Vorsicht Falle:
Liquid Ecstasy (GHB), ein teuflisches K.-o.-Mittel.
K.-o.-Mittel haben eigentlich das ganze Jahr über eine traurige „Konjunktur“, aber gerade zur „närrischen Zeit“ häufen sich erfahrungsgemäß die Missbrauchsfälle.
Zunächst 2 Fallbeispiele:
Fallbeispiel Raub: Man simuliert in einer Autobahnraststätte eine Geburtstagsfeier unter „Landsleuten“. Ein mit einem hochwertigen Auto zufällig vorbeikommender Angehöriger derselben Volksgruppe wird animiert, doch kein Spielverderber zu sein und ein Gläschen, in dem sich das K.-o.-Mittel befindet, auf das Wohl des Geburtstagskindes zu trinken. Der Pkw wird anschließend geraubt und das bewusstlose Opfer neben einem Parkplatz „abgelegt“, wo es in der Frostnacht erfriert.
Fallbeispiel Sexualdelikte (Verwendung als „date rape drug“)
Diese Fälle spielen sich weniger in Diskotheken ab, da man mit dem Opfer ja „privat noch etwas vor hat“ und man es beispielsweise auch nicht ohne weiteres Aufsehen zu erregen heraustragen kann.
Das Opfer wird vielmehr nach Möglichkeit in eine Wohnung gelockt („wir wollen noch ein Gläschen trinken“) und das K.-o.-Mittel während einer kurzen Abwesenheit des Opfers (z.B. dem Gang zur Toilette) in das Glas gegeben.
In einem besonders makabren Fall wurden an einem mit GHB betäubten Mädchen widerwärtige Missbrauchshandlungen vorgenommen und als Clips in das Internet gestellt. Anschließend wurden Mitschüler aufgefordert, sich die Szenen zur „Belustigung“ anzusehen.
Früher wurden häufig Benzodiazepine, meist Flunitrazepam (z.B. Rohypnol®), als K.-o.-Mittel missbräuchlich benutzt. Inzwischen hat jedoch „Liquid Ecstasy“ diese Rolle übernommen.
Liquid Ecstasy (GHB) ist eine Droge, die wegen ihren besonderen Eigenschaften das „ideale“ K.-o.-Mittel darstellt. Es handelt sich um eine - verglichen mit den meisten anderen Drogen - relativ einfache chemische Struktur, nämlich Gammahydroxybutansäure (GHB). Die illegale Herstellung ist daher nicht besonders problematisch.
Liquid Ecstasy ist strukturchemisch mit dem „üblichen Ecstasy“ (MDMA) oder den wirkungsähnlichen Drogen MDA MDEA / MDE nicht verwandt. Es ist flüssig und wird in kleinen Plastik-Ampullen oder Flaschen illegal vertrieben. Die Substanz ist farb- und geruchlos. Im Gegensatz zu anderen K.-o.-Mittel mit häufig bitterem Geschmack, wird GHB höchstens als leicht salzig empfunden, wobei dieser Eindruck meist durch den Eigengeschmack der Getränke überdeckt (maskiert) wird. Schließlich muss GHB nicht gespritzt werden, d.h. der Täter kann es z.B. in einem Getränke dem Opfer unbemerkt beibringen. GHB wirkt euphorisierend, antriebsteigernd, entspannend, sexuell stimulierend, einschläfernd und verwirrend. Mit einem Wirkungseintritt kann bereits ca. 15 Minuten nach Einnahme gerechnet werden. GHB ist biochemisch mit dem für die Reizleitung im Nervensystem zuständigen Botenstoff Dopamin, dem sog. „Glückshormon“, verwandt.
GHB verfügt über eine geringe sog. therapeutische Breite, d.h. der Abstand zwischen einer oft als angenehm empfundenen und der hochtoxischen bis letalen Wirkung ist äußerst gering worin die besondere Gefährlichkeit begründet ist.
Für die meisten illegalen Drogen, nicht aber für GHB, existieren einfache und preiswerte immunchemische Nachweisverfahren (sog. Screeningtests), die teilweise bereits von der Polizei vor Ort eingesetzt werden können. Screening und Nachweis von GHB sind dagegen sehr aufwändig und erfordern Analysenverfahren, die nur in speziellen Laboratorien verfügbar sind. Aber selbst mit diesen Nachweismethoden kann GHB nur bis zu wenigen Stunden nach der Tat festgestellt werden.
Nachweisbarkeit von „Liquid Ecstasy“ (GHB) in Blut und Urin: Der analytische Nachweis von GHB ist wegen der kurzen Eliminationshalbwertszeit nur innerhalb eines engen sog. diagnostischen Fensters möglich. Dieses ist für Blut maximal bei etwa 8 Stunden und für Harn maximal bei etwa 20 Stunden nach der Verabreichung anzusetzen.
Opfer von K.-o.-Mitteln wachen häufig erst Stunden nach der Tat auf. Die Erinnerungen kommen wenn überhaupt manchmal nur teilweise und schleppend zurück. Die Geschädigten tragen die quälenden Erinnerungen oft erst tagelang mit sich herum, bevor sie sich Eltern oder Freunden anvertrauen und – meist erst auf deren Rat hin – eine Opferhilfsorganisation, die Polizei, ein Krankenhaus (Gynäkologie) oder ein rechtsmedizinisches Institut aufsuchen. Dadurch sind wichtige Beweismittel (Blutprobe, Abstriche, Dokumentation von Verletzungen) in vielen Fällen nicht mehr zu sichern. Dieser Umstand führt nicht selten sogar zu dem Vorwurf, das Opfer habe sich etwas zusammengereimt, um ein evtl. spätes Heimkommen von der Disko oder längeres Fernbleiben vom Elternhaus zu kaschieren.
Grundsätzlich wäre auch zu erwägen, ob ein Nachweis von GHB in den Haaren möglich ist, denn die Haaranalytik zahlreicher Drogen stellt inzwischen ein etabliertes und bewährtes Verfahren dar. Allerdings werden Medikamente und Drogen meist wiederholt aufgenommen, während die Beibringung von K.-o.-Mitteln in der Regel nur einmalig erfolgt, was wiederum den Nachweis erschwert. Dennoch gibt es inzwischen auch Verfahren zur Detektion von GHB in Haaren, die jedoch einen noch größeren geräteapparativen Aufwand erfordern.
Zum Schluss noch einige wichtige Ratschläge
· Getränke niemals unbeaufsichtigt lassen
· Besser getrennt zur Toilette gehen
· Notfalls ein neues Getränk bestellen
· Unmittelbar nach einem auch nur vermuteten Ereignis Kontakt mit Eltern, Beratungsstellen, Polizei (Kripo) und Krankenhaus aufnehmen. Sonst ist häufig kein Nachweis mehr möglich!
· Die meist erforderlichen Glaubwürdigkeitsgutachten zeitnah einleiten, damit Erinnerungen (soweit vorhanden) noch möglichst „frisch“ sind.
Über den Autor
Forensischer Toxikologe
Institut für Rechtsmedizin der Universität Gießen