Die Entdeckung der Röntgenstrahlen - Bedeutung für die moderne Medizin

Revolution in der Medizin vor 125 Jahren

Die Entdeckung der Röntgenstrahlen -

Bedeutung für die moderne Medizin

Ein junger Mann fühlt sich seit vielen Wochen schlecht. Er schwitzt nachts stark, hat Gewicht verloren und keinen Appetit mehr. Die Ärzte glauben bereits an einen bösartigen Tumor, als eine Computertomographie entdeckt, dass er lediglich unter einer gut behandelbaren Entzündung der großen Schlagadern leidet.

Ein anderer Patient ist vor zirka zwei Tagen gestürzt. Sein Brustkorb schmerzt auf der linken Seite. Als er in das Krankenhaus kommt, leidet er seit ungefähr einer Stunde unter zunehmender, sehr schwerer Atemnot. Die Sauerstoffsättigung seines Blutes ist bereits gesunken. Ein Röntgenbild zeigt, dass eine gebrochene Rippe die Lunge verletzt hat und diese in sich zusammengefallen ist. Eine Drainage leitet die Luft ab, der Patient fühlt sich schnell besser.

Eine 55-jährige Frau nimmt regelmäßig am Mammographie-Screening-Programm teil. Diesmal wird im Mammogramm ein neu aufgetretener, kleiner Tumorknoten entdeckt, der ohne Rückstände durch eine Operation entfernt werden kann.

Ein weiterer Patient kommt mit schweren Bauchschmerzen in die Klinik – ein akutes Abdomen. Die Chirurgen vermuten einen Durchbruch im Krummdarm und erwägen eine Operation, da zeigt die Computertomographie des Bauches, dass es sich nur um eine Durchblutungsstörung eines Fettzipfels am Netz des Bauchfells handelt – eine Operation ist nicht notwendig, diese Entzündung heilt von allein ab, der Patient muss nur mit Schmerzmitteln behandelt werden.

Zahllose weitere Beispiele könnten beschreiben, welchen Einfluss die Entdeckung und Nutzung der Röntgenstrahlen täglich tausendfach auf die Medizin und das Schicksal von Patienten hat. Tatsächlich sind heute große Bereiche der modernen Medizin und viele Therapieverfahren ohne Röntgenuntersuchungen nicht denkbar. Doch bei welchen bildgebenden Verfahren wird überhaupt Röntgenstrahlung verwendet und wie fing alles an?

Am 8. November 1895 machte Wilhelm Conrad Röntgen im physikalischen Institut der Universität Würzburg eine großartige Entdeckung. Während eines Experimentes mit einer luftentleerten Glasröhre, einer so genannten Kathodenröhre, die damals in vielen physikalischen Laboren verwendet wurde, stört ihn das hierbei entstehende Leuchten in der Röhre. Er umhüllt diese deshalb mit schwarzem Karton. Plötzlich beleuchtet sich ein etwas entfernt stehender Fluoreszenzschirm. Die in der Röhre entstandene Strahlung hatte den Karton durchdrungen und den Raum durchquert und so den Schirm angeregt. So ähnlich wird die Entdeckung der Röntgenstrahlen beschrieben.

Dass diese Strahlen später nach Conrad Röntgen benannt wurden, geht nicht auf ihn selbst zurück. Er hatte sie zunächst X-Strahlen genannt, wie sie im englischen und amerikanischen Raum auch heute noch genannt werden (x-ray). Röntgen konnte sich in den nächsten sechs Wochen nicht aus seinem Labor entfernen, so fasziniert war er von der neuen Entdeckung. In dieser Zeit entstand auch eines der ersten und berühmtesten Röntgenbilder der Welt, die Aufnahme der Hand seiner Frau Berta. Die Tragweite seiner Entdeckung erkannte er sofort. Er verzichtete bewusst auf ein Patent und veröffentlichte noch im gleichen Jahr den Artikel „Über eine neue Art von Strahlen". Innerhalb kürzester Zeit verbreitete sich seine Erfindung über die gesamte Welt und wurde umgehend medizinisch verwendet. Erstmals konnten Knochenbrüche nicht nur durch die tastende Hand des Arztes oder die Beschwerden erkannt werden. Nun konnten Entzündungen und Tumoren der Lunge nicht nur durch ein Stethoskop gehört werden, sondern auch in den tieferen Anteilen der Lunge durch ein Bild dargestellt werden. 1901 erhielt Conrad Röntgen den Nobelpreis für seine Entdeckung.

