Schaufensterkrankheit, was nun? –
Mit dem Zweiten läuft`s sich besser
Was versteht man unter der sogenannten Schaufensterkrankheit?
Die Schaufensterkrankheit beschreibt ein Krankheitsbild, bei dem Betroffene nur kurze Strecken gehen können bis krampfartige Schmerzen in der Muskulatur der Beine auftreten. Diese sind Ausdruck einer arteriellen Unterversorgung der Muskulatur mit Blut. Die Patienten müssen daraufhin zur Linderung der Schmerzen stehen bleiben, damit sich die Durchblutung der Muskulatur erholen kann. Daher kommt auch der Begriff von Schaufenster zu Schaufenster. Unter der sogenannten Schaufensterkrankheit verstehen Mediziner das Krankheitsbild der peripher arteriellen Verschlusskrankheit, kurz pAVK. Durch Kalkablagerungen in der Gefäßwand, auch unter dem Begriff Arteriosklerose bekannt, entstehen dabei Gefäßengstellen bzw. -verschlüsse. Die pAVK ist eine häufige Erkrankung, unter der ca. 10% der Gesamtbevölkerung in Deutschland leiden. Mit steigendem Alter nimmt die Häufigkeit sogar noch zu. Auch wenn ein Großteil der Betroffenen zunächst beschwerdefrei bleibt, entwickelt dennoch jeder dritte Patient im Verlauf Symptome. Diese sind dann häufig mit einem hohem Leidensdruck und Einschränkungen im alltäglichen Leben verbunden. Die Arteriosklerose kann sämtliche Gefäßregionen des Körpers betreffen und unter anderem zu Schlaganfall, Herzinfarkt sowie dem Verlust von Gliedmaßen führen. Daraus ergibt sich eine deutlich erhöhte Sterblichkeit.
Risikofaktoren kennen
Das Risiko an einer pAVK zu erkranken steigt sowohl mit dem Alter als auch mit dem Vorhandensein klassischer Risikofaktoren für das Herz-/Kreislaufsystem wie Rauchen, Diabetes mellitus, Bluthochdruck und Fettstoffwechselstörungen.
Diagnose – einfach gemacht
Krampfartige auftretende Schmerzen bei Belastung der Muskulatur führen den Patienten häufig zum Arzt und sind in Kombination mit den obigen Risikofaktoren wegweisend.
Nach dem Gespräch mit dem Patienten untersucht der Arzt im nächsten Schritt Pulse, Temperatur und Farbe des Beins und überprüft auf vorhandene Wunden.
Eine wichtige diagnostische Methode, die grundsätzlich recht einfach und schnell durchzuführen ist, und gleichzeitig eine pAVK gut vorhersagen kann, ist der so genannte Knöchel-Arm-Index (ankle-brachial index), kurz ABI (Normbereich zwischen 0,9 – 1,2). Dabei erfolgt die Messung des Blutdrucks der Beine und der Arme, die dann wiederum ins jeweilige Verhältnis zueinander gesetzt werden. Ein bereits leicht erniedrigter Knöchel-Arm-Index (ABI < 0,9) geht im Durchschnitt mit einem zwei- bis dreifach erhöhten Risiko einher, an einer Herz-/Kreislauferkrankungen zu versterben. Interessanterweise konnte in der deutschen „getABI“-Studie gezeigt werden, dass die erhöhte Sterblichkeit bei erniedrigtem ABI fast unabhängig davon war, ob die Betroffenen bereits Symptome hatten. Da die Erhebung des ABI für den Patienten nicht belastend ist und mit relativ geringem Aufwand durchgeführt werden kann, ist sie zur Identifikation von Risiko-Patienten sehr effektiv.
