Arzneiform Gel

Nach einem regenreichen Mai ist es wärmer geworden, der Sommer steht vor der Tür und so erscheint es passend, mal eine Arzneiform vorzustellen, die Sie gerade in der warmen Jahreszeit alle schon verwendet haben, ein Gel. Sei es zur Behandlung von Mückenstichen, bei Verbrennungen, bei kleineren Verletzungen, Druckstellen im Mund - schnell greifen Sie zu einem Gel, das den Juckreiz lindern oder eine wunde Haut- oder Schleimhautstelle bedecken kann. Auch von Ultraschalluntersuchungen beim Arzt kennen es viele Leser; der Arzt trägt ein Gel auf und fährt mit dem Ultraschallkopf darüber. Ebenso werden Gele beim Einführen von Kathetern in die Harnröhre verwendet, die betäubende Wirkstoffe enthalten und zugleich Gleitmittel sind.

Aber was ist ein Gel eigentlich? Warum ist es oft ganz klar, fast durchsichtig, warum kühlt es, warum muß man kein Pflaster mehr darüber machen? Und wozu braucht man es überhaupt bei Ultraschallaufnahmen?

Zunächst leitet sich die Bezeichnung Gel vom Wort Gelatine ab. Diese ist uns in der letzten Ausgabe des Gesundheitskompaß´ schon bei der Herstellung von Kapseln begegnet. Gelatine ist ein makromolekularer Stoff, der eine gute Quellfähigkeit besitzt. Auch andere Substanzen haben diese Eigenschaft und werden daher zur Herstellung von Gelen verwendet, so z. B. Cellulosederivate (Methl-, Ethyl-, Hydroxyethylcellulose), Pektin, Alginat oder hochpolymere Polyvinylalkohole (PVAL) bzw. Polyvinylpyrrolidon (PVP). Auch anorganische Stoffe wie Aerosil (hochdisperses Siliciumdioxid) oder Bentonit (Aluminiumsilikat) können als Gelbildner verwendet werden. Sie alle können Wasser als Flüssigkeit aufnehmen und quellen; es entsteht ein Gel, das je nach zugegebener Wassermenge unterschiedliche Eigenschaften hat. Mit relativ wenig Wasser entsteht eine Gallerte, bei weiterem Wasserzusatz streichfähige Gele, die durchaus 80 % Wasser enthalten können. Dieses Wasser ist in einer Gelmatrix gebunden und kann aus dieser verdunsten, was wir als angenehmen Kühleffekt auf der Haut wahrnehmen. Zurück bleibt ein durchsichtiger Film, der von der Haut abgezogen oder abgewaschen werden kann. Der hohe Wassergehalt bedingt leider eine schlechte Haltbarkeit, da das Risiko einer Verkeimung hoch ist. Dem wird durch Zusatz von Konservierungsmitteln vorgebeugt. Meist verwendet man Parabene in Konzentrationen deutlich unter 0,1 %. Auch Feuchthaltemittel werden einem Gel zugesetzt. Sie geben dem Gel eine höhere Streichfähigkeit und schützen vor möglicher Austrocknung. Meist werden mehrwertige Alkohole wie Glycerin, Ethylen- der Propylenglykol verwendet. Zur Herstellung eines Geles braucht man also einen Gelbildner, Wasser, Feuchthaltemittel und Konservierungsmittel. Ein Ultraschallgel wäre damit schon fertig, denn es enthält keinen Wirkstoff. Es dient lediglich dazu, daß zwischen Haut und Ultraschallkopf keine Luftschicht vorhanden ist, die die Übertragung der Schallwellen stört.

Als Arzneimittel verwendete Gele enthalten natürlich noch einen entsprechenden Wirkstoff. Gele gegen Mückenstiche enthalten ein Antihistaminikum; sehr gebräuchlich sind Dimetinden oder Bamipin. Möchte man mit einem Gel oberflächlichen Schmerz lindern, wird ein Lokalanaesthetikum eingearbeitet, z.B. Lidocain, Prilocain. Solche Wirkstoffe finden sich in Gelen zum Legen von Kathetern, in Mundgelen gegen Aphten oder Druckstellen, in Gelen zur Hautbetäubung bei Tätowierungen, Stechen beim Impfen, zur Linderung von Verbrennungsschmerz oder zur Vorbereitung von kleineren Hautoperationen etc.

Auch in anderen Bereichen sind Gele wichtig, z.B. in Verbandauflagen für schlecht heilende Wunden oder in Windeln, wo die eingearbeiteten Gelbildner (sog. „Superabsorber“) große Flüssigkeitsmengen aufsaugen und zwischen den Stoffschichten ein Gel entsteht.

So viel zum physikalisch-chemischen Phänomen der Gelbildung, das Ihnen in vielen Bereichen des Alltags – und sei es beim Kochen oder Backen – schon begegnet ist.

Über den Autor

Dr. Karl-Heinrich Horz
Dr. Karl-Heinrich Horz
Apotheker

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