Wenn sich alles dreht!
Das Leben kann schwindelerregend sein.
Der Boden schwankt. Die Welt fährt Achterbahn. Alles dreht sich. So erging es Elvira B, als sie morgens den Kopf hob und auf den Wecker schaute. Ihr wurde übel und sie bekam Angst. Kurze Zeit später waren diese Beschwerden glücklicherweise vorüber. Mit solchen Schwindelattacken ist sie nicht alleine. Viele Menschen leiden darunter.
Probleme mit dem Gleichgewicht äußern sich auf unterschiedliche Art und haben zahlreiche Ursachen wie etwa Erkrankungen im Innenohr, wo das Gleichgewichtsorgan sitzt, Störungen im Gleichgewichtszentrum im Gehirn, Entzündung des Gleichgewichtsnervs, Gefäß-, Herz- und Kreislauf-Probleme, Stoffwechselerkrankungen, Migräne, Tumore oder psychische Probleme. „Wir haben kein Positivempfinden unseres Gleichgewichts. Nur im Krankheitsfall und bei einem Ausfall des Gleichgewichtes bemerken wir, wie wichtig dieser sechste Sinn - neben den uns allen täglich bewussten fünf anderen Sinnen (Hören, Riechen, Schmecken, Fühlen und Sehen) - tatsächlich ist. Viele Schaltregionen sind am Gleichgewichtssinn beteiligt“, erklärt der Klinikdirektor der Vitos Klinik für Neurologie Weilmünster, Privatdozent Dr. med. Christoph Best. Mit zunehmendem Alter nimmt die Häufigkeit von verschiedenen Schwindelerkrankungen zu.
Fehlende Balance
Um im Gleichgewicht durchs Leben zu gehen, arbeiten drei aufeinander abgestimmte Sinnessysteme zusammen: das Gleichgewichtssystem mit dem Gleichgewichtsorgan im Innenohr, dem Gleichgewichtsnerv und den zuständigen Nervenbahnen im Gehirn. Diese geben uns in Kombination mit den Augen und Sensoren beispielsweise auf der Haut, Muskeln und Gelenken Orientierung im Raum. Das Gehirn verarbeitet letztlich alle Informationen so, dass wir uns aufrecht und sicher bewegen können. Ist dieses Netzwerk aus unterschiedlichen Sinnesorganen und Nervenbahnen gestört, entsteht Schwindel in den unterschiedlichsten Formen. Viele haben das Gefühl, dass sich alles dreht, andere glauben zu schwanken, nach unten oder oben gezogen zu werden oder zur Seite zu kippen.
Kristalle als Übeltäter
Die häufigste Schwindelform ist der gutartige Lagerungsschwindel. Er tritt wie bei Elvira B. plötzlich auf, wenn die Lage des Kopfes durch Hochschauen, Drehen oder Bücken verändert wird. „Ursache ist eine Ablösung von kleinen Salzkristallen, die durch die Bewegung in die Bogengänge des Ohrs plumpsen und das Gleichgewichtsorgan irritieren. Eine Schwindelattacke ist die Folge. Das ist zwar völlig harmlos, aber für die Betroffenen sehr unangenehm“, sagt PD Dr. med. Christoph Best. Diese Kristalle lassen sich relativ unproblematisch wieder herauskatapultieren. „Die Behandlung von Lagerungsschwindel ist unser ‚tägliches Brot‘. Wir ,werfen‘ den Patienten sehr schnell von einer Seite auf die andere. Durch dieses blitzartige Bewegungsmanöver werden die Kristalle aus den Bogengängen herausgeschleudert. Danach zersetzen sie sich und das Problem ist in 90 Prozent aller Fälle behoben.“ Warum sich diese Kristalle bilden und ablösen, ist noch unklar. Bei einem zentralen Lageschwindel liegt die Ursache für den Schwindel nicht im Ohr, sondern im zentralen Nervensystem, beispielsweise nach Hirnblutungen oder bei Multipler Sklerose.
Auch psychische Ursachen möglich
Klagen Patienten über Schwindel muss grundsätzlich zunächst die Ursache geklärt werden. Das ist nicht immer so leicht wie bei Elvira B. „Deshalb lassen wir uns von dem Patienten genau schildern, wann und in welcher Form Schwindelattacken auftauchen, wie lange der Schwindel in welchen Situationen anhält. Eine ausgiebige körperliche Untersuchung, Messungen etwa der Nervenleitgeschwindigkeit und radiologische Verfahren folgen. Sollte dies ohne Befund bleiben, muss auch an eine psychische Ursache gedacht werden“ erklärt der Facharzt für Neurologie. Psychische Belastungen und Krankheiten sind nicht selten Auslöser von Schwindel. Sehr verbreitet ist der Phobische Schwankschwindel. Die Betroffenen fühlen sich benommen, glauben zu schwanken und zu stürzen. Ausgelöst wird diese Schwindelart durch Angstgefühle (Phobien), die in speziellen Situationen entstehen. In solchen Fällen kommen die Kollegen der Vitos Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie „ins Boot.“. Sie können die schwindelerregende Grunderkrankung mit beispielsweise einer Verhaltenstherapie behandeln. Beispielsweise wird hier mit der VR-Technik gearbeitet. Durch eine Spezial-Brille werden die Patienten, die etwa an Höhenangst leiden, mit einer scheinbaren Realität (Virtual Reality) konfrontiert, z. B. beim Besteigen eines Turms. Die Patienten können nun selbst dosieren, wie weit sie gehen wollen. Durch dieses Training nimmt die Angst in der Regel peu à peu ab und auch der Schwindel ist dann Geschichte.
Sollten auch Sie von häufig auftretendem Schwindel betroffen sein, dann wenden Sie sich gerne an uns. In unserer Klinik arbeiten verschiedene Berufsgruppen Hand in Hand, um unseren Patienten zu helfen.
Über den Autor
Klinikdirektor Vitos Klinik für Neurologie in Weilmünster