Bildschirmmedien und Künstliche Intelligenz (KI)
Empfehlungen zum Kindeswohl im frühen Alter
Digitalisierung bestimmt zunehmend unser aller Leben. Mit rasantem Tempo werden nicht nur wir Erwachsene, sondern auch unsere Schutzbefohlenen vom Säugling bis zur Pubertät und Jugendzeit mit unbegrenzt elektronischen Medienangeboten zur Unterhaltung, Information und Bildung konfrontiert. So auch zum ewigen Thema Entwicklungsförderung des Kindes mit der Zielrichtung: möglichst früh auch mediendigital.
Wie bewerten Experten der Pädiatrie, Kinderneurologie und -psychiatrie, Psychologen und Pädagogen die aktuelle Situation und welche Forderungen erheben sie aus Studien und eigenen Erfahrungen für eine bestmögliche Entwicklung der nächsten Generation?
Bereits mit der Geburt werden die Eltern mit ihren eigenen Idealvorstellungen einer optimalen Betreuung ihres Neugeborenen mit gefragt und ungefragten Ratschlägen und Angeboten zu bester Frühförderung konfrontiert und meist überfordert: Was ist Werbung – was pure Selbstdarstellung, aber was ist am besten für unser Kind?
Bei der Früherkennungsvorsorgeuntersuchung (U3) mit 4-6 Wochen sollte vom Pädiater neben der Beurteilung der körperlichen Entwicklung, Beratung zu Hygiene und Ernährung auch die pädiatrische internationale Empfehlung „Bildschirmfrei bis 3“ angesprochen werden. Diese bedeutet: keinerlei aktiver und passiver Umgang mit TV, Laptop, Handy und Co. Diese Forderung findet auch die volle Unterstützung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA).
Begründung ist für Hirnforscher die Unreife des Neugeborenen Gehirns (300g) und das Wissen um die unfassbar schnelle sehr differenzierte anatomische Hirnnerven und Synapsen (Leitungsverknüpfungen) bis zum 3. Lebensmonat. Das durchschnittliche Säuglingshirngewicht entspricht zu diesem Zeitpunkt mit ca. 1500 g nahezu dem eines Erwachsenenhirnes! Alle individuellen Hirnfunktionsleistungen entwickeln sich im Laufe vieler Jahre selbstverständlich weiter.
Eltern und Betreuer des Neugeborenen sollten wissen und darauf achten, dass die eigene Mediennutzung – sei es Fernsehen, ständig E-Mails checken, Computerspiele, lange Telefonate, Home- Office, Fernseher im Schlafraum dem Kind emotional signalisieren, dass diese Geräte für Mutter und Vater enorm wichtig sind - wohl wichtiger als sie selbst? Auch wenn auf diesem Gebiet der frühkindlichen Bindungs- und Vertrauensbildung noch vieles unbekannt ist und weiter erforscht wird, gibt es hinreiche Belege über auffällige Bindungs- und Entwicklungsstörungen im frühen Alter.
Die konstante Zuwendung zum Säugling und Kleinkind ist in diesem frühen Prägungsalter unverzichtbar – jede Ablenkung irritiert!
Das eigentliche Problem in der frühen Entwicklungsphase des unreifen Gehirns sind die „bewegten Bilder“. Sie fesseln jedes Baby, das z.B. mit Videos auf dem vorgehaltenen Handy meist sofort beruhigt werden kann. Experten sprechen von „foreground exposures“ (Medienangebot im Vordergrund). Ebenso gibt es „background exposures“ (Medien im Hintergrund) als Folge eines meist eher unreflektierten Umgangs mit einem Bildschirm in Anwesenheit des Kindes. Das Signal für das Kind: diese Geräte sind für Mama und Papa wichtiger als ich, ist unheilvoll. Die ideale Konsequenz zur Meidung oder Festigung solcher, nicht selten häufiger negativen Lebenserfahrung ist in jeder sensiblen Entwicklungsphase – wo immer möglich - „aus dem Auge - aus dem Sinn“. Bildschirmmedien sollten aus dem Blickfeld entfernt werden. Laufende Bildschirme dürfen auch keine Babysitter sein. Für die Eltern bedeutet dies Prioritäten setzen: Jede frühkindliche – und auch spätere – Entwicklung setzt menschliche Nähe, Zuverlässigkeit, Vertrauen und Liebe voraus. Diese emotionalen Grunderfahrungen kann keine Maschine leisten – ein maschinelles, digitales Medium schon gar nicht. Gefordert sind persönliche Zuwendung in Mimik, Sprache, Lachen, Trösten, Augen- und Körperkontakt, Spielen und Toben. All das übt die emotionale Kompetenz und glückliches Sozialverhalten für den Moment und die Zukunft. Ab dem sechsten Monat beginnen differenzierte Sprachentwicklung und die Motorik, die sich sehr schnell zum bewundernswerten Kommunikations- und Bewegungsdrang entwickeln: jedes Kind lernt am Erfolg. Es sucht den empathisch reagierenden „Mitspieler“ – und Erlebnisse, die immer mehr