Chirurgische Therapieverfahren bei Tumoren der Bauchspeicheldrüse

Gerade Tumoren der Bauchspeicheldrüse (Pankreas) wird unabhängig von der Expertensicht auch nach Einschätzung von Laien häufig eine ungünstige Prognose zugeschrieben. Hier gilt es zu differenzieren und nach einer zielgerichteten Diagnostik in einer mit der Materie erfahrenen Klinik ein individuelles Konzept mit jedem einzelnen Patienten zu besprechen. Dabei reicht das Spektrum vom eigentlichen Bauchspeicheldrüsenkrebs (Pankreaskarzinom), der einer sehr zeitnahen und vorzugsweise radikalen chirurgischen Behandlung bedarf, bis hin zu zystischen Tumoren der Bauchspeicheldrüse, bei denen mit entsprechender Expertise abgewogen werden muss, ob und wann eine chirurgische Therapie erforderlich ist.

Neben der individuellen Erfahrung des Chirurgen kommt es dabei auf spezifische Kenntnisse aller beteiligten Fachdisziplinen innerhalb eines breit aufgestellten Tumorzentrums an. Zeitlich gut abgestimmte Diagnostik- und Therapiepfade von der gastroenterologischen und radiologischen Diagnostik, über zum Teil auch präoperative (neo)adjuvante Chemotherapien und moderne Operationsmethoden mit einer radikalen Tumorentfernung bis hin zu palliativen Konzepten bei inoperablen Tumoren bringen dabei den bestmöglichen Therapieerfolg. Bei einer tumorbedingten Mangelernährung ist es unbedingt erforderlich, dass diese bereits vor der Operation optimiert wurde. Bezüglich der Frage ob ein robotisch-assistiertes oder konventionell minimal-invasives Schlüssellochverfahren geeignet ist, oder eine offene Schnittoperation notwendig ist, wird im individuellen Fall nach Besprechung aller Befunde zusammen mit dem Patienten entschieden. Nach den dabei notwendigen und zumeist großen chirurgischen Eingriffen bedarf es darüber hinaus auch einer spezialisierten chirurgischen Intensivtherapie, um den operativen Erfolg zu sichern und Komplikationen zu vermeiden.

Das Pankreaskarzinom

Rauchen ist der wichtigste durch den Patienten beeinflussbare Risikofaktor für die Entwicklung von Bauchspeicheldrüsenkrebs. Auch die Entstehung einer chronischen Bauchspeicheldrüsenentzündung (Pankreatitis) führt zu einem erhöhten Risiko für eine maligne Entartung. Das Risiko steigt dabei mit zunehmendem Alter deutlich an. Seltener kommt die Erkrankung im jüngeren Alter vor, wobei es dann auch gelegentlich Fälle mit einer familiären Häufung gibt. Tumoren der Bauchspeicheldrüse machen 2 bis 3 Prozent aller bösartigen Erkrankungen beim Erwachsenen aus. Nach Daten des Zentrums für Krebsregisterdaten aus 2018 erkranken in der männlichen Bevölkerung 15,1 und in der weiblichen Bevölkerung 10,8 Personen pro 100.000 Einwohner pro Jahr an diesem Tumor. Dabei nimmt die Zahl von Krebserkrankungen der Bauchspeicheldrüse (Pankreaskarzinome) stetig zu.

Da sich eine solche bösartige Gewebeneubildung mit ca. 80 Prozent am häufigsten im Bereich des Bauchspeicheldrüsenkopfes ausbildet, kann es hier zu einer Einengung des Gallengangs kommen. Eine daraus resultierende Gelbsucht stellt das häufigste Symptom dar, welches dann zu einer weiteren diagnostischen Abklärung führt. Hinzu kommen Appetitlosigkeit, ungewollter Gewichtsverlust und eventuell auch eine neu aufgetretene Zuckerkrankheit.

Als grundlegende Untersuchung der Wahl bei Verdacht auf einen Bauchspeicheldrüsentumor gilt nach wie vor die Computertomographie (CT) mit Darstellung der Bauchorgane und der sie versorgenden Gefäße. Hier kann sehr präzise dargestellt werden, ob direkt benachbarte lebensnotwendige Gefäße bereits vom Tumor befallen sind und damit eventuell eine Chemotherapie bereits vor einer geplanten Operation erforderlich machen. Auch Metastasen (Tochtergeschwülste) in Leber und Lunge können mit hoher Sicherheit erkannt werden. Ergänzend kann eine Magnetresonanztomographie (MRT) oder eine endoskopische Ultraschalluntersuchung weitere Aufschlüsse über den Verdacht der Bösartigkeit geben. Auch können damit zystische Tumoren des Pankreas besser beurteilt werden. Mit den endoskopischen Verfahren können Biopsien (Gewebeproben) zur Untersuchung in der Pathologie entnommen werden und auch Gallengangsdarstellungen (ERCP) mit der Einlage von kleinen Röhrchen, sogenannten Stents, zur Entlastung des gestauten Galleabflusses durchgeführt werden.

