Wenn der Darm nicht arbeiten will
Chronische Verstopfung – ein häufiges und oft tabuisiertes Thema
Es ist unangenehm und fast jeder hat es schon mal erlebt. Wenn sich der Bauch mehr und mehr füllt, der Darm sich aber nicht bzw. nur allmählich unter großer Anstrengung entleeren will. Für nicht wenige Menschen besteht dieses Problem dauerhaft. Die Zahl der Betroffenen liegt in Europa je nach Datenerhebung bei ungefähr 15% wobei ältere Menschen und Frauen überrepräsentiert sind.
Wann liegt eine chronische Verstopfung (chronische Obstipation) vor?
Damit in der Medizin von einer chronischen Obstipation gesprochen wird, sollten die Beschwerden seit mindestens drei Monaten bestehen. Die als normal geltende Stuhlfrequenz kann zwischen 3x pro Tag und 3x pro Woche liegen. Typisch für eine Obstipation sind weniger als 3 spontane Stuhlgänge pro Woche, wenn in mehr als ¼ der Fälle der Stuhlgang klumpig oder hart ist, starkes Pressen erforderlich ist, das Gefühl einer unvollständigen Stuhlentleerung bestehen bleibt oder bei der Stuhlentleerung manuell nachgeholfen werden muss.
Selbsttherapie oder ärztliche Hilfe?
Hinter einer chronischen Verstopfung kann eine Vielzahl von Ursachen stehen. Sie kann als Nebenwirkung von Medikamenten auftreten, ist bei einigen starken Schmerzmittel oft vorhanden. Obstipation ist ein häufiges Symptom vieler Nerven-, Stoffwechsel- oder Systemerkrankungen. Bei Morbus Parkinson tritt sie nicht selten als Frühsymptom auf, noch bevor die Erkrankung erkannt wird. Schließlich kann die Ursache der Verstopfung auch im Darm selbst liegen. Eine genaue Klärung der Beschwerden im Zusammenhang mit der bisherigen Krankengeschichte, der Medikation und einer ärztlichen Untersuchung ist daher unbedingt anzuraten. Sofern sich Hinweise auf eine Darmerkrankung ergeben oder die empfohlene Vorsorgekoloskopie noch aussteht, sollte letztere durchgeführt werden. Eine Darmspiegelung ist jedoch nicht immer erforderlich. Die Untersuchung des Stuhlganges auf Bakterienkulturen oder Pilze ist an dieser Stelle übrigens sinnlos.
Allgemeine Maßnahmen bei chronischer Obstipation
Inaktivität fördert die Obstipation. Daher wird eine altersentsprechende körperliche Aktivität empfohlen. Bei Übergewicht wirkt sich auch eine Gewichtsabnahme günstig aus. Eine gesteigerte sportliche Aktivität hat per se jedoch keine Auswirkung auf die Darmtätigkeit. Bewährt hat sich auch eine tägliche Trinkmenge von 1,5 bis 2 Litern. Die Ernährung sollte ballaststoffreich sein. Die Ballaststoffzufuhr lässt sich durch einen reichlichen Verzehr von Gemüse und Obst sowie Vollkornprodukte steigern. Wenn dies nicht ausreicht, können Ballaststoffe zusätzlich z.B. in Form von Flohsamenschalen oder Weizenkleie eingenommen werden. Als Richtwert hat sich die Einnahme von ca. 30 g Ballaststoffen pro Tag bewährt.
Probiotika, Präbiotika und Synbiotika
Probiotika enthalten lebende Mikroorganismen. Präbiotika sind Produkte, die das Wachstum bereits im Darm befindlicher Mikroorganismen fördern. Synbiotika beinhalten eine Kombination aus Probiotikum und Präbiotikum. Das bekannteste Beispiel eines probiotischen Lebensmittels ist der Joghurt. Pro- Prä- und Synbiotika werden aber auch als Nahrungsergänzungsmittel angeboten. Sie können einen positiven Effekt auf die Darmtätigkeit haben.
Medikamentöse Behandlung der Obstipation
Führen die genannten Maßnahmen nicht zum gewünschten Erfolg, können (i.d.R. zusätzlich) Medikamente eingesetzt werden. Hier sollte eine ärztliche Beratung vorangehen. Als erste Wahl gelten Macrogole, Natriumpicosulfat und Bisacodyl. Diese Substanzen können auch langfristig eingenommen werden, ohne den Darm zu schädigen. Als Alternative können auch bestimmte Zucker und Zuckeralkolhole wie Lactulose, Lactitol und Sorbit oder Antrachinone eingesetzt werden. Die Substanzen können auch kombiniert werden. Helfen auch diese Maßnahmen nicht, kann Prucaloprid als Reservemittel eingesetzt werden. Wegen möglicher schwerer Nebenwirkungen wird von Parafinöl und von Salinischen Laxantien (z.B. Magnesiumhydroxid) abgeraten.
Besondere Konstellationen oder wenn nichts geholfen hat
Liegt die Ursache der Verstopfung in einer Entleerungsstörung des Enddarmes können auch Zäpfchen oder Klysmen helfen. Bei wenigen Patienten ist eine spezielle apparative Untersuchung der Enddarmfunktion und des Schließmuskels (anorektale Manometrie) erforderlich um die Ursache nachzuweisen. Versagen alle genannten Maßnahmen und nimmt die Verstopfung ist die Verstopfung bedrohlich kann in sehr seltenen Fällen und als letzte Option eine operative Entfernung von Teilen des Darmes erforderlich werden.
Über den Autor
Chefarzt Innere Medizin
Dill-Kliniken