Oma, Opa, erzählt doch mal!

Bilderbücher, die den generationenübergreifenden Dialog fördern

Natürlich reden Enkel mit ihren Großeltern, so wie es vollkommen selbstverständlich ist, dass Großeltern ihren Enkeln etwas erzählen. Aber geht es da nicht meist nur um Dinge, die in just dem Moment wichtig sind? Hausaufgaben, Fußball, Mittagessen und Freunde? Ist dabei auch genug Zeit für tiefer gehende Gespräche, die im Herzen bleiben oder innerhalb der Familie dazu anregen können, ein persönliches Familienbuch mit ganz besonderen Gedanken, Erinnerungen und guten Wünschen zu beginnen? Bilderbücher, in denen es um den Kontakt der Großelterngeneration zu den Enkeln geht, können in einen solch besonderen Dialog führen.

Eine wichtige Frage hat das Kind in Bettina Obrechts sehr berührendem Bilderbuch „Wie anders ist alt?“, und es lässt sich von der Oma erzählen, dass das alt gar nicht so anders ist, als jung.

Alte und Junge lachen gern, freuen sich über Freunde und Zuwendung, haben Träume ... Ist man jung, ärgert man sich über Sachen, die man noch nicht kann, ist man alt, ärgert man sich über Sachen, die man nicht mehr kann – aber das Gefühl ist im Prinzip doch gleich. Die Fragen, die Gegensätze und Gemeinsamkeiten, mit denen uns die aus der Nähe von Gießen stammende Autorin Bettina Obrecht hier in wenigen Sätzen konfrontiert, bringen uns zum Schmunzeln oder machen nachdenklich. In jedem Fall regen sie dazu an, in uns hineinzulauschen, was wir selbst denn antworten würden.

Die Künstlerin Julie Völk setzt diese besonderen Momente zauberleicht in Aquarellen und zarten Buntstiftzeichnungen um, so dass man sich dieses liebevolle Bilderbuch gerne immer wieder gemeinsam anschaut und dabei auch herausfinden kann, ob man die Fragen immer gleich beantworten würde. Ein wunderbares Buch, um sich gemeinsam und altersübergreifend mit den wichtigen Fragen des Lebens auseinanderzusetzen.

Mit einer kunterbunten Mischung aus Erwartungen, Gedanken und auch Ängsten zieht eine Kita-Gruppe beim Ausflug in das Altenheim Villa Herbstgold. Können die Omas und Opas dort noch alle richtig laufen? Hat jeder ein Holzbein, wie Leslies Opa? Gibt es vielleicht sogar Hexen dort, wie in Hänsel und Gretel? Für die Kinder ist die Ankündigung des Ausflugs eine Riesenaufregung! Aber als sie dort ankommen, ist es zunächst gar nicht so anders als in ihrer Kita – hier wie dort riecht es nach Tee, also muss doch alles gut sein. Mit großen Augen und viel Herzklopfen machen sich die Kita-Kinder auf Entdeckungstour und werden dabei schnell so selbstständig, dass ihre Erzieherinnen ganz schön auf Trab kommen. „Die Eroberung der Villa Herbstgold“ zeigt fröhlich-frech das Aufeinandertreffen zweier Generationen, die sich sonst so nicht begegnen. Stefanie Höfler erzählt mit viel Humor und die leuchtend bunten Illustrationen von Claudia Weikert spiegeln den zugewandten und positiven Tenor des Bilderbuchs. Absolute Leseempfehlung!

Eine herrliche Liebeserklärung richtet Kati an ihren Opa! Im Bilderbuch „Kati will Großvater werden“, will sie genau so sein wie er, weil er dann ihr bester Freund sein kann. Sie überlegt also sehr genau, was ihren Opa ausmacht und verkleidet sich entsprechend. Und als die beiden endlich gemeinsam am Küchentisch sitzen, merken wir, dass sie auch ohne die Verkleidung schon absolut beste Freunde sind und einander sehr gut kennen. Die lettische Autorin Signe Viška lässt sich einiges einfallen, um Katis Opa-Verkleidung perfekt zu machen; Elīna Brasiliņas in groben Kreidestrichen gefertigten Illustrationen dazu lassen uns schmunzeln und machen Spaß.

Um ein ernsteres Thema geht es in Micha Friemels „Oma Erbse“. Darin ist Oma (die wir schon aus dem Bilderbuch „Lulu in der Mitte“ kennen) alt und krank geworden. Mama weint. Das Thema Tod steht im Raum, aber niemand spricht darüber, um die Kinder zu schonen. Dabei können die das ganz gut aushalten und haben ihre sehr eigene Vorstellung davon, was nach dem Tod passiert. Als die kleine Leonor ihrer Oma davon erzählt, muss diese lachen und kann gar nicht mehr damit aufhören. Über das Unvermeidliche zu sprechen, vielleicht sogar zu scherzen, ist manchen Menschen unerträglich und kann doch so viel Gutes haben: Wir kennen dann die Ängste und Gedanken des anderen genau und können uns bewusst damit auseinandersetzen. Das Sterben gehört zum Leben dazu. Einem geliebten Menschen vor dessen Tod zu sagen, wie lieb man ihn oder sie hat, ebenso. „Oma Erbse“ macht in wunderbarer und gar nicht bedrückender Weise Mut dazu, ein in unserer Welt gern tabuisiertes Thema anzusprechen und damit die Angst abzubauen – bei den Alten ebenso wie bei den Jungen. Die in gedämpften Farben gehalteten pfiffigen Illustrationen von Jacky Gleich passen großartig dazu. Ein Buch, das unbedingt gelesen werden sollte!

Auch Lena Steffinger widmet sich in „Monsteroma“ einem schwierigen Thema. Oma und Papa reden nicht miteinander, Papa schildet sie als Monster. Die kleine Erzählerin macht sich in ihrem Kopf ein gruseliges Bild dazu, aber als sie auf ihr Drängen hin gemeinsam die Oma besuchen, passt das Bild gar nicht. Oma ist einfach eine ältere Dame, die sich anscheinend über ihren Besuch freut. Ein phantasievoll gezeichnetes und sehr nachdenklich machendes Bilderbuch darüber, dass der Dialog zwischen Oma und Enkelin manchmal besser funktionieren kann als der zwischen Eltern und Kindern – und damit ein enorm wichtiger Beitrag, um über verhärtete Familienkonflikte und Sprachlosigkeit nachzudenken und einem Menschen eine neue Chance zu geben.

Über den Autor

Maren Bonacker
Maren Bonacker
Lese- und Literaturpädagogin
Phantastische Bibliothek Wetzlar

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