Bauchspeicheldrüsenoperation bei Krebs sind in der Regel große und komplexe Eingriffe, die ein darin versierter Viszeralchirurg mit entsprechendem Team durchführen sollte. Die Bauchspeicheldrüse grenzt sehr eng an benachbarte Organe und lebensnotwendige Gefäße für Leber und Darm. In einem entsprechend aufwändigen Eingriff muss ein Tumor im Bauchspeicheldrüsenkopf zusammen mit dem Zwölffingerdarm, der Gallenblase und dem Gallengang entfernt werden. Die Besonderheit dabei ist, dass sämtliche Lymphknoten der näheren Umgebung zusammen mit dem Tumor entfernt werden müssen, was einer präzisen chirurgischen Feinarbeit bedarf. Im Unterschied zur früher verwendeten Technik wird in den meisten deutschen Zentren und daher auch in unserer Klinik der Magen komplett erhalten, was bezüglich des postoperativen Ergebnisses zu einer deutlichen Verbesserung der Nahrungsaufnahme führt. Der Vorteil liegt hierbei im Erhalt der physiologischen Magenentleerung durch den Erhalt der Magenpförtnerfunktion. Um die Nahrungspassage nach radikaler Entfernung des Tumors wiederherzustellen, wird der verbleibende Rest der Bauchspeicheldrüse in den Magen eingenäht, der Gallengang und der Magen dann mit dem Dünndarm verbunden.

Tumoren im Bereich des Bauchspeicheldrüsenkörpers oder Bauchspeicheldrüsenschwanzes können durch eine Entfernung der linksseitig gelegenen Anteile der Drüse (Pankreaslinksresektion) entfernt werden, wobei der Pankreaskopf dann belassen wird. Diese Operation führen wir an den Lahn-Dill-Kliniken vorzugsweise in der robotisch-assistierten oder laparoskopischen minimal-invasiven Technik durch. Dabei werden der Pankreasschwanz und ggfs. auch der Pankreaskörper radikal mit den lokalen Lymphknotenstationen entfernt. Bei einem Pankreaskarzinom wird zusätzlich auch die Milz entfernt. Der Stumpf im Bereich der Abtrennungsebene der Bauchspeicheldrüse wird in der Regel mit einer Klammernaht verschlossen und muss nicht eingenäht werden. In Abhängigkeit von der Tumorlokalisation und -ausdehnung und der zugrundeliegenden Diagnose (z.B. Hauptgang-IPMN) kann auch eine totale Entfernung der Bauchspeicheldrüse erforderlich sein (totale Pankreatektomie).

Direkt im Anschluss an den operativen Eingriff werden die Patienten auf die chirurgische Intensivstation verlegt, wo sie je nach Zustand nur eine Nacht oder wenige Tage verbringen. Anknüpfend an unsere präoperative Ernährungstherapie versuchen wir die Patienten möglichst frühzeitig auf natürlichem Weg zu ernähren. Zusätzlich erhalten die Patienten intensive physiotherapeutische Maßnahmen, eine Mobilisation aus dem Bett erfolgt in der Regel bereits am Tag nach der Operation.

Insbesondere beim Pankreaskarzinom gibt es Daten, dass Patienten bei grenzwertig eingeschätzter chirurgischer Entfernbarkeit des Tumors von einer präoperativen (neoadjuvanten) Chemotherapie profitieren. Dies trifft auch für den Verlauf nach Operation zu, wenn der Tumor erfolgreich entfernt wurde. Die entsprechenden Möglichkeiten und Optionen besprechen wir individuell mit unseren Patienten.

Zystische Tumoren der Bauchspeicheldrüse

Mit der zunehmenden Verbreitung der radiologischen Schnittbilddiagnostik durch die Computertomographie (CT) und die Magnetresonanztomographie (MRT) hat sich insbesondere auch die Anzahl der diagnostizierten zystischen Tumoren der Bauchspeicheldrüse erhöht. Dies hat besondere Relevanz, weil definierte Untergruppen dieser zystischen Tumoren ein erhebliches Risiko aufweisen maligne zu entarten, also mit der Zeit bösartig zu werden.

