M. Parkinson (MP) - Krankheitsphasen
Die Movement Disorder Society (MDS) ist eine Fachgesellschaft zur Erforschung von Parkinson-Syndromen und anderen Bewegungsstörungen. Sie besteht aus klinisch tätigen Ärzten, Wissenschaftlern, Forschern und anderen medizinischen Fachkräften aus mehr als 90 Ländern. Es gibt verschiedene Arbeitsgruppen, eine davon beschäftigt sich nur mit Morbus Parkinson (MP).
2015 wurden von dieser Arbeitsgruppe neue Diagnosekriterien für MP erarbeitet, wobei die klinische Diagnose nach wie vor erst nach Auftreten von bestimmten motorischen Symptomen gestellt werden kann.
Zahlreiche Studien haben jedoch nachgewiesen, dass die Erkrankung bereits viele Jahr vor Beginn dieser Parkinson-typischen Störungen der Motorik beginnt. Auch weiß man, dass bei Auftreten von motorischen Störungen schon mehr als die Hälfte der Dopamin-produzierenden Zellen in der Substantia nigra (SN = schwarze Substanz) im Mittelhirn untergegangen sind. Der früher in Frankfurt am Main tätige Neuropathologe Professor Heiko Braak untersuchte Gehirne von verstorbenen Parkinson-Patienten und postulierte, dass die Krankheit in den Nervengeflechten des Darms beginnt und über eine Nervenverbindung zwischen Darm und Gehirn (Nervus vagus) dann über Jahrzehnte langsam in den Hirnstamm, das Mittelhirn und zuletzt auch in die Hirnrinde aufsteigt, ihm zu Ehren wurden diese neuropathologischen Stadien „Braak-Stadien“ genannt.
Diese Zeit, in der noch keine Störungen der Motorik nachweisbar sind, wird auch Prodromalstadium (Zeit vor Ausbruch einer Erkrankung) oder präsymptomatisches Stadium der Erkrankung genannt.
In dieser Zeit treten jedoch schon charakteristische Vorzeichen bzw. nichtmotorischen Frühsymptome auf, welche auch Prodromi genannt werden. Diese erfüllen jedoch nicht die klinischen Diagnosekriterien, so dass formale noch keine Diagnose gestellt werden kann.
Typische Beispiele, auf welche ich später noch genauer eingehen werden, sind zum Beispiel ein verminderter Geruchssinn, eine Verstopfung, depressive Verstimmungen oder lautes und lautes, aktives Träumen. Diese Prodromi beginnen teilweise viele Jahre, bevor die motorischen Auffälligkeiten beginnen.
Diese in Studien nachgewiesenen Erkenntnisse sprechen dafür, dass die Krankheit ab ihrer Entstehung im Körper einen stadienhaften klinischen Verlauf nimmt, mit einem ersten „asymptomatischen“ Stadium (ohne Symptome), einem zweiten „prodromalen“ Stadium mit unspezifischen nichtmotorischen Zeichen, welche aber nicht ausreichen, um eine Diagnose zu stellen, und einem definierten klinischen Stadium mit Nachweis der bekannten motorischen Störungen der Parkinson-Krankheit. In diesem Stadium werden dann die aktuell gültigen Diagnosekriterien erfüllt.
Prodromale nichtmotorischen Krankheitszeichen
Der größte Teil dieser unspezifischen Symptome kann den motorischen Auffälligkeiten um Jahre bis Jahrzehnte vorausgehen. Hervorheben möchte ich einige Symptome, welche als bedeutende Risikofaktoren betrachtet werden.
Verminderter Geruchssinn (Hyposmie)
Die Hyposmie gilt als Risikofaktor für das Auftreten einer späteren Parkinson-Krankheit, sofern im Rahmen einer Untersuchung beim Hals-Nasen-Ohren-Arzt (HNO-Arzt) keine anderen Ursachen gefunden werden, wie z.B. Heuschnupfen. Etwa 80 % der MP-Patienten berichten über eine Hyposmie. In der Honolulu-Asia Aging Studie (HAAS) wurde für Patienten mit Riechstörungen ein 3 bis 5-faches Parkinson-Risiko gefunden. In zwei weiteren Studien wurde für die Hyposmie ein Zeitraum von bis zu 10 Jahren vor Ausbruch der Krankheit nachgewiesen.
