Suchtmittel: Internet

Darstellung der suchtmittelbezogenen Verbrauchsdaten in der Bevölkerung –

Teil 4 Internetsucht - Gaming

Andere Zeiten, andere Verhaltensweisen. Kürzlich hat ein Moderator, noch in der „Vor-Corona-Zeit“, sein Publikum gefragt: „Schätzen Sie einmal wie viele WhatsApp Nachrichten wurden in der letzten in Deutschland stattfinden Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland versandt? Man sah förmlich, wie alle anfingen zu rechnen und sich nur über die Höhe der geschätzten Zahl Gedanken machten. Als dann die Antwort kam, nämlich 0, da das Programm erst 2009 auf den Markt kam, sah man sehr großes Erstaunen.

Seit dieser Zeit ist viel passiert. Mittlerweile sprechen wir von der „Generation Google“ oder „Generation Smartphone“ oder auch von so genannten „Digital Natives“. Prof. Betz hat mit einer Arbeitsgruppe an der Technischen Hochschule Mittelhessen (THM) zu der Veränderung der Konsumgewohnheiten im Umgang mit digitalen Medien eine interessante Untersuchung durchgeführt. Die Zahlen davon sind, aus meiner Sicht, sehr bemerkenswert. So hat die Arbeitsgruppe festgestellt, dass der durchschnittliche Konsum digitaler Medien pro Tag bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen bei 8,14 Stunden liegt. (diese Zeiten wurden während der Corona Pandemie doch sehr deutlich getoppt) Dies entspricht etwa der Hälfte der wachen Zeit am Tag. Sicherlich nicht erstaunlich ist, dass das Smartphone mit fast 3 Stunden am Tag Nutzung, davon den größten Raum einnimmt. Fragt man sich, was mit digitalen Medien gemacht wird, so muss man zwischen Mädchen beziehungsweise jungen Frauen und Jungen beziehungsweise jungen männlichen Heranwachsenden unterscheiden. Während der männliche Part sich eher mit Internetspielen beschäftigt, bewegen sich die jungen Frauen eher auf den Plattformen der Kommunikation.

Wichtig ist mir dabei, jetzt nicht mit erhobenem Zeigefinger dazustehen und die junge Generation als ausschließlich Internetsüchtige darzustellen, die nichts anderes mehr praktizieren oder im Kopf haben, sondern, für mögliche Risiken zu sensibilisieren.

Wie auch bei anderen Verhaltensweisen spielt wieder die Dosis die entscheidende Rolle bzw. die Funktionalität, d.h. „Wie benutze ich die Medien“, „Was bekomme ich davon“, aber auch, „Was blende ich damit aus“.

Internetspiele zum Beispiel bergen die große Gefahr in eine Einbahnstraße zu gelangen, sich ausschließlich auf diese Spiele zu fixieren, in eine Scheinwelt abzudriften und dabei sowohl andere soziale Kontakte als auch Interessen und Aufgaben, die bestehen, massiv zu vernachlässigen.

Oftmals wird auch die Schwelle für reales aggressives Verhalten reduziert und verharmlost. Die Betroffenen selbst geraten zunehmend in eine Isolation und benötigen Hilfe und Anregungen von außen, um das eigene Verhalten zu reflektieren und aufmerksam dafür zu werden, was eigentlich passiert.

Mittlerweile gibt es eine Reihe von guten wissenschaftlichen Untersuchungen die eine Beziehung zwischen schulischen Verhalten, bzw. schulischen Erfolg und dem Grad der Beschäftigung mit Internetspielen aufzeigen. In diesen Untersuchungen wird sehr deutlich, dass gerade Jungen gegenüber Mädchen, die zumindest, wenn auch über das Netz, soziale Kontakte pflegen, mit ihren schulischen Leistungen stark ins Hintertreffen geraten.

Dazu kommen körperliche Beschwerden wie Schlafstörungen, Haltungsschwächen, Übergewicht und sehr oft auch der Konsum von aufputschenden Getränken und Mitteln um möglichst lange durch zu halten.

Diese Entwicklung hat dazu geführt, dass erstmals in dem Katalog aller festgestellten Diagnosen in der nächsten Auflage (ICD 11) die Computerspieleabhängigkeit als eigene Krankheit aufgeführt werden wird.

Dies ist sicherlich die Spitze des Eisbergs und muss, was vorbeugende Maßnahmen, Aufklärung und Behandlungsangebote anbetrifft auch beachtet werden. Noch wichtiger ist meiner Ansicht nach jedoch, dass wir alle zusammen eine neue Balance zwischen „neuem Verhalten“ und damit verbundenen Gefahren finden. Wenn diskutiert und praktiziert wird, dass Tablets bereits im Kindergarten eine Rolle spielen, so kann dies zum gesundheitsbewussten, zeitgemäßen Umgang mit den neuen Medien beitragen, bedeutet aber auch, dass Eltern, Erzieher, später Lehrer wirklich an einem Strang ziehen müssen.

Dabei sind Kampagnen wie „genau hinschauen“, oder auch andere, die zum bewussten Umgang mit den Medien aufrufen, extrem wichtig. Information, Kommunikation und aktive Auseinandersetzung mit den neuen Medien JA, bloßes Zeit tot schlagen, abdriften in eine Scheinwelt und Vereinsamung NEIN!

Weitere Informationen finden Sie unter: BzgA Internetabhängigkeit

 

Über den Autor

Dr. Thomas Klein
Dr. Thomas Klein
Dr. Thomas Klein
Stellv. Geschäftsführer Fachverband Sucht e.V. Bonn

Bildergalerie

Aktuelle Ausgabe04.04.