Und heute? Wie funktioniert Röntgendiagnostik heute? Tatsächlich ist das Kernelement eines jeden modernen Röntgengerätes immer noch den ursprünglichen Röntgenröhren von vor 120 Jahren im Aufbau recht ähnlich. In einem evakuierten Glaszylinder (Vakuum) befinden sich eine Kathode und eine Anode. Wird eine Spannung angelegt, so werden Elektronen von der Katode beschleunigt und schlagen in die gegenübergestellte Anode auf. Dort werden sie abgebremst und es entstehen Röntgenstrahlung und Wärme, die abgeführt werden muss. Diese Röntgenstrahlung wird durch Gegenstände und auch den Körper des Menschen zum Teil absorbiert, zum Teil durchdringt sie diese und kann auf einem Detektor (früher der Röntgenfilm) ein Bild erzeugen. Natürlich haben die moderne Technik mit verbesserten Materialien und die Digitalisierung der Röntgendetektoren zu kleineren, leistungsfähigeren und qualitativ hochwertigeren Röntgenanlagen und vor allen Dingen zu einer verminderten Strahlendosis geführt. Vergleicht man ein Röntgenbild von 1940 mit einem heutigen, digitalen Röntgenbild, so ist die darin enthaltene Hauptinformation jedoch immer noch sehr ähnlich. Ein Arzt kann heute seine Kenntnisse ohne Probleme auf die alten Röntgenbilder anwenden und daraus Diagnosen ablesen. Allerdings hat der Fortschritt auch zu ganz neuen Anwendungen der Röntgentechnik geführt. Zur Orientierung werden hier die bekanntesten Modalitäten der Röntgendiagnostik aufgeführt.

Konventionelles Röntgen

Dies ist die klassische und älteste Anwendung der Röntgenstrahlen. Die aus der Röntgenröhre austretende Strahlung wird heute selbstverständlich durch ein Gehäuse aus Blei rundherum abgeschirmt und nur an einem kleinen Visier ausgeleitet damit die Röntgenstrahlen auch in die korrekte Richtung ausgesendet werden. Mithilfe einer Lichtquelle kann zielgenau eingestellt werden, auf welchem Körperteil die Röntgenstrahlung gerichtet wird. Ein technischer Spezialist (medizinisch-technischer Radiologieassistent, MTRA) ist darin geübt je nach Fragestellung eine entsprechende Aufnahme zu erstellen. Das entstandene Röntgenbild ist ein so genanntes Projektionsbild. Dies bedeutet, dass sich verschiedene Strukturen überlagern können, also übereinander projiziert sind. Im klassischen Röntgenbild des Brustkorbes überlagern sich z.B. Herz und Wirbelsäule. Die beiden Lungenflügel hingegen stellen sich fast ohne wesentliche Überlagerungen dar und können bezüglich ihrer Belüftung ausgezeichnet beschrieben werden. Die Röntgenuntersuchung der Lunge ist heute die am häufigsten durchgeführte Röntgenuntersuchung.

Bild Röntgenthorax

Bildunterschrift:
Eine Röntgenaufnahme des Brustkorbs. Die rechte Seite ist vollständig verschattet. In diesem Beispiel ist eine Flüssigkeitsansammlung in der Brusthöhle dafür verantwortlich.

Angiographie und Durchleuchtung

Kontinuierlich ausgesendet Röntgenstrahlungen konnten zunächst mit einem so genannten Bildwandler und heute mit digitalen Detektoren den Körper in Bewegung darstellen. Diese Technik, die in der Durchleuchtung und in der Angiographie verwendet wird, hilft z.B. Katheter im Körper zu bewegen und dabei zu überwachen. Arterien können bei Durchblutungsstörungen erweitert werden oder auch bei akuten Blutungen verschlossen werden. Weiterhin kann z.B. über den Mund verabreichtes Kontrastmittel dabei beobachtet werden, wie es durch die Speiseröhre, den Magen und im Weiteren durch den Dünndarm und Dickdarm transportiert wird. Hierbei können Engstellen oder Erweiterungen oder auch Löcher im Magen-Darm-Trakt detektiert werden. Viele Operationen benötigen heute zur exakten Steuerung ein Durchleuchtungsgerät, zum Beispiel zur exakten Rekonstruktion eines gebrochenen Knochens oder aber zur operativen Ableitung des Urins bei Engstellen des Harnleiters. Hierbei ähnelt das Durchleuchtungsgerät oder das Angiographiegerät einem großen Tisch, der frei bewegt werden kann. Die Röntgenröhre ist in der Regel unterhalb des Tisches positioniert, der Detektor oberhalb des Patienten. Je nach Anwendung kann der Tisch gekippt und verschoben und auch senkrecht aufgestellt werden.

 

Bildunterschrift:
Die Durchleuchtung: Der Patient leidet unter dem Gefühl, dass sein Essen in der Speiseröhre stecken bleibt. Die Durchleuchtung zeigt, dass das geschluckte Kontrastmittel schnell und ohne Hindernis durch die Speiseröhre transportiert wird.

Über den Autor

Dr. med. Tobias Achenbach
Dr. med. Tobias Achenbach
Chefarzt Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie

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