
Die Plastische und Ästhetische Chirurgie (Teil 2/5) -
Die rekonstruktive Chirurgie
Die rekonstruktive Chirurgie stellt den größten der vier Fachbereiche der Plastischen und Ästhetischen Chirurgie dar. Letztlich bilden die Erkenntnisse, Erfahrungen und Techniken aus der rekonstruktiven Chirurgie die Grundlagen für die anderen Fachbereiche (Handchirurgie, Ästhetische Chirurgie und Verbrennungschirurgie) des Fachgebietes. Die rekonstruktive Chirurgie befasst sich mit der Herstellung / Wiederherstellung von Form und Funktion des gesamten Körpers. Dieses kann u.a. nach Tumorentfernungen, Defektverletzungen, Geschwüren, Druckgeschwüren (Dekubitus) oder weichtteilkonsumierenden Infektionen notwendig werden. Hierbei ist meistens die Körperoberfläche (Haut und Unterhautfettgewebe) betroffen und zerstört.
Bei tieferen Zerstörungen können jedoch auch funktionelle Strukturen wie Muskulatur, Sehnen, Gefäße oder Knochen betroffen sein. Größe, Form, Tiefe und Lokalisation sind dabei entscheidend für die Wahl der notwendigen Rekonstruktion.
Grundsätzlich orientiert sich die rekonstruktive Plastische Chirurgie Plastische an der so genannten „Rekonstruktiven Leiter“. Diese beginnt, wenn Wunden oder Defekte nicht mehr einfach durch eine Hautnaht direkt verschlossen werden können. Die dann einfachste Form des Wundverschlusses ist die Sekundärnaht. Sollte das nicht möglich sein kann durch eine einfache Hauttransplantation (als Voll- oder Spalthauttransplantat) eine Wiederherstellung der Körperoberfläche erzielt werden. Dieses Verfahren kann und sollte nur bei oberflächlichen, aber nicht heilenden Defekten ohne freiliegende oder zerstörte funktionelle Strukturen zum Einsatz kommen. Ist der Defekt tiefer und nicht mehr adäquat durch eine Hauttransplantation zu verschließen, gelangen so genannte Lappenplastiken zum Einsatz. Hierbei handelt es sich um das Verschieben von Gewebeblöcken in die Defektzone um einen stabilen, formenden und ggf. funktionell wiederherstellenden Verschluss zu erreichen. Die einfachste Form ist hier die lokale Lappenplastik, bei der an die Defektzone angrenzendes Gewebe als Haut-/ Fettblock gehoben wird. Dessen notwendige Durchblutung wird durch die lokale Durchblutung der Haut gesichert, da der Block nicht komplett gehoben wird. Je nach Form und Geometrie des Blockes kann hier ein Verschluss des Defektes wie auch des Hebeareals des Gewebeblocks erreicht werden, so dass das Ziel der Defektdeckung erreicht ist. Dieses Verfahren findet in Abhängigkeit von Größe und Lokalisation des Defektes ein Ende. Für Verschlüsse größerer Defekte kann es dann notwendig werden Haut-/ Muskellappen, die durch definierte Blutgefäße versorgt werden, zu verwenden.
Der letzte Schritt auf der rekonstruktiven Leiter ist die Durchführung eines „freien Gewebetransfers“. Hierbei wird das zur Defektdeckung benötigte Gewebe (z.B. Muskel, Haut-/Muskel, Haut- Muskelhüllschicht, Haut-Muskel-Knochen, etc.) an seinen versorgenden Blutgefäßen (Arterie und Vene) mikrochirurgisch gehoben und abgesetzt und an der Stelle des Defektes unter dem Mikroskop unter Anwendung mikrochirurgischer Techniken wieder an die Blutversorgung angeschlossen. Das Beherrschen der Mikrochirurgie – also das Nähen kleinster Strukturen wie Arterien, Venen und Nerven unter dem Mikroskop – ist in der Plastischen Chirurgie nicht nur für die rekonstruktiven Eingriffe, wie des geschilderten freien Gewebetransfers notwendig, sondern ist zusätzlich in der Handchirurgie bei Schnittverletzungen mit Arterien und Nervenbeteiligung bis hin zur Replantation abgetrennter Finger, Hände und Arme essentiell Im klinischen Alltag finden die oben beschriebenen Defektdeckungen mittels Lappenplastiken insbesondere zur Deckung von Druckgeschwüren (Dekubiti), Defektverletzungen an Beinen, chronischen Wunden, Weichteildefekten nach Infektionen (nach Operationen), Tumorentfernungen insbesondere im Gesicht, ihre Anwendung. Da Defekte an jeder Stelle des Körpers auftreten können und zusätzlich die darunter liegenden Strukturen betreffen können, ist jeder Defekt anders und stellt individuelle Ansprüche an den Rekonstruktiven Plastischen Chirurgen dar. Um diesem Umstand gerecht zu werden, haben wir an den Lahn-Dill-Kliniken in Wetzlar, in der Klinik für Plastische, Ästhetischen und Handchirurgie, ein Zentrum für Problemwunden etabliert, an dem wir uns ausschließlich diesen Bedürfnissen widmen.
Eine weitere Besonderheit in der rekonstruktiven Chirurgie sind die so genannten postbariatrischen Eingriffe. Diese Eingriffe stellen die Körperkontur dadurch wieder her, dass nach massiven Gewichtsverlusten die überschüssige Haut operativ entfernt wird. Dem Gewebe wird dann zusätzlich eine neue Form verliehen, dadurch, dass die Hautentfernung mit einer Straffungsoperation kombiniert wird. Patienten die z.Zt. noch unter massivem Übergewicht leiden, können sich zunächst in dem Adipositaszentrum der Lahn-Dill-Kliniken in der Klinik für Allgemeine, Viszerale und Onkologische Chirurgie beraten lassen.
Ein Schnittpunkt der rekonstruktiven Chirurgie mit den operativen Möglichkeiten der ästhetischen Chirurgie stellt neben den genannten postbariatrischen Straffungen (Arme, Beine, Bauch, Brust, Gesäß) nach massiver Gewichtsabnahme auch die Fettabsaugung bei Lipödem dar. Während die Fettabsaugung bei Lipödem I° und II° unverändert eine Selbstzahlerleistung darstellt, wird eine Fettabsaugung bei Lipödem III° nach erfolgter Diagnose und durchgeführter Vorbehandlung übernommen. Die durchführende Klinik muss dabei sowohl über strukturelle Voraussetzungen und Eignung verfügen wie auch über nachgewiesene Erfahrung und Eignung der Operateure. Gerne stehen wir für weitere Informationen zur Verfügung.
Über den Autor

Chefarzt der Klinik für Plastische, Ästhetische und Handchirurgie, Klinikum Wetzlar