Arzneiform Zäpfchen

Zäpfchen, lateinisch Suppositoria, sind eine sehr alte Arzneiform. Es handelt sich dabei um zylindrisch bis kegelförmig geformte Zubereitungen, die zum Einführen in den Mastdarm (Rektalzäpfchen) oder die Scheide (Vaginalzäpfchen) bestimmt sind. Schon im Alten Ägypten wie auch im antiken Griechenland waren zäpfchenartige Zubereitungen bekannt, die meist unter Verwendung von Fett, Talg, Wachs, Harz oder Honig gefertigt und mittels Seide oder Leinen in Form gebracht wurden. Früh bekannt war die Anwendung von Seifenzäpfchen als Abführmittel. Im Mittelalter ist auch die rektale Gabe von Opium oder Schöllkrautextrakten bei Durchfällen belegt.

In der Mitte des 18. Jahrhunderts setzte sich die Verwendung von Kakaobutter (Ol. Cacao) als Zäpfchengrundlage durch. Kakaobutter schmilzt bei 31 – 34oC, also jedenfalls bei Körpertemperatur. Sie ist chemisch und physiologisch indifferent, hat Emulgatoreigenschaften und kann somit lipo- wie auch hydrophile Lösungen aufnehmen. Wird sie bei der Zäpfchenherstellung jedoch auch nur einmalig über 36oC erwärmt, bilden sich Modifikationen, die erst bei sehr niedrigen Temperaturen wieder erstarren. Bei der Herstellung von Kakaobutterzäpfchen darf also keinesfalls über 34oC erhitzt werden. Außerdem wird Kakaobutter leicht ranzig.

 

 

Heute werden Zäpfchen fast ausschließlich mit Hartfett (Adeps solidus) als Grundlage gefertigt, das halbsynthetisch aus Palmkern- und Kokosfett gewonnen wird. Es ist ebenfalls völlig indifferent, wird kaum ranzig und ist daher besser haltbar. Lediglich bei der Herstellung von Vaginalkugeln wird manchmal noch eine Gelatine-Glycerin-Grundlage benutzt.

Hartfett besteht chemisch aus Mono-, Di- und Triglyceriden gesättigter C10- bis C17-Fettsäuen, wobei die Mono- und Diester Emulgatoreigenschaften haben und daher die Bildung von Emulsionen ermöglichen. Hartfett schmilzt bei 33 – 36oC und kann höher erhitzt werden (Cremeschmelze oder Klarschmelze) als Kakaobutter.

 

Je nach Eigenschaften des zu verarbeitenden Wirkstoffes kann man Lösungs-, Emulsions- oder Suspensionszäpfchen herstellen. Ist der Wirkstoff in der Zäpfchenmasse weder löslich noch emulgierbar, entsteht eine Suspension, in der die Partikel sedimentieren. Um dies im Herstellungsprozeß zu verhindern, muß beim Ausgießen der Masse in die Form eine Temperatur gewählt werden, die ein sehr schnelles Erstarren ermöglicht, da sonst keine gleichmäßige Wirkstoffverteilung gegeben ist (Cremeschmelzverfahren). Da die Sedimentationsgeschwindigkeit im Quadrat mit dem Teilchenradius wächst (Stoke´sches Gesetz), ist auf eine extrem feine Pulverisierung des Wirkstoffes zu achten. Ist der zu verarbeitende Wirkstoff hitzeempfindlich, kann mit Kakaobutter oder Hartfett ohne Wärmeanwendung in einer Zäpfchenpresse gearbeitet werden.

 

 

Zäpfchen haben viele Vorteile gegenüber oral zu applizierenden Arzneiformen. Zunächst wird der Magen umgangen, was bei Wirkstoffen wie Ibuprofen oder Diclofenac günstig sein kann. Wirkstoffe können auch bei Schluckbeschwerden, im Krampfanfall oder bei bewusstlosen Patienten gegeben werden. Natürlich fällt auch das Empfinden unangenehmen Geschmacks weg. Auch bei Übelkeit und Erbrechen ist die Gabe von Zäpfchen sinnvoll, da Tabletten oder Säfte oft wieder erbrochen werden. Und Kindern, die keine Tabletten oder Säfte schlucken wollen, können Schmerz- und Fiebermittel problemlos rektal verabreicht werden. Man kann schon Säuglinge daran gewöhnen und erspart sich damit später manche „Debatte“, weil der Saft nur genommen wird, wenn er nach Himbeere schmeckt o.ä. Hinzu kommt die teilweise Umgehung des sog. „First-Pass-Effektes“. Wird ein Wirkstoff oral gegeben, erfolgt die Resorption im Magen oder im Dünndarm, der Wirkstoff gelangt zunächst über das Pfortadersystem in die Leber, wo er bereits zum Teil metabolisiert (d.h. umgewandelt und teilweise abgebaut) wird; es gelangt also nur eine verringerte Dosis zur Wirkung. Gibt man den Wirkstoff rektal, wird dieser Effekt teilweise vermieden, da das venöse Blut aus dem Enddarm nur teilweise über die Leber abgeführt wird. Es kommt also mehr Wirkstoff zum Wirkort. Unabdingbar ist die Gabe von Zäpfchen oder Salben bei der Behandlung lokaler Beschwerden wie Hämorrhoiden, Fissuren etc. Auch bei Verstopfung wirken rektal applizierte Arzneimittel wesentlich schneller, Entleerung erfolgt oft nach 5 bis 20 Minuten gegenüber 8 bis 12 Stunden „Vorlaufzeit“ bei oraler Gabe von Abführtropfen oder -tabletten.

 

 

Zum Abschluss noch zwei praktische Tipps: Bei der Anwendung von Zäpfchen ist zu beachten, dass man das Zäpfchen durchaus mit der stumpfen Seite voran in den After einführen kann. Dadurch wird – gerade bei kleinen Kindern – verhindert, daß das Zäpfchen schnell wieder herausgedrückt wird. Das Einführen geht leichter, wenn man das Zäpfchen vorher in (lauwarmes) Wasser eintaucht; es rutscht dann besser.

 

Über den Autor

Dr. Karl-Heinrich Horz
Dr. Karl-Heinrich Horz
Apotheker

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