Schlafstörungen bei M. Parkinson
Vorwort - Zitat aus dem Journal „im Dialog“ von System Dialog Med AG Köln:
Ich schlief schlecht und erwachte als Greisin
Haben Sie sich nach einer schlaflosen Nacht schon einmal 20 Jahre älter gefühlt? Eine Studie zeigt, dass dies nicht nur subjektiv ist. Bereits eine einzige Nacht ohne ausreichend Schlaf kann dazu führen, dass das Gehirn vorzeitig altert. Durch die fehlende nächtliche Regeneration treten Veränderungen in der Feinstruktur des Gehirns auf, die normalerweise erst ein oder zwei Jahre später zu erwarten wären. Gut, dass sind jetzt keine 20 Jahre, aber es läppert sich schnell zusammen und eh Sie sich versehen, ist Ihr Gehirn über 90. Die gute Nachricht: diese Alterserscheinungen sind reversibel. Das Gegenmittel: Schlaf. Von wegen, der lässt sich nicht nachholen! (1)
Schlafstörungen bei Parkinson-Syndromen (PS)
Schlafstörungen bei Parkinson-Syndromen, ob typisch oder atypisch, sind häufig und werden von sehr vielen Patienten beklagt. Bis zu 90 % der Betroffenen klagen im Laufe der Erkrankung darüber. Leider sind die Ursachen sehr vielschichtig und eine Therapie ist nur dann hilfreich, wenn sie spezifisch erfolgt.
Ein- und/oder Durchschlafstörungen mit Früherwachen
Eine häufige Ursache von Durchschlafstörungen ist die nächtliche Unbeweglichkeit und Steifheit mit Schwierigkeiten, sich automatisch und unbewusst im Bett zu drehen, so dass der Versuch, die Lage zu ändern, zum Erwachen führt. Dabei kann eine Aufdosierung der nächtlichen dopaminergen Medikation, z.B. in Form eines abendlichen L-Dopa-Retard- oder -Depot- Präparates sinnvoll sein. Auch eine zweite Gabe von L-Dopa beim ersten Erwachen nach 24 Uhr ist möglich.
Nächtliche Verkrampfungen (Dystonien) in den Füßen und Wadenkrämpfe können das Durchschlafen stören und ebenfalls zu Durchschlafstörungen führen. In diesem Fall kann versucht werden, L-Dopa als lösliche Tablette bei Bedarf einzusetzen. In einigen Fällen hilft bereits Magnesium. Außerdem konnte in einer Studie gezeigt werden, dass auch der Einsatz von Rotigotin-Pflaster zu einer Verbesserung der nächtlichen und insbesondere der frühmorgendlichen Symptome führen kann.
Durchschlafstörungen durch nächtliches Wasserlassen
Auch ein vermehrter nächtlicher Harndrang kann zu gehäuften Schlafunterbrechungen führen. Dieser wird häufig durch die Krankheit selbst verursacht, internistische oder urologische Erkrankungen sollten jedoch zuvor durch eine ärztliche Untersuchung ausgeschlossen werden. Wenn sich eine sollte Erkrankung nachweisen lässt, zum Beispiel eine Herzschwäche oder eine Harnblasenentzündung, muss dies zunächst parallel behandelt werden. Bei männlichen Patienten ist eine Untersuchung der Prostata erforderlich, da die gutartige Vergrößerung der Vorsteherdrüse sehr häufig ist und ebenfalls zu Blasenentleerungsstörungen führen kann. Liegt die Ursache in der Parkinson-Erkrankung selbst, kann eine Anpassung der nächtlichen bzw. abendlichen Parkinsonmedikation hilfreich sein. Werden Medikamente zur Verminderung des nächtlichen Harndrangs eingesetzt, muss dieses unbedingt unter ärztlicher Kontrolle und unter Beachtung möglicher Nebenwirkungen wie Restharnbildung, Halluzinationen oder Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen erfolgen.
Ein- und Durchschlafstörungen durch unruhige Beine
Periodische Beinbewegungen im Schlaf und unruhige Beine im Sinne eines Restless-Legs-Syndroms (RLS) kommen ebenfalls häufig vor und können das Einschlafen oder auch die Schlafkontinuität stören. Auch in diesem Fall kann eine Anpassung der nächtlichen dopaminergen Medikation zu einer Besserung führen.
Traumschlafverhaltensstörung
Parkinson-Patienten, die während des Schlafes ihre Träume ausagieren, also singen, lachen, weinen, schreien, um sich Schlagen oder gar aus dem Bett fallen, leiden unter einer Traumschlafverhaltensstörung, auch REM-Schlaf-Störung genannt, aus dem Englischen für Rapid Eye Movement – Schnelle Augenbewegungen. In der Tat bewegen sich unsere Augen sehr schnell hin und her, wenn wir träumen. Allerdings bemerkt dies nicht der Betroffene selbst, sondern sein Bettpartner/Angehöriger. Durchaus könnte das im Sommer bei offenem Fenster auch den Nachbarn betreffen oder in einer Klinik den Mitpatienten im Doppelzimmer. Diese Schlafstörungen kann sehr früh auftreten, auch schon viele Jahre vor Auftreten der ersten motorischen Auffälligkeiten.
