Lungenkrebs früh erkennen – Wann kommt das Screening?

Lungenkrebs ist mit 1,8 Million Todesfällen weltweit die häufigste Todesursache bei den malignen Erkrankungen (Zahlen aus dem Jahr 2020). 18 Prozent aller durch Krebs bedingten Todesfälle sind auf den Lungenkrebs zurückzuführen.

Alleine in Deutschland erkranken jedes Jahr etwa 57.000 Menschen an Lungenkrebs. Zum Vergleich: In Deutschland erkranken pro Jahr mehr Menschen an Lungenkrebs als im Stadtgebiet Wetzlar insgesamt wohnen. Die Prognose von Lungenkrebs ist ungünstig, mit einer 5-Jahres-Überlebensrate von nur 21 Prozent bei Frauen und 15 Prozent bei Männern (Zahlen aus 2019). Lungenkrebs verursacht in frühen Stadien häufig keine Beschwerden, wird jedoch oft erst spät entdeckt. Eine Screeninguntersuchung, also eine Vorsorgeuntersuchung, auf Lungenkrebs ist deshalb schon seit vielen Jahren Thematik in der Wissenschaft.

Die Untersuchung gesunder Menschen mit Röntgenverfahren ist aus Strahlenschutzgründen in Europa nicht gestattet. Einzige Ausnahme ist bisher die Brustkrebsvorsorge mittels Mammographie. Der Gesundheitskompass berichtete bereits darüber. Mit einer Erneuerung des Strahlenschutzrechtes im Jahr 2018 wurde in Deutschland der Weg für zukünftige Screeningverfahren mittels Röntgendiagnostik geebnet. Aber warum gibt es noch kein Screeningprogramm?

Für die Genehmigung eines solchen Screenings ist ein wissenschaftlicher Beweis obligat: Die Untersuchungsreihe muss die Erkrankung einerseits entdecken können, bevor Krankheitssymptomen auftreten. Weiterhin muss aber auch nachgewiesen werden, dass das Leben der Patientengruppe hierdurch statistisch verlängert wird.

Schon seit über 20 Jahren beschäftigten sich viele wissenschaftliche Studien mit der Früherkennung von Lungenkrebs. Dieser Tumor wurde schon früh für eine Vorsorge in Betracht gezogen, da es eine häufige Krebserkrankung ist und Menschen mit einem erhöhten Risikoprofil leicht zu identifizieren sind: Raucher.

Screening-Untersuchungen mit einem normalen Röntgenbild des Brustkorbes führten hierbei nicht zum Ziel. Die Entwicklung der Niedrigdosis-Computertomographie seit den 2000er-Jahren ließ erstmals die Computertomographie als Screeninginstrument in den Fokus rücken. Etliche Studien konnten schließlich an einem Raucher-Klientel belegen, dass Lungenkrebs bei Rauchern frühzeitiger identifiziert werden konnte. Allerdings stand lange der Beweis aus, dass auch das Überleben der hierdurch identifizierten und dann behandelten Patientengruppe, gegenüber der nicht gescreenten Bevölkerungsgruppe erhöht ist. Ebenfalls galt es zu klären, ob die Maßnahmen zur weiteren Abklärung der auffälligen Lungenherde, ein angemessenes Risiko für eine bisher nicht erkrankte Person darstellt. Oder anders ausgedrückt: Die Abklärung der gefundenen Herde durch eine Punktion oder Operation muss ein geringes Risiko haben. Schließlich musste geklärt werden, ob ein solches Verfahren nicht zu viele falsch-positive Raumforderungen der Lunge, also nicht bösartige Herde erkennt. Fasch-positive Herde wurden in Studien in zirka 9 Prozent bis zu 23,3 Prozent beschrieben. Jeder dieser falsch positiven Herde zieht Folgeuntersuchungen nach sich und erzeugt beim Patienten Angst oder Unsicherheit.

Inzwischen konnten etliche Studien genau diesen Nutzen eines Lungenkrebs-Screenings mittels Computertomographie nachweisen. Diese Studien waren aufwändig. Viele Patienten mussten eingeschlossen werden, um einen statistisch signifikanten Beweis zu führen. Insgesamt sind über 100.000 Personen in diese Studien eingefasst worden. Hierdurch konnte bewiesen werden: Der Nutzen überwiegt. Die Strahlenbelastung kann aufgrund der insgesamt nachgewiesenen, verbesserten Überlebenswahrscheinlichkeit in dieser risikobehafteten Bevölkerungsgruppe vernachlässigt werden.

Kann ich am Screening teilnehmen?

Nein. Bisher wird das Screening erst an einzelnen Forschungsstandpunkten im Rahmen von Studien durchgeführt. Aktuell ist das Screening für alle Risikogruppen noch nicht eingeführt worden, aber die Fachgesellschaften für Lungenheilkunde und Thoraxchirurgie sowie die Deutsche Röntgengesellschaft haben Eckpunkte definiert. Hierin wird festgelegt, welche Qualitätskriterien das gesamte Programm erfüllen muss. Der genaue Beginn des Lungenkrebsscreening ist noch nicht klar. Zuvor müssen noch viele, organisatorische Fragen geklärt werden: Wie werden die passenden Raucher identifiziert und informiert? Welche Mindestanforderungen werden an Technik und Befunder der Untersuchungen gestellt und wer überwacht das Programm? Nicht zuletzt ist auch die Kostenfrage noch nicht geklärt. Der gemeinsame Bundesausschuss der Krankenkassen und der deutschen Krankenhausgesellschaft beraten aktuell über die Umsetzung. Wenn es soweit ist, werden vermutlich Raucher mit 30 Packungsjahren (siehe Infobox) im Alter zwischen 55 bis 80 Jahren jährlich mit einer Niedrigdosis-Computertomographie untersucht.

 

Was ist ein Packungsjahr (Pack Year)?

Das Packungsjahr ist eine Einheit, die wissenschaftlich verwendet wird, um die inhalierte Rauchermenge eines Zigarettenrauchers zu beschreiben. Ein Packungsjahr bedeutet hier, das täglich eine Packung Zigaretten (20 Zigaretten) im Jahr konsumiert wurde. Raucht ein Mensch diese Menge über zehn Jahre, so entspricht seine Belastung zehn Packungsjahre. Raucht er nur eine halbe Packung pro Tag, so würde er über zehn Jahre Lebenszeit fünf Packungsjahre ansammeln. Je mehr Packungsjahre ein Raucher angesammelt hat, umso größer ist auch statistisch das Risiko an einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung oder an einem Bronchialkarzinom, also an einem Lungenkrebs zu erkranken.

 

 

Quellen:

T. G. Blum et al. Positionspapier zur Implementierung eines nationalen organisierten Programms in Deutschland zur Früherkennung von Lungenkrebs in Risikopopulationen mittels Low-dose-CT-Screening inklusive Management von abklärungsbedürftigen Screeningbefunden. Pneumologie 2024; 78(01):15-34

Zentrum für Krebsregisterdaten, Robert Koch Institut. Lungenkrebs (Bronchialkarzinom)

Bonney A, Malouf R, Marchal C. et al. Impact of low-dose computed tomography (LDCT) screening on lung cancer-related mortality. Cochrane Database Syst Rev 2022; 8

Aberle DR, Adams AM, Berg CD. et al. Reduced lung-cancer mortality with low-dose computed tomographic screening. N Engl J Med 2011

Über den Autor

Dr. med. Tobias Achenbach
Dr. med. Tobias Achenbach
Chefarzt Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie

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