Die so ermittelten Risiko-Patienten benötigen dann eine engmaschige angiologische bzw. gefäßchirurgische Anbindung. Im weiteren Schritt werden dann spezielle bildgebende Verfahren wie Ultraschall- und MRT/CT-Untersuchungen durchgeführt. In besonderen Fällen kann eine Darstellung der Gefäße durch direktes Anspritzen mit Röntgenkontrastmittel, die sogenannte digitale-Subtraktions-Angiographie, kurz DSA, notwendig werden. Bei diesem minimal-invasiven Verfahren können bestehende Engstellen dann auch unmittelbar mittels Ballonweitung und/oder Stent behandelt werden.
Therapie – stadiengerecht und patientenzentriert
Die pAVK wird im deutschen Sprachraum nach der Fontaine-Klassifikation in vier Stadien eingeteilt.
Stadium I: Es liegen bereits Veränderungen an der Gefäßwand vor, die jedoch noch ohne klinische Symptome sind.
Stadium IIa: Symptome entstehen erst bei noch längerer Gehstrecke (mehr als 200m ohne Schmerzen). In diesem Stadium werden die Patienten typischerweise konservativ behandelt. Hierbei sollte eine Kombination aus „Life-Style-Anpassung“ (Rauchverzicht, Änderung der Ernährungsgewohnheiten, körperlicher Aktivität, etc.), Gehtraining und Medikamentengabe (Plättchenaggregationshemmung [ASS], Cholesterin-/Lipidsenker [Statine], Anti-Hypertensiva, etc.) im Vordergrund stehen.
Stadium IIb: Bei Abnahme der schmerzfreien Gehstrecke auf unter 200m und hohem Leidensdruck des Patienten stehen neben oben genannten „Basismaßnahmen“ bereits Katheterverfahren oder offen-chirurgische Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Das Spektrum reicht dabei von minimal-invasiven Interventionen wie Weitung der Gefäße mittels Ballon oder Stent bis hin zur offenen Chirurgie mit Ausschälungsplastiken, der sogenannten Thrombendarteriektomie, kurz TEA, und Bypassverfahren.
Stadium III: Schmerzen die Beine auch schon im Ruhezustand spricht man nach Fontaine vom Stadium III.
Stadium IV: Sind bereits Wunden, so genannte Ulcerationen, vorhanden ist das Stadium IV erreicht.
In den Stadien III und IV nach Fontaine ist von einer sehr kritischen Beinminderdurchblutung, kurz kritischen Extremitätenischämie (CLI), zu sprechen. In diesen fortgeschrittenen Stadien droht schließlich der Verlust der betroffenen Extremität durch Amputation, weswegen zeitnah therapiert werden muss.
Amputation vermeiden – Leben retten
Verschiedene Studien zeigten, dass innerhalb des ersten Monats nach einer Oberschenkelamputation vier bis knapp über 20% der Patienten verstarben. (https://doi.org/10.1016/j.ejvs.2015.10.001)
Langfristig zeigten sich im Verlauf von drei bis fünf Jahren nach der Amputation sogar noch drastischere Sterblichkeiten von über 60% der Patienten. (10.1016/j.avsg.2016.12.015.)
Gemeinsam stark
Die Entscheidung, über die für den jeweiligen Patienten bestmögliche Therapieform wird heute in spezialisierten „Gefäß-Teams“ bestehend aus Gefäßchirurgen, Angiologen und interventionellen Radiologen getroffen. Für uns Ärzte stellen hierbei bestmögliche Therapiestrategien zum Wohle des Patienten, zur Sicherung von Lebensqualität und Eigenständigkeit des Patienten und natürlich zum Erhalt der Extremität die oberste Priorität dar.
Neben all den genannten diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten der modernen Medizin sollte der Fokus verstärkt auf vorbeugende, so genannte präventive Maßnahmen gelegt werden.
Machen Sie mit und reduzieren Sie Ihr persönliches Risiko durch gesunde Ernährung, ausreichende Bewegung und Rauchverzicht; denn:
„Mit dem Zweiten lebt und läuft`s sich einfach besser“