Adipositas und bösartige Tumorerkrankungen

Dass krankhaftes Übergewicht für viele Erkrankungen sowohl in der Entstehung wie auch im Verlauf eine wichtige Rolle spielt habe ich bereits in einigen Artikeln des Gesundheitskompass berichtet. Diabetes mellitus, Gelenkarthrose, weibliche Infertilität und auch der Einfluss auf die Covid-19-erkrankung wurden bereits behandelt.

Was ist mit den Tumorerkrankungen? Gibt es dort ebenfalls einen Einfluss?

Inzwischen haben viele Studien eindeutig belegt, dass die Adipositas einen Einfluss auf die

Erkrankungswahrscheinlichkeit mit einer bösartigen Erkrankung hat. Da mag man sagen….

„Ok, … was hat darauf keinen Einfluss…“ Die klare Erklärung eines Wirkungsprinzips fehlt ja auch. Wenn bei der Entstehung einer Arthrose jedem Menschen völlig klar ist, dass ein sehr schwerer Körper die Gelenke einfach belasten muss, ist das Wirkungsprinzip bei einer Tumorerkrankung nicht so klar sichtbar.

Trotzdem gilt die Adipositas heute als die zweitwichtigste vermeidbare Krebsursache in der BRD. Das ist eine erschreckende Erkenntnis. Für viele Karzinome ist zudem bereits eine so genannte Dosis-Wirkungs-Beziehung nachgewiesen. Das bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit einen bösartigen Tumor zu bekommen mit dem steigenden Körpergewicht steigt. Bedenklich ist hierbei, dass in der BRD heute ca. 60% aller Menschen übergewichtig sind und ca. 23% sogar adipös.

Hier noch einmal die Einteilung der Adipositas nach dem BMI, der immer noch der am

häufigsten benutzte Parameter zur Einteilung dieser Erkrankung ist:

Grad 1 – BMI 30 - 35 kg/m2 Männer: 18% Frauen: 16%

Grad 2 – BMI 35 - 40 kg/m2 Männer: 3,9% Frauen: 5,2%

Grad 3 – BMI 40 - 50 kg/m2 Männer: 1,2% Frauen: 2,8%

Die Adipositas stellt heute eine weltweite Pandemie dar. Zwischen 1975 und 2016 hat sich die Zahl der Patienten weltweit versechsfacht. Bei Kindern und Jugendlichen, und das wird in Zukunft ein riesiges volkswirtschaftliches und sozialpolitisches Problem werden, sogar verzehnfacht. In den USA, wo die meisten Studien durchgeführt werden, gehören bei den Frauen die Hälfte aller Krebserkrankungen zu den mit Übergewicht assoziierten Karzinomen. Bei den Männern ist es knapp ein Viertel. Der Unterschied resultiert aus den Brustkrebserkrankungen und den gynäkologischen Krebserkrankungen.

Nun muss man allerdings unterscheiden, ob ein Zusammenhang zwischen den beiden Erkrankungen besteht oder ob das Zusammentreffen der beiden Erkrankungen eher zufällig ist.

Gibt es eine eindeutige Beziehung zwischen der Ursache (Adipositas) und der Wirkung (Krebs)? Die Tatsache, dass bei einer Bevölkerung, die zu 60% übergewichtig ist, jeder zweite Tumorpatient ebenfalls übergewichtig ist, würde eigentlich niemanden erschrecken. Oder?

Aber, wir erinnern uns daran, dass eine Dosis-Wirkungs-Beziehung nachgewiesen worden ist. Dies scheint doch ein recht sicheres Kriterium zu sein, dass die Adipositas wirklich ursächlich für Tumorerkrankungen ist.

Und es gibt auch biologische Mechanismen, die nachweisbar sind. Hierzu gehören folgende Faktoren. Ohne im Detail auf diese Mechanismen eingehen zu wollen, kann man aber sagen, dass das Fettgewebe als Produzent von verschiedenen Hormonen, Entzündungsfaktoren und anderen Substanzen einen gewaltigen Einfluss auf unseren Körper hat. Wichtig ist hierbei immer zu wissen, dass die Produktion dieser Substanzen wie Hormone usw. im Fettgewebe unkontrolliert, also anders als die normale Hormonproduktion, geschieht.

Noch ein paar wichtige Punkte am Schluss:

Beim Dickdarmkrebs steigt das Erkrankungsrisiko um 5% je 5Kg/m2 an. Das ist verglichen mit anderen Krebserkrankungen relativ gering. Allerdings haben adipöse Teenager ein um 50% erhöhtes Risiko später an einem Dickdarmtumor zu erkranken.

Etwa ein Viertel der Einwohner der BRD hat heute bereits eine Fettlebererkrankung aufgrund von Übergewicht. Das Zusammentreffen von Übergewicht und Alkoholkonsum verstärkt den Stress für die Leber. 5 kg/m2 Erhöhung des BMI bewirken eine Erhöhung des Karzinomrisikos für Leberkrebs um 30%

Noch schlimmer sieht es bei dem Gebärmutterkrebs aus. Hier werden in den USA bereits etwa 50% aller Neuerkrankungen auf Übergewicht zurückgeführt. Die Statistiker sagen, dass die Erhöhung des BMI um 5 kg/m2 die Erkrankungswahrscheinlichkeit für diese Karzinom um sogar 50% steigert. Hier wird in den USA Frauen mit BMI über 40 kg/m2 vor Beginn der Wechseljahre zu einer operativen Magenverkleinerung geraten.

Hier ist noch einmal festzuhalten:

Ein bariatrischer Eingriff, also die operative Verkleinerung des Magens oder die Bypassoperation sind keine so genannten „Wellness-Eingriffe“ für Menschen, die nur einfach zu gerne zu viel essen. Diese Eingriffe dienen in erster Linie dazu, Gesundheit zu erhalten oder wieder

herzustellen. Menschen, die irgendwann ein gewisses Maß an Adipositas erreicht haben, sind so gut wie nie in der Lage, wieder auf ein normales Gewicht zu kommen. Für diese Patienten ist dringende professionelle Beratung in einer Einrichtung, die sich speziell mit Adipositas beschäftigt, angezeigt.

Der Einfluss von Übergewicht auf Tumorerkrankungen kann überhaupt nicht hoch genug eingeschätzt werden. Es besteht auch in der BRD, wo die Situation noch deutlich besser ist als in den USA dringender Handlungsbedarf.

Über den Autor

Dr. med. Thomas Friedrich-Hoster
Dr. med. Thomas Friedrich-Hoster
Ehemaliger Leitender Oberarzt Allgemeine, Viszerale und Onkologische Chirurgie Klinikum Wetzlar
Ärztlicher Leiter des Adipositaszentrum

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