Ramadan – auch in der Medizin ein besonderer Monat

Für gläubige Muslime begann am 10. März 2024 die wichtigste Zeit des Jahres: der Fastenmonat Ramadan. Dieser erstreckt sich bis zum 09. April dieses Jahres. Da in Deutschland geschätzt 5 Mio. Muslime leben und der Fastenmonat – neben dem Glaubensbekenntnis, den täglichen Gebeten, der Armensteuer und der Pilgerfahrt nach Mekka – zu den 5 Säulen des Islams gehört, ist davon auszugehen, dass während des Ramadans eine Reihe unserer Patienten fasten. Sie begehen damit den Monat, in dem ihrer Religion nach dem Propheten Mohammed der Koran offenbart wurde.

In der Zentralen Notaufnahme des Klinikum Wetzlar (ZNA) wurden in der Vergangenheit in dieser Zeit oft Patienten mit einem relevanten Flüssigkeits- oder Nährstoffmangel eingeliefert. Daher sollten Ärzte in den Notaufnahmen sowie in den Allgemeinpraxen immer im Hinterkopf behalten, dass Schwächesymptome, ungewöhnliche Blutwerte oder andere Auffälligkeiten mit dem Fasten zusammenhängen können.

Generell sind während des Fastenmonats alle Muslime ab dem Alter der Pubertät dazu aufgerufen, vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Untergang auf Essen, Trinken und Rauchen zu verzichten. „Nährende“ Medikamente wie Infusionen, Tabletten oder Säfte fallen allgemein unter das Fastengebot. Augentropfen, Salben oder Sprays gelten meist nicht als Nahrungsmittel und dürfen folglich genommen werden.

Ausnahmen vom Fasten beschreibt der Koran für Kranke, Altersschwache, Reisende, Frauen während der Menstruation, Schwangere, stillende Frauen, aber auch Schwerarbeitende. Wer akut nicht fastet, soll die versäumten Tage zu einem späteren Zeitpunkt nachholen. Chronisch kranke – zum Beispiel Diabetiker – und alte bzw. gebrechliche Menschen können als Ersatz Almosen geben oder Bedürftige bewirten.

Patienten mit chronischen Krankheiten wie Bluthochdruck, rheumatischer Arthritis oder Diabetes mellitus unterbrechen häufig ihre Medikamenteneinnahme im Ramadan ohne Rücksprache mit dem Arzt. Dies kann zu erheblichen gesundheitlichen Risiken führen. So riskieren Menschen mit einer schlechten Nierenfunktion durch den Flüssigkeitsmangel, dass sie früher an die Dialyse müssen. Nierentransplantierte können durch Absetzen ihrer Immunsuppressiva eine Organabstoßung erleiden. Diabetiker können tagsüber unterzuckern, während abends der Blutzucker in die Höhe schießt. Deshalb sollten Arzt und Patient gemeinsam eine Lösung anstreben. So wäre z.B. das Umstellen auf Tabletten möglich, die nur einmal täglich eingenommen werden müssten.

 

Vor besondere Herausforderungen stellt die Fastenzeit auch Kinder und Jugendliche sowie deren Eltern. Kinder, die die Pubertät erreichen, gelten im Islam als mündig und werden zum Fasten angehalten. Oft versuchen jedoch auch die Jüngeren, so viele Tage zu fasten, wie sie können. Aus Sicht von Kinder- und Jungendärzten ist das Fasten jedoch ungesund und schädlich, insbesondere der Verzicht auf Flüssigkeit. Dazu komme, dass die Kinder während dieses besonderen Monats meist auch nicht ihren normalen Schlaf bekommen, weil Essen, Trinken und viele soziale Aktivitäten nur nach Sonnenuntergang stattfinden. Eltern, Kinder und Ärzte sollten dann gemeinsam über Alternativen sprechen, die alle Interessen berücksichtigen. Das kann bedeuten, dass das Kind vielleicht nur am Wochenende oder nur stundenweise fastet. Denn aus medizinischer Sicht sind gerade Kinder und Jugendliche auf eine gute und gesunde Ernährung angewiesen.

Ärzte sollten die möglichen Gefahren des Fastens ansprechen, jedoch die Wichtigkeit des Ramadans für Muslime respektieren und zusammen nach Lösungen suchen.

Über den Autor

Prof. Dr. med. Martin Brück
Prof. Dr. med. Martin Brück
Chefarzt der Medizinischen Klinik I
Klinikum Wetzlar

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