Chirurgischer Ratgeber: Das Kompartmentsyndrom

Folgenschwere Komplikation einer schweren Prellung

Unfälle sind vermeidbar, wenn man selbst auf Unfallgefahren achtet, dennoch treten Unfälle immer wieder unvermeidlich auf.

Typisch ist eine Kollision im Sport von hinten, beim Skifahren, Rodeln, Fußball, im Verkehr und „überall“.

Plötzlich trifft ein heftiger Schlag das Bein im Wadenbereich, im Sport spricht man von einem „Pferdekuß“, man geht „zu Boden und windet sich vor Schmerzen“.

Bei Leistungssportlern wie Gehern, Mittelstrecken- und Marathonläufern oder

Triathleten kann ein Kompartment allein durch die hohe Belastung beim Laufen eintreten (siehe auch Kasten).

Die Unfall-Diagnostik folgt

Normalerweise vermindert sich der Schmerz nach einer Prellung von selbst. Bei dieser Form der Verletzung beginnt eine teuflische Verschlechterung. Der Verletzte stellt sich wegen der schweren und zunehmenden Schmerzen einem Arzt vor. Es folgen die klinische Untersuchung durch Funktionsprüfung, Betasten und meist eine Röntgenaufnahme zum Ausschluss eines Knochenbruches, auch eine Ultraschalluntersuchung wird angeschlossen. Es lautet dann zunächst die Diagnose nur „Prellung mit Bluterguss“.

Daran Denken verhindert Komplikationen

Erstes Anzeichen für ein Kompartment-Syndrom ist ein überproportional großer, in keinem Verhältnis zur Verletzung stehender Schmerz. Der Bluterguss sitzt nicht „unter der Haut“ sondern in der Tiefe der Muskulatur des Unterschenkels, die von einer nicht dehnbaren „Faszienschicht“ umschlossen wird.

Was geschieht, wenn dieser Befund unerkannt bleibt

Die Schmerzen steigern sich als Folge des zunehmenden Druckes des Blutergusses, der erhöhte Gewebedruck innerhalb des umschlossenen Muskelareals (Muskelloge) löst einen verminderten Stoffwechsel im Muskelgewebe aus (Ischämie), sprichwörtlich wird der Muskel von „Innen heraus zu Tode gepresst“, das Blut kann auch nicht mehr durch die Venen zurückfließen, da diese auch komprimiert sind.

Beim akuten Kompartmentsyndrom führt dies dann im schlimmsten Fall zum Absterben des Gewebes und zu einer Mitschädigung der nervlichen Versorgung (neuromuskuläre Störung).

Besonders kritisch ist die Situation, wenn der Verunfallte Medikamente einnimmt, die die Blutgerinnung verhindern sollen (Antikoagulantien), die Blutungszeit verlängert sich zusätzlich und erhöht den Druck.

Frühsymptome

Als Frühsymptom zeigt sich ein unerträglicher, durch „normale“ Schmerzmittelgaben

nicht beeinflussbarer Schmerz mit Spannungsgefühl und zunehmendem Taubheitsgefühl und Kribbeln und bessert sich durch Hochlagerung der Extremität nicht. Die Beweglichkeit der betroffenen Extremität ist stark eingeschränkt. Später treten motorische Ausfälle auf und es kommt zu einem Pulsverlust distal der betroffenen Muskelloge (Fußpulse sind nicht mehr tastbar).

Therapie des akuten, unfallbedingten Kompartment-Syndroms

Es handelt sich dabei um einen chirurgischen Notfall, da durch den inneren Druck ein Absterben des Muskelgewebes und der Funktionsverlust des Beines droht.

Es muss also rasch gehandelt werden. Die umhüllende Faszienschicht wird nach entsprechendem großen Hautschnitt in Längsrichtung an der Wade eröffnet („Faszienspaltung“). Die eigeengten Muskeln werden so vom Druck befreit, die Durchblutung setzt wieder ein. Die geöffneten Areale können nicht „primär“ verschlossen werden. Entsprechende Spezialabdeckungen der großen Wundfläche werden vorgenommen, eine längere Wundbehandlungsstrategie erfolgt. Vom Oberschenkel werden Hautabschnitte entnommen und als Transplantat der Defekt am Unterschenkel damit verschlossen („Meshgraft“).

Beim chronischen Kompartmentsyndrom sind die Risiken nicht so hoch, da die Einschränkung der Durchblutung geringer ist. Folglich treten Beschwerden meist nur unter Belastung auf. Dennoch besteht über Wochen eine massive Schwellung und Bewegungseinschränkung, wie das beigefügte Foto zeigt.

 

Ursachen eines Kompartment-Syndroms

Weichteilverletzung infolge eines Knochenbruchs des Schienbeines

Schwere Prellung Wade im oberen Bereich

Folge einer Operation im Wadenbereich mit Gefäßminderdurchblutung

Muskelschwellung bei Leistungssportlern

Schlangenbiss durch Vipern

Kompartment des Bauchraumes nach großen Gefäßoperationen im Bauch

 

 
   

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Über den Autor

Dr. med. Klaus-Dieter Schiebold
Dr. med. Klaus-Dieter Schiebold

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