Zeckenstichalarm für Kinder und Erwachsene!

FSME-Viren und Borrelien vermehren sich beängstigend rasant

Vom Frühjahr bis in den Herbst hinein ist jeder beim Aufenthalt in der freien Natur vom Stich des „Gemeinen Holzbockes“ gesundheitlich gefährdet. Das weltweit verbreitete Insekt überträgt sowohl das FSME (FrühSommerMeningoEnzephalitis) Virus als auch die bakterielle Borrelie. Die Infektionsrate im Bundesgebiet stieg von 421 Fällen (2021) auf 546 im Jahr 2022 um 30%. Gründe dafür sind sowohl der klimabedingte Temperaturanstieg mit längeren Sonnenzeiten als auch unser enorm gestiegener Drang zu vielfältigen Freizeitaktivitäten samt Reisen in freie und ferne Natur. Damit die Wanderfreude nicht schmerzlich endet, sollte eine aktuelle Aufklärung über die Infektionsrisiken selbstverständlich sein.

Die Zecke „Ixodes rizinus“ ist häufigster Wirt und Brutstätte der Krankheitskeime. Sie lebt in buschigem Gelände mit Gras, Sträuchern, im Unterholz und am Rand lichter Laubwälder genauso wie in gepflegten Parkanlagen und Gärten. Überfallartig überträgt sie mit dem meist nicht schmerzhaftem Stich zur eigenen „Blutmahlzeit“ infektiösen Speichel- wo immer sie unbedeckte Haut wittert - auf Mensch und Tier.

Wie verläuft die FSME-Krankheit?

Im klassischen Fall in zwei Phasen: wenige Tage nach der Infektion kommt es zu grippeähnlichen Symptomen mit Fieber, Unwohlsein, Müdigkeit und Kopfschmerzen, die meist nach wenigen Tagen abklingen. In der zweiten Phase treten neurologische Krankheitsbilder mit Entzündung von Hirnhaut, Gehirn oder Rückenmark auf. Dies betrifft bis zu 50% der Infizierten. Im Kindesalter werden eher leichtere Symptome beobachtet. Chronische Verläufe mit peripheren Nervenlähmungen aber auch Schluck und Sprech- sowie Lern- und Konzentrationsstörungen bei oft eingeschränkter Belastbarkeit treffen auch Kinder und Jugendliche. Tödliche Verläufe sind glücklicherweise eher selten.

Wie verläuft die Lyme-Borreliose/ Erythema migrans oder „Wanderröte“?

Die Borreliose, die natürlich auch im Kindesalter auftritt, ist die häufigste zeckenübertragene Zoonose - als vom Tier übertragene Erkrankung. Wenige Tage bis Wochen nach dem Stich einer mit Borrelien infizierten Zecke kommt es schubartig zu einem wechselnd ausgeprägtem, ringförmig, randbetonten, blassroten, flächenhaftem Exanthem um die Einstichstelle oder als Lymphknotenschwellung insbesondere am Ohr, Brustwarze oder Hoden. Im weiteren Verlauf – oft erst nach Wochen oder Monaten - treten hartnäckige Muskel und Gelenkschmerzen als Arthritis sowie Herzbeschwerden zumeist mit Rhythmusstörungen sowie neurologische Ausfälle z.B. Fazialisparese (Gesichtsnervendefekt) auf. Etwa 1% der Fälle enden tragisch mit dem Tod. Jeder Verdachtsfall wird durch immunologische Laboruntersuchungen abgeklärt und konsequent antibiotisch mit einem Penicillin- Cephalosporin- oder Tetracyclinpräparat (erst ab 12. Lbj) über mindestens 10 Tage behandelt. Gegen die Borreliose gab es bisher (noch) keinen Impfschutz. Ganz aktuell liegt der STIKO ein Zulassungsantrag für einen neu entwickelten Impfstoff vor.

Was tun bei einem Zeckenstich?

Die Zecke muss unverzüglich vorsichtig mit nur leichtem Drehen und

Ziehen ohne Quetschen oder Reißen mittels einer möglichst spitzen

Pinzette oder einer „Zeckenzange/-lasso/-karte“ aus der Apotheke hautnah entfernt werden. Die Zecke darf nie mit Öl oder Klebstoff erstickt werden! Die Stichwunde wird mit Desinfektionsspray oder alkoholischer Lösung und Schutzpflaster versorgt, die Wundheilung muss regelmäßig kontrolliert werden. Sind „schwarze“ Reste in der Wunde erkennbar oder besteht eine Wundheilungsstörung ist ärztliche Behandlung angezeigt.

Eine kausale spezifische Therapie der FSME ist nicht möglich. Daher sollte sich jeder um eine frühzeitig effektive Vorbeugung für sich, die Kinder und Angehörige kümmern.

Welche Präventionsmaßnahmen gibt es?

Insektenabweisende Sprays – Repellents - sind immer sinnvoll, wie auch lange helle Kleidung zum Schutz unbedeckter Haut, dazu eine Kopfbedeckung, festes Schuhwerk und Strümpfe. Dies erleichtert beim - nicht nur für Kinder obligatorischen „Ganzkörpercheck“ nach einem Feld-Wald-Wiesenaufenthal - die schwarzen, oft schon blutgesättigten Parasiten besser zu finden.

Den zuverlässigsten Schutz vor einer Zeckeninfektion bietet mit über 90% Sicherheit die seit langem verfügbare, gut verträgliche FSME Impfung.

Die Durchimpfungsrate unserer Bevölkerung ist mit ca.18 % angesichts der schnellen Vermehrung und Verbreitung der Zecken viel zu niedrig. Der Impfstoff ist bereits für Kinder ab dem 1. Lebensjahr geprüft, zugelassen und verfügbar. Offizielle Empfehlung: Nach der ersten Dosis Auffrischung nach 1-3 Monaten - Boosterung mit einem Jahr - bis zum 60. Lebensjahr alle 5 Jahre - danach Auffrischung im Dreijahresabstand. Eine Schnellimmunisierung ist mit der 1. Auffrischung bereits nach 2 Wochen möglich.

Aktuelle Verbreitungsgebiete seucheninfizierter Zecken

FSME und Borreliose unterliegen der Meldepflicht bei den lokalen Gesundheitsämtern. Damit ist die Information über Häufigkeit sowie regionale und nationale Verbreitungssituation gesichert und – da regelmäßig aktualisiert - als potentielles Risikogebiet für alle Bürger ersichtlich. Aktuell sind 178 Stadt- und Landkreise als Risikogebiete ausgewiesen. Die Ausbreitung der Zecken verläuft in Deutschland von Süd nach Nord. Für Urlaubsländer in Europa zeigt die Karte die aktuelle Bedrohungslage in Rot! Empfohlen ist seitens der Gesundheitsbehörden die - Impfung ausdrücklich jeweils für Kinder und Eltern – für Zuhause und im Urlaub.

 

Weitere Information:

Epidemiologisches Bulletin des Paul Ehrlich Institutes (pei.de)

Ständigen Impfkommission stiko.de

Robert Koch Institut rki.de

Pharmainformation: www.zecken.de/Pfizer.de

Über den Autor

Dr. med. Josef Geisz
Dr. med. Josef Geisz
Kinder-Jugendarzt/Allergologie, Wetzlar

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