Das schlimme Knie

Ob es nun ab dem 53. Kilometer beim Ultramarathon leicht zwickt und die nächsten 47 Kilometer nicht mehr rund laufen oder ob selbst in Ruhe jede Lage unerträglich ist: wenn das Knie schmerzt, dann geht, humpelt oder kriecht der Patient zum Orthopäden.
Dabei ist jede Ausprägung des Schmerzes ernst zu nehmen. Natürlich kann, wie beim Beispiel des ultralangen Marathons, der Körper einfach überlastet sein. Wenn der Schmerz jedoch in der Zukunft wieder kehrt, ist eine Untersuchung sinnvoll.

Was ist der Grund für die Schmerzen?

Wie kann ich diese beheben?
Patienten mit O-Beinen können, nachdem sie ihr Leben lang keine Beschwerden hatten, plötzlich beidseitig Schmerzen an den Kniegelenken bekommen. Mit Mitte 40 wird langes Wandern währenddessen und danach zur Qual. Verantwortlich dafür ist sehr wahrscheinlich die O-Bein Stellung und die damit verbundene stärkere Belastung der Innenseiten der Kniegelenke. Betroffen sind hier die knöchernen Anteile, der Knorpelüberzug der Gelenkflächen oder auch die Menisken. Durch das Tragen einfacher aber speziell angepasster Einlagen kann die einseitige Belastung ausgeglichen und die Schmerzen deutlich verbessert werden.
Es gibt aber auch Patienten, die vor mir sitzen und denen „eigentlich“ gar nichts weh tut. Bei näherem Nachfragen, werden aus dem „eigentlich gar nichts“ dann Beschwerden beim Richtungswechsel, beim Aussteigen aus dem Wagen oder auch beim Übereinanderschlagen der Beine. Die Beschwerden können die Patienten meistens eindeutig auf einen spitzen Schmerz punktuell am Gelenkspalt des Kniegelenkes zuordnen. Dieser spitze Schmerz macht so manche Bewegungen so unangenehm, dass die Patienten versuchen sie zu vermeiden – und schon tut „eigentlich“ nichts mehr weh. Diese Vermeidungsstrategie erschwert das Herausfinden der Ursache oft, doch genau dieses Herausfinden, die Diagnostik ist mit das Wichtigste an meiner Arbeit als Orthopäde. Denn nur wenn ich den Grund des Schmerzes kenne, kann ich eine Therapie empfehlen, um den Schmerz zu beheben.
Bei dem Patienten, der die Beine nicht mehr übereinanderschlagen kann, ist es oftmals der Meniskus, der einen Defekt hat. Diese Knorpelscheibe im Kniegelenk sorgt im gesunden Zustand für eine geschmeidiges Abrollen und auch für eine problemlose Rotation im Kniegelenk, die wir zum Beispiel für Richtungsänderungen benötigen. Wenn diese Knorpelscheibe einen Riss hat und somit keine glatte Oberfläche mehr aufweist, schmerzt das Reiben des Meniskus am Ober- und Unterschenkel. Der Schmerz wäre vielleicht noch zu ertragen und somit vielleicht auch zu ignorieren, jedoch kann das Reiben des Meniskus langfristig einen Knorpelschaden (Arthrose) verursachen, der nicht mehr zu beheben ist.

Aus diesem Grund nehme ich auch leichte Schmerzen im Knie ernst, um einen irreparablen Knorpelschaden mit einer passenden Therapie zu vermeiden.

Im Falle des Meniskusrisses empfehle ich den Patienten eine Kniegelenkspiegelung. Über zwei kleine Schnitte wird mit einer Kamera ins Kniegelenk hineingeschaut und der Meniskusriss geglättet oder auch wieder genäht. Dieser kleine Eingriff hilft, sowohl den akuten Schmerz zu lindern und die Beweglichkeit des Kniegelenkes in kurzer Zeit wieder herzustellen als auch einen schlimmeren Knorpelschaden zu verhindern.

Patienten mit einem Kreuzbandriss oder einer Seitenbandschädigung können dem Schmerz kaum durch Vermeidung aus dem Weg gehen. Das Knie ist instabil und durch die „Wackeligkeit“ des Kniegelenkes entstehen nicht nur deutliche Schmerzen, sondern der Knorpel der Gelenkflächen wird untypisch belastet. Daraus entwickelt sich dann wieder Knorpelschädigungen, bis hin zur ausgeprägten Arthrose. Durch den Ersatz des Kreuzbandes wird das Gelenk wieder stabilisiert, die Patienten gewinnen ihre alte Mobilität zurück und die Gefahr der Arthrose wird gebannt.

Sollte aber doch bereits eine fortgeschrittene Arthrose bestehen, bei denen die Patienten bei Belastungen starke Schmerzen verspüren und lange Wege oder Treppen ein kaum überwindliches Hindernis werden, muss eine andere Art der Therapie herangezogen werden. Durch das Spritzen von Hyaluronsäure, ACP Therapie (Gewinnung, Konzentrierung und Injektion von körpereigenem Wirkstoff), Stabilisierung mittels Krankengymnastik oder auch Akkupunktur kann den Patienten mit Kniegelenksarthrose Erleichterung verschafft werden. Andere Ansätze wären die Nutzung spezieller Bandagen, Tapeverbände oder auch Orthesen, die sich positiv auf die Belastung eines Kniegelenkes mit Knorpelschaden auswirken.
Wenn aber auch diese Maßnahmen gegen das "schlimme Knie" keinen Erfolg mehr bringen und die Patienten sogar im Ruhezustand keine Erleichterung mehr vom Schmerze finden, ist die Kniegelenksendoprothese (also ein künstliches Kniegelenk) eine sehr gute Lösung. Diese kann je nach Schädigung einseitig auf der Innen- oder Außenseite oder als Vollprothese eingesetzt werden.

Wenn ich zu einem solchen Eingriff rate, gebe ich meinen Patienten immer folgende, wichtige Information mit auf den Weg: nur die angegriffenen Oberflächen des Knochens des Kniegelenkes werden während der Operation ausgetauscht. Die sonstigen wichtigen Strukturen von Kniescheibe und Kniescheibensehne, Innen- und Außenband, sowie die gesamten muskulären Strukturen bleiben beim Einbringen einer Kniegelenksprothese erhalten.

Mit der Kniegelenksendoprothese kann dann ein aktives Leben wieder aufgenommen werden. Fahrradfahren, Wandern, Skifahren oder sogar Tennisspielen und Jogging sind, nach einer Zeit der Rehabilitation und Training, wieder möglich.
Es gibt also auch für das noch so "schlimme Knie" eine gute Lösung und das lässt auf jeden Fall hoffen. Denn Aufgeben ist nie eine Option.

 

Einladung zu einer medizinischen Informationsveranstaltung am

Mittwoch 13. Juli 2022 um 17 Uhr zum Thema

„Das schlimme Knie“

Referent: Dr. Georg Springmann, Facharzt für Orthopädie/Traumatologie/Belegarzt am KAV Krankenhaus Ehringshausen.

Tagungsort: Kleine Güterhalle Alter Bahnhof Beilstein, Schlossstr. 21, 35753 Greifenstein-Beilstein

 

Über den Autor

Dr. Georg Springmann
Dr. Georg Springmann

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Aktuelle Ausgabe04.04.