Bei Albträumen, zum Beispiel bei aggressiven oder beängstigenden Trauminhalten, kann es auch zu Selbst- oder Fremdverletzungen kommen. In diesen Fällen sollte eine Behandlung mit Melatonin erfolgen, oder (off-label) mit Clonazepam in niedriger Dosierung.
Wichtig ist es, die Traumschlafverhaltensstörung von einer möglichen nächtlichen psychotischen, also wahnhaften Symptomatik mit Halluzinationen oder auch nächtlichen Verwirrtheitszuständen abzugrenzen, da diese Störungen einer grundsätzlich anderen Behandlung bedürfen.
Oft ist diese Unterscheidung durch eine ausführliche ärztliche Befragung von Betroffenen und Angehörigen allein nicht zu treffen.
Schlafstörung durch Depressionen
Depressionen können bei Betroffenen der Parkinson-Krankheit als eigenständige Erkrankung vorausgehen oder auch als Folge der Krankheit im Verlauf auftreten. Ein Teil dieser Patienten wird im Rahmen der Depression innerlich sehr unruhig und kann schlecht ein- und durchschlafen. Auch ein frühes Erwachen wird bei Depressionen beobachtet. Bei diesen Patienten können psychotherapeutische Verfahren oder schlafanstoßende Antidepressiva zum Einsatz kommen.
Nichterholsamer Schlaf durch Schlaf-Apnoe-Syndrom
Bei Patienten, welche sehr laut schnarchen, kann es zu Atemaussetzern im Schlaf kommen, genannt Schlaf-Apnoe-Syndrom. Man kann diese Störung durch eine Untersuchung im Schlaflabor nachweisen und wenn die Atemaussetzer sehr lang anhalten, kann diese Störung durch eine Maskentherapie gelindert oder gar behoben werden. Es gibt unterschiedliche Masken, am häufigsten kommt die CPAP-Therapie zum Einsatz. CPAP steht für „Continuous Positive Airway Pressure“, übersetzt bedeutet das: kontinuierlicher Atemwegsüberdruck. Bei der CPAP-Therapie wird während des Schlafs mit einem leichten Überdruck Raumluft über eine Maske in die Atemwege gepumpt.
Nebenwirkung von Medikamenten
Letztlich kann sich auch die oft umfangreiche erforderliche Medikation negativ auf die Schlafqualität auswirken. So können Dopaminagonisten insbesondere in hohen Dosen, Anticholinergika, Amantadin oder MAO-B-Hemmer zu erhöhter Schlafunterbrechung, vermehrten Wachphasen oder nächtlichen Verwirrtheitszuständen führen. Ihr Einsatz ist bei Schlafstörungen entsprechend kritisch zu überprüfen. MAO-B-Hemmer sollten aus diesem Grund morgens und Amantadin nicht nach 16.00 Uhr eingenommen werden.
Erhöhte Tagesmüdigkeit
Infolge dieser verschiedenen Schlafstörungen leiden sehr viele Parkinson-Patienten unter einer exzessiv erhöhten Tagesmüdigkeit, sogar zum Teil mit Sekundenschlaf oder Einschlafattacken.
Die zuvor genannten nächtlichen Schlafstörungen mit ihren Ursachen, aber auch die dopaminerge Medikation, können dieses Problem verstärken. Hier ist insbesondere auf die gravierenden Gefahren beim Bedienen von Maschinen oder Führen eines Kraftfahrzeugs hinzuweisen. Betroffene von ungewolltem Einschlafen oder Schlafattacken gelten als nicht fahrtauglich.
Zusammenfassend gibt es also zahlreiche Ursachen für Schlafstörungen bei Parkinson-Patienten, so dass zur Differenzierung ein ausführliches Gespräch zwischen Patienten, Angehörigen und Arzt erforderlich ist. Lassen sich die beschriebenen Probleme oder Phänomene nicht eindeutig zuordnen, ist gegebenenfalls eine videogestützte Polysomnographie im Schlaflabor erforderlich, um eine optimale Therapie einzuleiten.
Sämtliche hier allgemein empfohlenen medikamentösen Maßnahmen müssen unbedingt mit dem behandelnden Arzt besprochen werden, der in jedem Einzelfall mögliche Gegenanzeigen, Neben- und Wechselwirkungen prüft, bevor er entsprechende Medikamente verordnet.
System Dialog Med AG. Im Dialog 37/2023, Seite 2
Quelle: Forschungszentrum Jülich, Journal of Neuroscience 2023,
doi: 10.1523/JNEUROSCI.0790-22.2023
Chu C, Holst SC, Elmenhorst EM, Foerges AL, Li C, Lange D, Hennecke E, Baur DM, Beer S, Hoffstaedter F, Knudsen GM, Aeschbach D, Bauer A, Landolt HP, Elmenhorst D. Total Sleep Deprivation Increases Brain Age Prediction Reversibly in Multisite Samples of Young Healthy Adults. J Neurosci. 2023 Mar 22;43(12):2168-2177. doi: 10.1523/JNEUROSCI.0790-22.2023. Epub 2023 Feb 20. PMID: 36804738; PMCID: PMC10039745. Referenzen