Chirurgischer Ratgeber:

Wenn der „Blinddarm links liegt“
Akute Bauchschmerzen mit dringlicher Operationsindikation

Wieso liegt ein Blinddarm links, der liegt doch rechts im Unterbauch, „das weiß man doch“!

Das stimmt zunächst prinzipiell. Also ruft man Google auf und gibt die Frage ein. In Sekundenschnelle antwortet dieser „schlaue Ratgeber“; so brauchte man den Beitrag gar nicht mehr schreiben.

Rückerinnerung

Ihr „Chirurgischer Ratgeber“ will es Ihnen dennoch vermitteln. Als es noch keinen hochauflösenden Ultraschall oder computergesteuerte Bildgebung vom Bauchraum gab, wurde mit den Händen die Diagnose einer akuten Erkrankung gestellt, das war noch vor 30 Jahren Alltag. Und es gab keine Kamera, die durch die Bauchdecke eingebracht, feststellen kann, wie schlimm es ist und um was es sich handelt.

Man musste nur lange genug den Beruf des „Bauchchirurgen“ ausführen, dann kam die Situation, dass man den immer (?) rechts liegenden Blinddarm mit einer entsprechenden Schnittführung rechts am Bauch „suchte“ und nicht fand. Ach, hätte man nur in der Mitte des Unterbauches geschnitten, dann wäre es einfach gewesen, den Schnitt entsprechend zu verlängern, bis man am Ziel war. Ältere Menschen, die bis etwa 1990 „am Blinddarm operiert wurden“, haben am Bauch oft sehr große Narben, die auch viel Ärger gemacht hatten, weil sie damals so schlecht heilten („da war alles vereitert“).

„Situs inversus“ eine „Bauchfalle“ für den Chirurgen

Herz, Leber oder Milz und eben auch der Darm können spiegelbildlich vertauscht sein, das Wunderwerk Mensch funktioniert trotzdem tadellos, es ist per se nicht krankhaft.

Nur das fehlende Wissen über eine seitenverkehrte Organverteilung bringen Patient und Arzt mitunter in eine prekäre Lage.

Und das war „früher“ wesentlich komplizierter, ohne die fehlenden technischen und diagnostischen Möglichkeiten.

Akute Divertikel-Entzündung des Dickdarmes

Plötzlich schmerzt der Bauch links, eine gefährliche entzündliche Erkrankung im Bauch verursacht links im Mittel- bis Unterbauch zuerst den Schmerz, sie nennt sich Dickdarm-Divertikel-Entzündung.

Differentialdiagnostisch spielen linksseitige Harnwegsinfekte mit Koliken und frauenärztliche Erkrankungen die Hauptrolle (Tabelle).

Was ist ein Dickdarm-Divertikel?

Bei einem Divertikel wölbt sich die Darminnenwand nach außen. Die Wand des Divertikels ist ganz dünn, weil die muskulären Schichten der Darmwand fehlen. Die Ausstülpung bereitet jedoch keine Beschwerden. Eine Anhäufung von Divertikel bezeichnet man als Divertikulose.

Wenn die Divertikel Beschwerden machen oder zu Komplikationen führen, handelt es sich um die Divertikelkrankheit. Entzünden sich die Ausstülpungen, spricht man von Divertikulitis.

Wo liegen die Dickdarm-Divertikel?

Die Hauptlokalisation ist das „Sigma“, der unterste Abschnitt des Dickdarmes, der in den Mastdarm übergeht, aber auch der vorausgehende Dickdarm kann betroffen sein, ein generalisierter Dickdarmbefall ist selten, ebenso selten der Befall des Dünndarmes.

Bei Routine-Krebsvorsorge-Untersuchungen werden Divertikel bei der Koloskopie sehr oft gesehen, ohne Beschwerden besteht aber keine Indikation für Operationen.

Ohne Beschwerden kommen die wenigsten Menschen auf die Idee, sich einer Darmdiagnostik zu unterziehen, so trifft uns die Erkrankung aus dem heiteren Himmel.

Mit zunehmendem Lebensalter steigt auch die Erkrankungshäufigkeit. 10 bis 25% der „Divertikel-Träger“ entwickeln eine Entzündung, bei 5% kommt es zu einer komplizierten Form der Divertikulitis.

Stadiengerechte konservative und operative Behandlung

In den letzten Jahren hat sich die Therapie der akuten Divertikulitis zunehmend gewandelt.

Die Leitlinie S2k, im Jahre 2014 mitgeteilt, empfiehlt eine Stadien angepasste Strategie.

Bei der akuten unkomplizierten Divertikulitis wird eine primär konservative Therapie empfohlen. Der Nutzen einer antibiotischen Behandlung ist nicht eindeutig belegt, wird aber eher doch durchgeführt.

Wenn es gelingt, durch konservative Methoden die Entzündung zu heilen, besteht wegen der nur geringen Rezidivrate keine Operationsindikation für einen Eingriff im beschwerdefreien Intervall.

Die akute Divertikel-Entzündung kann sich leider auch sofort mit einem Abszess „melden“. Dann ist schnelles Handeln erforderlich.

Durch die moderne Diagnostik des Bauch-Computertomogramms (CT) und hochauflösende Ultraschall-Diagnostik kann ein Abszess sofort gesehen werden und es wird seine Größe bestimmt, der zur „leitliniengerechten“ Behandlung führt.

Kleine Abszesse (bis 1 cm, „Mikroabszess“) heilen meist ohne operative Behandlung, größere Abszesse müssen streng beobachtet werden (Stationäre Behandlung, kurzfristige Sonografie-Kontrollen, Antibiotika, Nahrungskarenz, Infusionen).

Bei Bauchfellentzündung ist rasches Handeln erforderlich

Bei freiem Durchbruch eines Abszesses spricht man von „freier Perforation“, der Betroffene ist tatsächlich in großer Gefahr und es besteht die Pflicht zur sofortigen Operation mit den dann vom Befund abhängigen Maßnahmen, die schwerwiegend sein können.

Gelingt tatsächlich eine konservative Behandlung der größeren Abszesse, sollte dann im „freien Intervall“ eine routinemäßig ausgeführt Teildickdarm-Entfernung des betroffenen Abschnittes erfolgen.

Schnelles Handeln vermeidet Komplikationen, bei linksseitigem Bauchschmerz heißt es besonders wachsam zu sein!

 

Häufige Ursachen für akuten Bauchschmerz

akute „Blinddarmentzündung“

Gallenkolik

akute Darmentzündung durch geplatztes Divertikel (Divertikulitis)

Bauchspeicheldrüsenentzündung

Magendurchbruch

Darmentzündungen (Morbus Crohn, Colitis ulzerosa)

Nierenkolik

Frauenärztliche Erkrankungen wie Eierstockentzündung

Herzinfarkt

Geplatzte Hauptschlagader (Aortenaneurysma)

Verschluss eines Darmgefäßes (Mesenterialgefäßverschluß)

Einklemmungen des Darmes (Briden-Darmverschluss)

 

 

Über den Autor

Dr. med. Klaus-Dieter Schiebold
Dr. med. Klaus-Dieter Schiebold

Bildergalerie

Aktuelle Ausgabe04.04.