Arzneiform Kapsel

Der heutige Artikel beschäftigt sich mit Kapseln, einer Arzneiform, die Sie alle kennen und vermutlich auch fast alle schon eingenommen haben. Kapseln sind elastische Hohlkörper, die meistens aus Gelatine bestehen (in den letzten Jahren wird auch zunehmend Hydroxypropylmethylcellulose, HPMC, verwendet) und mit festen oder viskos-flüssigen Arzneistoffen befüllt werden. Prinzipiell unterscheidet man Hartgelatine- und Weichgelatinekapseln.

Gelatine

Gelatine besteht aus tierischen Proteinen, ist also ein aus verschiedenen amidartig verknüpften Aminosäuren aufgebautes Makromolekül. Sie wird durch Hydrolyse von Kollagen gewonnen, das in allen Bindeweben, Knochen und Sehnen vorkommt. „Hauptrohstoff“ sind bei uns Schweineschwarte und Rinderspalt, entsprechend wird Schweine- oder Rindergelatine erhalten. Gelatine quillt in Wasser auf und löst sich beim Erwärmen. Ab einer Konzentration von ca. 1,5 % entstehen durchsichtige, elastische Gele, die sich beim Erhitzen verflüssigen und beim Erkalten wieder erstarren. Wird Gelatinelösung zu lange erhitzt oder gekocht, geht der Geliereffekt durch Zersetzung der Proteine verloren. Aus der Verwendung von Gelatine in der Küche sind diese Eigenschaften sicherlich auch vielen Lesern bekannt. Sie erklären auch, warum sich Gelatine so gut als Kapselmaterial eignet: Sie ist geschmack- und geruchlos, läßt sich mit Speichel gut benetzen und damit kapselförmig gut schlucken, sie löst sich in Wasser gut auf, gibt also nach dem Schlucken im Magen den enthaltenen Wirkstoff schnell frei. Hartgelatinekapseln lösen sich bei 37 oC (also bei Körpertemperatur) binnen weniger Minuten auf. Kapseln sind auch zur Ummantelung von Wirkstoffen gut geeignet, die schlecht schmecken oder empfindlich gegen Wärme, Feuchtigkeit, Luftsauerstoff oder Licht sind. Alles Parameter, die die Verpressung eines Wirkstoffes in Tabletten verhindern. Das Abfüllen wässriger Lösungen ist in Gelatinekapseln nicht möglich, da sie die Kapselhülle auflösen würden.

Hartgelatinekapseln

Hartgelatinekapseln sind oblongförmige Hohlkörper mit abgerundeten Böden, die es in wenigstens 8 standardisierten Größen gibt, deren Volumina um den Faktor 10 differieren.

Sie bestehen aus zwei Hälften, die sich ineinanderschieben lassen. Ein eingepresster Verschlußring ermöglicht ein „Einschnappen“, sodaß die gefüllte und verschlossene Kapsel nicht wieder aufgehen kann. Durch kleine Kanäle im Kapselboden, sogenannte Airvents, wird bei maschinellem Verschluß der Kapseln ein schneller Luftaustritt sichergestellt.

Falls notwendig, können die verschlossenen Kapseln auch versiegelt werden, sodaß man sie nicht mehr in Hälften auseinanderziehen kann. Dies geschieht durch das Versprühen einer Verschweißlösung und anschließendes leichtes Erwärmen (s. Abb.).

Das Befüllen von Hartgelatinekapseln ist in der Rezeptur jeder Apotheke möglich. Dafür ist eine „Kapselmaschine“ vorhanden, die aus zwei gelochten Brettern, einem Andrückmechanismus und einer Abdeckung besteht. Die Leerkapseln werden durch beide Lochbretter gesteckt, durch Andrücken fixiert und durch Herausheben des oberen Lochbrettes alle gleichzeitig geöffnet. Dann werden die unteren Kapselhälften mit der Wirkstoffmischung in Pulverform befüllt und wieder verschlossen. Im Apothekenalltag wird diese Methode immer wieder benötigt, wenn z.B. Arzneistoffdosierungen gebraucht werden, die nicht als Fertigarzneimittel im Handel sind. Das kommt in der Kinderheilkunde öfters vor, wo kleinste Wirkstoffmengen pro kg Körpergewicht benötigt werden und die Dosierung bei Gewichtszunahme permanent angepaßt werden muß. Auch für Haustiere haben wir schon Kapseln gefertigt, wenn die entsprechenden Dosierungen anders nicht verfügbar waren.

Weichgelatinekapseln

Weichgelatinekapseln sind eine ebenfalls häufig verwendete Arzneiform, die sich von den gerade besprochenen Hartgelatinekapseln aber grundlegend unterscheidet. Bei der Herstellung von Weichgelatinekapseln (40-45 % Gelatineanteil) ist der Zusatz von Wasser (30-35 %) und Weichmachern wie Glycerin oder Sorbitol (20-30 %) in größeren Anteilen zwingend notwendig. Der Wassergehalt wird nach dem Herstellungsprozeß durch Trocknung wieder auf ca. 6-8 % reduziert.

Weichgelatinekapseln werden nicht vorgefertigt, sondern entstehen gleichzeitig mit der Befüllung. Meist wird nach dem in der Abbildung dargestellten Scherer-Verfahren produziert.

Dabei wird der zu dosierende Füllstoff (grün) durch Formwalzen (blau) zwischen zwei direkt entstehende Gelatinebänder (schwarz) „eingeschweißt“.

Alle Weichgelatinekapseln haben also eine Schweißnaht, die beim genauen Hinsehen auch sichtbar ist.

In Weichgelatinekapseln können auch ölige Flüssigkeiten abgefüllt werden. Bekannte Beispiele sind ätherische Öle zur Schleimlösung (z.B. in GelomyrtolR, SoledumR), Lebertran oder Kapseln mit öligen Lösungen fettlöslicher Vitamine wie Vitamin D (z.B. VigantolvitR) oder E (z.B. OptovitR). Viele kennen auch noch „Nitrokapseln“ (heute nimmt man meist Spray), die vom Patienten zerbissen werden mußten. Der Wirkstoff Nitroglycerin wurde auf der Zunge freigesetzt und sofort buccal resorbiert, um eine schnelle Gefäßerweiterung und damit einen Blutdruckabfall zu erreichen. Zunehmend wichtig werden Weichgelatinekapseln, in denen Wirkstoffe wie Diclofenac (z.B. Voltaren dolo liquidR) oder Ibuprofen (z.B. Spalt forteR) schon in gelöster Form verarbeitet werden. Der gelöste Wirkstoff wird im Magen freigesetzt und kann sofort resorbiert werden. Die Wirkung tritt dann schneller ein als nach dem Schlucken einer Tablette, aus der der Wirkstoff im Magen erst noch in Lösung gehen muß.

Jetzt wissen Sie ein bißchen mehr über die Kapseln, die Sie immer mal wieder einnehmen. Es sind mit viel Überlegung konstruierte kleine „Kunstwerke“, in denen oft kleinste Mengen hochpotenter Wirkstoffe exakt dosiert sind.

Über den Autor

Dr. Karl-Heinrich Horz
Dr. Karl-Heinrich Horz
Apotheker

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