Wadenkrämpfe

Kardiologen werden häufig gefragt: „Können Sie mir etwas gegen diese schrecklichen Wadenkrämpfe verschreiben?“ Ursache ist die kardiologische Verordnung von entwässernden Medikamenten, die einen wichtigen Bestandteil in der Behandlung von Herzschwäche und Bluthochdruck darstellen. Über einen Flüssigkeitsmangel und/oder Verluste von Mineralstoffen (Elektrolyten) können Muskelkrämpfe entstehen. Weitere Ursachen für Wadenkrämpfe stellen eine Überanstrengung der Muskulatur, Polyneuropathien, Alkohol und Medikamente wie Statine, Psychopharmaka und Östrogene dar.

Dehnübungen werden von den Betroffenen akut zur Unterbrechung des Krampfes eingesetzt. Therapievorschläge zur Vorbeugung gibt es viele. Aber wie gut gesichert und effektiv sind diese Therapien?

Gymnastik: Dreiminütige Dehnübungen der Oberschenkel- und Wadenmuskulatur abends vor dem Zubettgehen mehrfach hintereinander über 10 Sekunden führt zu einem moderaten Rückgang der Häufigkeit und Intensität der Wadenkrämpfe (bei 3 – 4 Krämpfen pro Woche wird es 1 Krampf weniger).

Magnesium: Obwohl häufig eingesetzt, ist die Datenlage hierfür dürftig. Für schwangerschaftsassoziierte Krämpfe gibt es einen möglichen positiven Effekt, für andere Patienten ist in wissenschaftlichen Untersuchungen bislang keine Wirkung nachweisbar gewesen.

Chininsulfat: Chinin wird in hoher Dosis von bis zu 2 Gramm pro Tag als Malariamittel gegeben, als Bittermacher in niedriger Dosis Getränken beigemischt (60 – 80 mg/l) und in einer Dosis von 200 – 400 mg zur Behandlung und Vorbeugung von Muskelkrämpfen eingesetzt (LIMPTAR N). Die Krampfhäufigkeit nimmt um ein Drittel ab, die Krampfintensität um 10 % und die Krampftage gehen um 20 % zurück. Chinin hilft also bei Wadenkrämpfen, aber es gibt fatale Überempfindlichkeitsreaktionen (Hautausschlag, Juckreiz, Quaddeln, Atemnot, Fieber, Abfall der Blutplättchen) und z.T. lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen. In den USA wird von dem Einsatz von Chinin bei Wadenkrämpfen abgeraten, während es in europäischen Ländern gegen Muskelkrämpfe verwendet wird und in Deutschland bis vor kurzem sogar in Apotheken rezeptfrei erstanden werden konnte. Aufgrund der obigen Nebenwirkungen ist LIMPAR N seit dem 01.04.2015 jedoch in Deutschland rezeptpflichtig.

Die Datenlage zu anderen bei Wadenkrämpfen eingesetzten Medikamenten ist noch weitaus dürftiger.

Der Leidensdruck der Patienten ist groß, die verfügbaren Behandlungsoptionen dagegen spärlich. Also bleibt nur ein pragmatisches Vorgehen übrig. Eine ausreichende Flüssigkeits- und Elektrolytzufuhr, das Vermeiden übermäßiger muskulärer Beanspruchung und das versuchsweise Pausieren von potentiell Muskelkrämpfe auslösenden Medikamenten können den Patienten empfohlen werden. Regelmäßige abendliche Dehnübungen als Prophylaxe und das Vermeiden einer Spitzfußstellung beim Schlafen stellen weitere Vorschläge dar. Einen Therapieversuch mit einer erhöhten Magnesiumzufuhr, sei es mit einem Magnesiumpräparat oder mit magnesiumhaltigen Lebensmitteln (1 Banane enthält 100 – 150 mg Magnesium, 100 g Cashew-Nüsse 250 mg Magnesium) ist trotz des fehlenden Wirksamkeitsnachweises gerechtfertigt, da Nebenwirkungen bis auf Durchfall bei zu hoher Magnesiumgabe nicht zu befürchten sind.

 

Über den Autor

Prof. Dr. med. Martin Brück
Prof. Dr. med. Martin Brück
Chefarzt der Medizinischen Klinik I
Klinikum Wetzlar

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