Aktuelles zur medikamentösen Therapie
der altersbedingten Makuladegeneration (AMD)

Trotz immenser Fortschritte in der Diagnostik und Therapie der altersbedingten Makuladegeneration (AMD) in den letzten Jahren, bleibt diese weiterhin in Deutschland auch im Jahr 2023 die Hauptursache einer schweren Sehbeeinträchtigung, was wiederum zu einer signifikanten Reduzierung der Lebensqualität führen kann.

Grundsätzlich wird zwischen der trockenen (etwa 90% der Betroffenen) und der „feuchten“ AMD (exsudative AMD; etwa 10% der Betroffenen) unterschieden. Während für die exsudative AMD seit etwa Mitte der 2000er Jahre verschiedene Medikamente zur Behandlung zur Verfügung stehen („Spritze ins Auge“), war bisher eine medikamentöse Therapie der trockenen Form der AMD nur in experimentellen und frühen klinischen Studien verfügbar.

Für die exsudative Form werden die mittlerweile sehr bekannten anti-VEGF Präparate Bevacizumab (Avastin®), Ranibizumab (Lucentis®) und Aflibercept (Eylea®) in regelmäßigen Abständen in die betroffenen Augen injiziert, um besonders einen speziellen Wachstumsfaktor, den s.g. VEGF („vaskulären endothelialen Wachstumsfaktor“) zu unterdrücken. Dieser ist für die deutliche Visusbeeinträchtigung durch Gefäßneubildungen, Blutungen und Austritt von Flüssigkeit aus den Netzhautgefäßen in die Netzhaut am Ort des schärfsten Sehens („Makulaödem“) verantwortlich.

Durch die verfügbaren anti-VEGF Medikamente können diese pathologischen Veränderungen in vielen Fällen gut behandelt werden. Innerhalb der letzten 3 Jahre sind weitere, neue reine oder mit weiteren Wirkstoffen kombinierte anti-VEGF-Präparate von den Behörden zugelassen worden, hierunter Brolucizumab (Beovu®) und Faricimab (Vabysmo®) sowie verschiedene Biosimilars („Nachahmermedikamente“) von Ranibizumab, so dass den Patienten und den behandelnden Ärzten mittlerweile ein großes Armamentarium zur Therapie zur Verfügung steht. Durch eine hierdurch mögliche Individualisierung der Therapie werden bessere Therapieergebnisse in Zukunft erwartet. Durch eine proklamierte stärkere Wirksamkeit und/oder längere therapiefreie Intervalle können diese neuen Wirkstoffe für viele Patienten von enormem Vorteil, auch in Bezug auf die Lebensqualität, sein.

Dennoch zeigen verschiedene Studien aus dem klinischen Alltag, dass in vielen Fällen das Optimum der anti-VEGF-Therapie nicht erreicht wird. Von besonderer Wichtigkeit für eine möglichst effektive Therapie ist die frühestmögliche Diagnose und ein unmittelbarer Therapiebeginn; weiterhin eine strikte Therapieadhärenz und -persistenz der Patienten oftmals über viele Monate oder sogar Jahre, die auch ganz regelmäßige Kontrollen im therapiefreien Intervall beinhaltet.

Daher ist es von besonderer Wichtigkeit, dass ältere Patienten bei einer akuten Visusverschlechterung oder einer neu aufgetretenen Verzerrung von geraden Linien („Metamorphopsien“, wie z.B. der Fliesenfugen) sofort augenärztlich untersucht werden. Neben allgemeinen klinischen augenärztlichen Untersuchungen werden mit der optischen Kohärenztomographie (kurz OCT) verschiedene Aufnahmen der Netzhaut angefertigt. Als innovatives und kontaktloses Untersuchungsverfahren hat die OCT, die mit Licht in verschiedenen Wellenlängen arbeitet, die frühe Erkennung und die Therapiesteuerung der anti-VEGF-Therapie in den letzten Jahren revolutioniert und ist für ein leitliniengerechtes Patientenmanagement nach Empfehlungen der ophthalmologischen Fachgesellschaften unverzichtbar.

Erfreulicherweise haben aktuelle Studienergebnisse nun auch für bestimmte Patienten mit der trockenen Form der AMD aufhorchen lassen. Während bei der exsudativen Form, wie oben beschrieben, VEGF getriggerte Gefäßneubildungen, Blutungen und eine Ödembildung im Vordergrund stehen, zeigt sich bei der trockenen Unterform der AMD ein Absterben, eine s.g. Atrophie, der inneren und äußeren Netzhautschichten (s. Abbildung 1). Neuere Studien konnten zeigen, dass eine Störung bzw. eine Imbalance im Komplementsystem hierfür ursächlich zu sein scheint. Bisher konnte das Voranschreiten der Atrophie und eine oftmals konsekutive irreversible Visusreduktion beim Befall des Ortes des schärfsten Sehens (der s.g. Fovea centralis) nicht aufgehalten werden.

Ein für die Ophthalmologie neu getestetes Medikament (Wirkstoff Pegcetacoplan, ein s.g. C3-Komplementinhibitor zur Regulierung der Komplementkaskade), welches dieses Jahr vermutlich vor der Zulassung durch die europäische Arzneimittelbehörde steht, könnte nun das krankhafte Voranschreiten der Atrophie signifikant verlangsamen und/oder aufhalten und somit Patienten mit der trockenen Form als erste wirkliche Therapieoption zur Verfügung stehen. Daher werden die Diagnostik und eine mögliche Progressionsdokumentation nicht nur der exsudativen, sondern auch ganz besonders der trockenen Form der AMD, wichtiger denn je. Auch hier spielt die regelmäßige Diagnostik mittels OCT, die auch die Autofluoreszenz beinhaltet, eine ganz entscheidende Rolle.

Große Aufmerksamkeit in der ophthalmologischen Gemeinschaft wecken aktuell erste experimentelle und frühe klinische Untersuchungen zum Einsatz einer möglichen Gentherapie für beide Unterformen der AMD. Dieses neue Therapieverfahren weckt die Hoffnung, dass durch eine einmalige Applikation ein dauerhaftes Therapeutikum im Auge zur Verfügung steht. Dies würde für alle Injektionspatienten einen sehr großen Schritt vorwärts in Bezug auf die Lebensqualität bedeuten. Erste belastbare und aussagekräftige Ergebnisse von vielen behandelten Studienpatienten sowie eine ggf. mögliche Zulassung durch die Behörden wird gegen Ende des Jahrzehnts erwartet.

 

Fazit:

Regelmäßige klinische und OCT-basierte (Kontroll-) Untersuchungen sind von besonderer Wichtigkeit, um Makulaveränderungen jeglicher Art, und hier besonders in Form der trockenen und/oder exsudativen AMD, frühzeitig zu erkennen und zeitnah einer Therapie zuzuführen. Nur hierdurch kann einer deutlichen und ggf. irreversiblen Sehverschlechterung und konsekutiv einer deutlichen Reduzierung der Lebensqualität der Betroffenen entgegengewirkt werden.

Prävention hilft! Sehen bedeutet Lebensqualität!

Über den Autor

Prof. Dr. med. Thomas Bertelmann
Prof. Dr. med. Thomas Bertelmann
FEBO
Facharzt für Augenheilkunde

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