt im

§ 6 die Grundrechte der Ehe und Familie, das Elternrecht, Gewaltenteilung zwischen Staat und Eltern sowie den Mutterschutz samt Gleichstellung von ehelichen und unehelichen Kindern! Viel Gutes ist in den letzten Jahren geschehen: Seit 2000 hat jedes Kind laut BGB ein Recht auf gewaltfreie Erziehung! Wir leben in einem – meist - reibungslos funktionierenden Gesundheitssystem mit standardisierten Vorsorgeuntersuchungen für Schwangere, Kinder- Jugendliche, Zahnstatuskontrollen, Schuleingangsuntersuchungen des ÖGD und Arbeitsschutzuntersuchungen. Mittlerweile gibt es einen Beauftragten der Bundesregierung für Fragen des sexualisierten Kindesmissbrauchs. In der Weimarer Verfassung wurde 1919 erstmals für ganz Deutschland eine allgemeine Schulpflicht festgeschrieben – vor dem 20. Jahrhundert gab es hoheitliche Kinderbildung nur auf regionaler Ebene. Heute steht jedem Kind per Gesetz ein Kitaplatz meist mit Ganztags-betreuung zu; es gibt ein Recht auf Elternzeit zur Kinderversorgung, die Personalquote und Qualifikation zur Kinderbetreuung wurde verbessert, auch in Frühförderung- und Behindertenversorgungs-einrichtungen oder im Jugendamt mit seinen verschiedenen Abteilungen zu Schutz und Unterstützung gefährdeter Kinder bei Bedrohung durch Gewalt, schlechte häusliche und soziale Pflegeverhältnisse oder in Justizbehörden, die im speziellen Kinder- und Jugendstrafrecht kompetent Hilfe leisten. In Kinderkliniken und zahlreichen Beratungs- und Behandlungszentren kümmern sich Experten um hilfebedürftige Kinder. Zusätzlich engagieren sich zahlreiche nicht staatliche Wohltätigkeitsinstitutionen rund um die Uhr auf dem weiten Feld des Kindeswohles.

Es geht immer um: Schützen – Stärken – Helfen — Unterstützen und Beteiligen!

Weitere Infos und Hilfen über:

Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: „BZgA.de“

Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte Deutschlands: „kinderaerzte-im-netz.de“

Deutscher Kinderschutzbund: info@dksb.de

Zur Medien- und Internetkompetenz: www.schau-hin.info

Über den Autor

Dr. med. Josef Geisz
Dr. med. Josef Geisz
Kinder-Jugendarzt/Allergologie, Wetzlar

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