So genannte intraduktal papillär muzinöse Neoplasien (IPMN) bilden im Bereich der Ausführungsgänge der Bauchspeicheldrüse schleimhaltige, zystische Veränderungen aus. Je nach Zuordnung zu den Haupt- oder Seitengängen steigt das Risiko für eine Entartung. Bei der Hauptgang-IPMN beträgt dieses Risiko 60 bis 90 Prozent, weswegen eine radikale Operation zwingend notwendig ist. Die Indikation zur Resektion besteht bei allen Hauptgang-IPMN. Dieses Risiko ist bei der Seitengang-IPMN mit 15 bis 30 Prozent deutlich geringer. Hier erfolgt die Beurteilung anhand spezieller Kriterien wie Größenzunahme und Knotenbildung in der Zystenwand. Die Gesamtprognose bei Vorliegen einer IPMN gilt aufgrund der geringgradigen Malignität als insgesamt günstig, ist allerdings abhängig vom Invasions-Status.

Andere zystische Pankreastumoren wie die muzinös-zystischen Neoplasien ohne Gangbeteiligung mit höherem Entartungsrisiko sowie die serös-zystischen Neoplasien und die solid-pseudopapillären Neoplasien mit geringem Risiko sind häufig Zufallsbefunde. Die jeweilige Risikoabschätzung wird daher spezifisch im individuellen Einzelfall vorgenommen.

Neuroendokrine Bauchspeicheldrüsentumoren

Sehr viel seltener (etwa 1/100.000) treten so genannte endokrine hormonaktive Bauchspeicheldrüsentumoren auf. Diese sind in 75 Prozent der Fälle hormonaktiv, geben also vermehrt Hormone ins Blut ab. Dies führt dann zu den entsprechenden Krankheitssymptomen wie frühmorgendlicher Unterzuckerung, Schweißausbrüchen, Heißhunger oder auch zu wiederholt auftretenden Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüren und wässrigen Durchfällen. Sie stammen dabei häufig von den Inselzellen der Bauchspeicheldrüse ab, die beiden am häufigsten vorkommenden Tumorarten sind das Insulinom und das Gastrinom. Für die Diagnose können neben der Hormonbestimmung im Blut eine radiologische Diagnostik (CT und MRT) sowie eine Ultraschalluntersuchung mit einer endoskopischen Sonde eingesetzt werden. Nuklearmedizinische Untersuchungen (Octreotidscan) und spezielle Gefäßkatheteruntersuchungen ergänzen diese Methoden.

Die erste Wahl in der Therapie neuroendokriner Bauchspeicheldrüsentumoren ist die Operation. Da diese zumeist langsam wachsen und später Tochtergeschwülste ausbilden, kann auch eine operative Ausschälung (Enukleation) des Tumors sinnvoll sein. Je nach Befund und Ausdehnung können aber auch die oben bereits genannten radikaleren Operationsmethoden erforderlich werden. Die Überlebensraten sind dabei in der Regel deutlich besser als beim Pankreaskarzinom.

Behandlung in onkologischen Zentren

Die Diagnostik und Therapie von Bauchspeicheldrüsentumoren im Klinikum Wetzlar erfolgt in enger Absprache und Koordination der im Onkologischen Zentrum beteiligten Kliniken. Neben der Klinik für Allgemeine, Viszerale und Onkologische Chirurgie sind daran die Medizinische Klinik II mit Schwerpunkt Gastroenterologie, die Klinik für Hämatologie/Onkologie und Palliativmedizin und das Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie beteiligt. Dabei erfolgen alle relevanten Therapieempfehlungen nach interdisziplinärer Besprechung in unserer Tumorkonferenz auf der Grundlage aktueller Leitlinien und moderner Therapiekonzepte.

Da der operativen Therapie bei der Behandlung von Bauchspeicheldrüsentumoren eine besondere Bedeutung zukommt, ist eine spezielle chirurgische Expertise und Qualität notwendig. Das Team der Klinik für Allgemeine, Viszerale und Onkologische Chirurgie weist eine entsprechende Erfahrung auf und erfüllt die vom Gemeinsamen Bundesausschuss der Ärzte (G-BA) definierten spezifischen Anforderungen. Der Chefarzt der Klinik, Priv.-Doz. Dr. Frank Ulrich, hat nach seiner onkologisch-chirurgischen Ausbildung an der Charité Universitätsmedizin in Berlin bereits vor seiner Tätigkeit in Wetzlar an der Universitätsklinik in Frankfurt ein zertifiziertes Kompetenzzentrum für Pankreaschirurgie aufgebaut und geleitet.

Bei Fragen zu diesem medizinischen Themenkomplex oder konkreten Terminanfragen für unsere Spezialsprechstunden können Sie uns jederzeit über unsere Kontaktmöglichkeiten erreichen. Wir werden dann gemeinsam mit Ihnen erörtern, welche diagnostischen und therapeutischen Schritte in Ihrem individuellen Fall erforderlich sind.

 

Über den Autor

Dr. med. Frank Ulrich
Dr. med. Frank Ulrich
Chefarzt des Zentrums für Allgemeine, Viszerale und Onkologische Chirurgie
Lahn-Dill-Kliniken Wetzlar

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