Schwangerschaft aus Sicht der Osteopathie

Eine Schwangerschaft ist für viele Frauen sowohl gesundheitlich als auch emotional eine Zeit der Höhen und Tiefen. Die Osteopathie kann die werdende Mutter auf ihrem Weg begleiten, denn sie bietet Techniken, den Körper der Frau auf eine Schwangerschaft vorzubereiten, Beschwerden während der Schwangerschaft zu behandeln und die Frau nach der Entbindung zu unterstützen.

Osteopathie vor der Schwangerschaft

Schon vor der Schwangerschaft kann der Therapeut dazu beitragen, das Becken auf eine mögliche Schwangerschaft vorzubereiten. Hierbei steht vor allem die Behandlung des Beckenrings und des Steißbeins im Vordergrund. Aber auch die Position von Gebärmutter, Eierstöcken, Blase und Darm wird in die Behandlung mit einbezogen. In dieser Phase geht es vor allen Dingen darum, alle vorhandenen Dysfunktionen im Bereich des Beckens aufzulösen, um so die Entstehung einer Schwangerschaft sowie deren komplikationslosen Verlauf zu unterstützen. Dazu betrachtet der Osteopath zunächst die Beweglichkeit der Darmbeinschaufeln, da diese von großer Wichtigkeit für die spätere physiologische Veränderung des Beckens in der Schwangerschaft sind.

Besondere Aufmerksamkeit widmet der Osteopath in seiner Behandlung auch dem Steißbein und der Lendenwirbelsäule. Häufig finden sich Steißbeinstürze in der Vorgeschichte einer Frau, aber auch Blockierungen der Wirbel und gegebenenfalls sogar Bandscheibenvorfälle, die die nervliche Versorgung des Beckens negativ beeinflussen können.

Um die Blutzirkulation im Becken zu begünstigen, ist die Mobilität und Position der Gebärorgane, also der Gebärmutter und der Eierstöcke, zu bestimmen. Aber auch die Position der Blase und des Darms sowie die Bänder des Beckens und die Spannung der Beckenbodenmuskulatur haben einen großen Einfluss auf die gesamte Funktion des Beckens. Der Osteopath kann demnach mit seiner Behandlung dazu beitragen, das Nest zu bereiten.

Osteopathie in der Schwangerschaft

Die häufigsten Beschwerden, die schwangere Frauen mit in die Praxis bringen, sind Schmerzen im unteren Lendenwirbelbereich und der Symphyse. Die Beweglichkeit der Darmbeinschaufeln ist von wesentlicher Bedeutung für einen unbeschwerten Verlauf der Schwangerschaft. Meist um die 20.-22. Schwangerschaftswoche, wenn die fetale Phase der Schwangerschaft bereits abgeschlossen ist und die Phase des Größenwachstums in vollem Gange ist, müssen beide Darmbeinschaufeln Veränderungen in der Position vornehmen, was dann bei der Frau zum schwangerschaftstypischen Hohlkreuz führt. Rein physiologisch ist dies meist kein Problem. Aufgrund der Anatomie im Bauch, vor allem des Dick- und Enddarms, ist häufig eine Einschränkung der linken Darmbeinschaufel zu beobachten. Um den benötigten Platz für das Ungeborene dennoch zu gewährleisten, muss dann die rechte Darmbeinschaufel eine verstärkte kompensatorische Bewegung machen. Diese kann dann im Übergang von Becken zur Wirbelsäule zu Schmerzen führen. Gleichzeitig kann diese ungleiche Bewegung von der rechten zur linken Seite auch zu einer Verwirrung in der Symphyse führen, die ebenfalls mit Schmerz einhergehen kann.

Im weiteren Verlauf der Wirbelsäule treten, vor allem im letzten Drittel der Schwangerschaft, Beschwerden im unteren Brustkorbbereich auf. Diese sind durch den Druckanstieg im Bauch und die damit verbundene verstärkte Aktivität des Zwerchfells zu erklären. Hier arbeitet der Osteopath mit den Rippen, der Wirbelsäule und dem Zwerchfell mit dem Ziel, das Zwerchfell zu entspannen und so die Beschwerden zu lindern.

Eingeschlafene Finger oder Hände können einerseits durch lymphatische Abflussstörungen im Bereich der Karpaltunnel, andererseits durch Dysfunktionen im Halswirbelbereich und des oberen Brustwirbelbereichs entstehen. In beiden Fällen wird der Osteopath die jeweilige Region mit speziellen mobilisierenden Techniken behandeln, um so das Beschwerdebild zu lindern.

Auch verfügt die Osteopathie über Techniken, die das Drehen des Ungeborenen aus einer Beckenendlage ermöglichen. Dies ist allerdings nur möglich, wenn die Nabelschnur das Kind nicht beeinträchtigt und der Mutterkuchen an der richtigen Stelle sitzt.

Osteopathie nach der Schwangerschaft

Nach der Geburt steht der Körper der Frau erneut vor einer großen Aufgabe. Alle Organe müssen wieder an den Platz zurückkehren, an dem sie ursprünglich positioniert waren. Dies geschieht normalerweise von ganz allein. Es kann jedoch auch hier zu Störungen kommen, die dann mit einer eingeschränkten Mobilität des Organs oder der Wirbelsäule einhergehen können.

Hinzu kommen können auch Verletzungen im Verlauf der Geburt, trotz aller Bestrebung der Geburtshelfer, eine Geburt so sanft wie möglich stattfinden zu lassen. Für den Osteopathen steht im Vordergrund, die physiologischen Prozesse zu begleiten, also die Organe in ihrer Mobilität zu unterstützen bzw. sie wieder an ihren Platz zu begleiten und die Spannung der Beckenbodenmuskulatur zu regulieren. Auch ein Milchstau kann osteopathisch behandelt werden. Bei Stillproblemen kann die Ursache durchaus auch beim Säugling liegen. Daher würde in einem solchen Fall die Untersuchung und Behandlung des Kindes sinnvoll erscheinen.

Über den Autor

Michael Tonigold
Michael Tonigold
staatl. anerk. Osteopath, Heilpraktiker

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