Traumschlafverhaltensstörung (RBD)
Wir alle träumen mehrfach im Schlaf. Diese Traumphasen werden in der Medizin REM-Schlaf genannt, dabei steht REM für Rapid-Eye-Movement (englisch für schnelle Augenbewegungen), da sich die Augen im Traum schnell hin und her bewegen. Dabei handelt es sich nicht um unwillkürliche Zuckungen, sondern die schnellen Augenbewegungen spiegeln tatsächliche Seheindrücke in unseren Träumen wider. Im Gehirn feuern genau die Nervenzellen, welche auch im Wachzustand neue Bilder verarbeiten. Gesunde Menschen träumen jedoch leise vor sich hin, man kann von außen nicht sehen, dass sie träumen, ihre Muskeln sind entspannt.
Nun gibt es Menschen, welche sich im Traum bewegen, sie treten um sich, Schlagen, Sprechen, Schreien, Singen, Weinen oder Schreien, ja sie können sogar aus dem Bett fallen, sie träumen also sehr lebhaft. Diese sogenannte Traumschlafverhaltensstörung wird REM-Schlaf-Verhaltensstörung, abgekürzt RBD (REM sleep Behavior Disorder) genannt und wurde 1986 erstmals von dem amerikanischen Schlafforscher Carlos Schenck beschrieben. Findet sich keine Erkrankung als Ursache dieser RBD, wird sie als idiopathisch bezeichnet, von innen heraus.
Allerdings hat sich in den letzten Jahren in zahlreichen Studien gezeigt, dass dieser Traumschlaf-Verhaltensstörung eine besondere Rolle in der Parkinson-Voraussage zukommt. Sie gilt in der Medizin als hochspezifisch für die Entwicklung einer neurodegenerativen Erkrankung (Untergang von Nervenzellen – wie bei M. Parkinson), insbesondere Krankheiten, bei welchen im Gehirn Lewy-Körperchen nachgewiesen werden. Dazu zählen sowohl die Parkinson-Krankheit selbst als auch die Multisystematrophie als auch die Lewy-Körperchen-Demenz. Über 80 % der Patienten mit einer RBD entwickeln Jahre später eine dieser Erkrankungen. Die Zeit vom ersten Auftreten einer RBD bis zur Entwicklung eines MP kann 10 bis 14 Jahre betragen.
Verstopfung (Obstipation)
Auch die Obstipation gilt als Risikofaktor für ein kommendes Parkinson-Syndrom. Die Zeit bis zum Auftreten erster motorischer Symptome einer Parkinson-Krankheit kann ebenfalls über 10 Jahre betragen. Es gibt natürlich auch andere mögliche Ursachen für eine Verstopfung, diese sollten ausgeschlossen bzw. einer gezielten Behandlung unterzogen werden. Dies spricht für eine frühe Beteiligung der Nervengeflechte des Darms (enterisches Nervensystem) in der Phase der Krankheitsentstehung. Es gibt einen langen Nerv, welcher die Darmgeflechte (netzartige Nerven um den Darm) mit dem Gehirn verbindet, Nervus vagus genannt. Seine Fasern breiten sich über den ganzen Bauchraum aus und er ist an der Regulation der Tätigkeit fast aller inneren Organe beteiligt. Wegen dieser großen Ausbreitung seiner Fasern wird er „umherschweifender Nerv“ (= lateinisch vagari) genannt. Bezüglich der Art der Verstopfung handelt es sich bei MP hauptsächlich um eine deutlich verlangsamte Passage des Dickdarms, alles dauert viel zu lang. Verstärkt wird dies noch durch Nebenwirkungen von Medikamenten gegen Parkinson oder bestimmte Schmerzmittel (Opioide), welche ebenfalls die Darmfunktion lähmen können. Um ein optimales Ansprechen auf die Parkinson-Medikation zu gewährleisten, ist es unbedingt erforderlich, die Darmfunktion regelmäßig anzuregen (Ernährung, Medikamente), auch um eine gefürchtete Komplikation, den Darmverschluss, zu vermeiden.
Über den Autor
Ärztliche Direktorin
Gertrudisklinik Biskirchen