Selbstständigkeit, Fähigkeit zur Kommunikation und sichere Orientierung fördern. Alle Aktivitäten der Erwachsenen werden nachgeahmt und trainiert. Dazu bedarf es in diesem frühen Alter keines digitalen Mediums. Das richtige Leben lernt man nicht durch Medien aus einer Scheinwelt. In der weiteren Entwicklungsphase wird neben der Trotzphase, Sprachexplosion und Körperbeherrschung, dem Interesse an allem, was Eltern und Geschwister „können und dürfen“ die feinmotorische Bedienung jeglicher – gar bewegt, sprechender Bildschirme - zu einer riesigen Verlockung. Die Verantwortung für einen altersgemäß sinnvollen Gebrauch – in Inhalt, Verständnis, Dauer mit Überforderung und Gefahr einer Vernachlässigung schon im Kleinkindalter unverzichtbarer Freundschaftssozialkontakte - liegt immer wesentlich bei Eltern, Geschwistern, Verwandten und Betreuungspersonen in Hort und Kita mit kompetent empathischem Vorbildverhalten. Bewährte Ratschläge: Regeln setzen und kontrolliert einhalten, in der Vorschulzeit höchstens 30 Minuten Medienkonsum und bitte im Beisein der Eltern. Altersgerechter Inhalt? Kein Medienkonsum beim Essen. Möglichst auf Fernbedienung oder Sprachsteuerung verzichten, am besten Geräte unzugänglich machen. Vor Kitabesuch (dort hoffentlich selbstverständliches Handyverbot) - kein Fernsehen, Werbespots vermeiden und unbedingt Altersempfehlungen ernst nehmen. Sobald die kleinen Kinder es verstehen, sollten die Eltern ihnen den Sinn und damit auch die Notwendigkeit von Medien für Erwachsene erklären, damit sie erkennen, dass diese Geräte durchaus nützlich und unverzichtbarer Teil z.B. des täglichen Arbeitslebens sind.
Alternative Unterhaltungs- und Bildungsangebote wie Bücher und Hörmedien schaffen meist willkommene Abhilfe – dabei entstehen eigene Bilder im eigenen Kopf! Weniger ist allermeist mehr. Bildschirm möglichst nicht zur Belohnung oder Bestrafung einsetzen.
Mediengefahr in Schulzeit, Pubertät und Jugendalter
In der langen schulischen Entwicklungsphase samt persönlicher Reifung während der Pubertät mit Zukunftsträumen bieten kompetent und intelligent genutzte Medien ganz zweifelsfrei bisher nicht gekannte große Chancen zur Wissensvermehrung und Anwendungsmöglichkeiten in vielen Lebens-bereichen. Zunehmend schwere Bedrohungen mit teils dramatischem Verlauf und juristischem, strafbewährtem Ausgang sind durch Cybermobbing zu verzeichnen. Tief persönlich beleidigend verletzende, hetzende, sexualisierte, erpresserische Handynachrichten und Computermails sind handfeste Straftaten und sollten seitens der Opfer – mit Hilfe der Eltern oder Lehrer - immer zur Anzeige gebracht werden. Wie kann man vorbeugen? Frühzeitige und wiederholte Aufklärung über einen verantwortlichen privaten und schulischen Mediengebrauch von allen Seiten – auch Sportvereine - sind die Grundlage zum Schutz von Persönlichkeit und sozialer Lebensqualität der Schüler und – insbesondere - Schülerinnen. Für diese verantwortliche Daueraufgabe müssen Lehrkräfte im Medienumgang selbst ausgebildet und fit sein. Die Forderung nach einem eigenen Schulfach „Mediennutzung“ wird von verantwortungs-bewussten Pädagogen seit langem gestellt. Betroffenen Schülern muss immer wieder – aktiv und offen – jegliche schnelle Hilfe angeboten werden – auch durch medizinische und psychologische Fachkräfte. Der eklatante Mangel an qualifizierten Schulpsychologen muss dringlich von verantwortlichen Bildungspolitikern behoben werden.
Das Benutzen von Künstlicher Intelligenz (KI) z.B. beim „Abschreiben“ für eine Klassenarbeit ist moralisch und juristisch „Betrug“ und wird geahndet.
Zum emotionalen Schutz der – aus sozialmedizinischer Sicht - nicht selten bereits mediensüchtigen Jugendlichen sollten bildschirm- und medienfreie Räume und Freizeiten vereinbart werden. Gerade in diesen sensiblen Entwicklungsstadien bieten solide Freundschaften, gemeinsame Aktivitäten und Hobbys im Vereinsleben unverzichtbare Erfahrungen und Erfolgserlebnisse zur Festigung einer reifen Persönlichkeit.
Weitere Infos:
u.a. zur Höchstdauer und Qualität aktueller Medienangebote
Elternversion von www.kinderaerzte-im-netz.de
Fernsehratgeber FLIMMO www.flimmo.de
www.kindergesundheit-info.de:https://bit.ly/3TSBYYL
Werbefreie Sendungen auf KIKA -der Kinderkanal von ARD und ZDF auch ZDFtivi
„KIKANINCHEN“ oder „Checker Tobi“ „TIC-TOC“ „Toggo“