LSD gegen Depression? Ein Ausblick

Die Depression gehört zu den häufigsten Erkrankungen in Europa. Etwa jeder fünfte Erwachsene ist mindestens einmal im Leben von einer Depression betroffen. Bei Frauen wird die Diagnose doppelt so häufig gestellt wie bei Männern. In den meisten Fällen kann eine Depression gut mit Medikamenten und/oder Psychotherapie behandelt werden. In ungefähr 20% der Fälle ist das nicht so. Manchmal ist die Erkrankung so schwer, dass sie trotz Psychotherapie und wechselnden medikamentösen Behandlungsversuchen über viele Jahre nicht heilbar, nicht einmal gut beherrschbar ist. Um Betroffenen besser helfen zu können, wird intensiv nach neuen Therapien geforscht. In der aktuellen Forschung bilden Psychedelika einen besonderen Schwerpunkt. Der folgende Artikel liefert einen Einblick in das Thema.

Was sind Psychedelika?

Der Begriff kommt aus dem altgriechischen und kann mit „die Seele offenbarend“ übersetzt werden. Es handelt sich nicht um Betäubungsmittel im eigentlichen Sinne, denn sie betäuben nicht. Sie verändern vielmehr die Wahrnehmung eines durchgehend sehr wachen Menschen. Pharmakologisch wird zwischen klassischen und atypischen Psychedelika unterschieden.

Zu den klassischen Psychedelika werden Meskalin, Di-Methyl-Tryptamin (DMT), Psilocybin, Ibobain und Lysergsäurediäthylamid (LSD) gezählt. Ihnen ist gemein, dass sie ihre Wirkung im Gehirn an postsynaptischen Serotoninrezeptoren (5HT-2A-Agonismus) entfalten. Sie verursachen keine körperliche Abhängigkeit und es ist kein relevantes Suchtrisiko bekannt. Die Zustände veränderter Wahrnehmung werden in aller Regel als sehr anstrengend erlebt, was dem Wunsch einer zeitnahen Wiederholung entgegensteht.

Die atypischen Psychedelika können vergleichbare psychische Wirkungen haben, verfügen aber über andere Wirkmechanismen. Die wichtigsten Vertreter dieser Gruppe sind Methyl-Desoxy-Metamphetamin (MDMA) und Ketamin bzw. Esketamin. Bei diesen Stoffen sind Abhängigkeitsentwicklungen möglich.

Nutzen und Risiken

Psychedelika öffnen den Raum zum Unbewussten. Das muss nicht immer angenehm sein. Es können auch belastende Erinnerungen bewusst werden, sehr unangenehme Wahrnehmungen und negative Emotionen auftreten. Aus der Hippiezeit ist dafür der Begriff eines sogenannten „Horrortrips“ geprägt worden. Damit die Erfahrung nicht zur Retraumatisierung führt, ist eine intensive professionelle Begleitung während der gesamten Dauer der Psychedelikawirkung (z.B. Psilocybin 4-6 Std., LSD 12-14 Std.) zwingend notwendig. Weitere wesentliche Einflussfaktoren sind die richtige Auswahl geeigneter Patienten (es gibt Kontraindikationen), eine gute Information und Vorbereitung des Patienten, die Umgebung, in der die Behandlung stattfindet und eine nachfolgende therapeutische Begleitung, in der das Erlebte aufgearbeitet wird.

Bei diesen Behandlungen findet die Einnahme des Psychedelikums eingebettet in eine Therapie nur wenige Male statt (z.B. Psilocybin 1-3x in Studien, Esketamin 5-7x). Im Gegensatz zur Anwendung anderer Antidepressiva werden Psychedelika nie dauerhaft eingenommen. Der Nutzen wird nicht alleine der pharmakologischen Wirkung des Psychedelikums zugeschrieben. Die Substanz erleichtert oder ermöglicht den Zugang zu Inhalten und Emotionen, die dann in einer Therapie bearbeitet werden. Die so geschaffene Behandlung wird als „psychedelikaassistierte Therapie (PAT) oder auch als pschyedelikaaugmentierte Psychotherapie (PAP) bezeichnet.

Es soll hier nicht verschwiegen werden, dass die Anwendung von psychedelischen Substanzen außerhalb eines gut vorbereiteten und geschützten Rahmens (z.B. illegale Anwendung in der Partyszene) mit erheblichen Risiken verbunden ist. Bei Befragungen in diesem Umfeld gaben 9% psychische Probleme (z.B. Ängste, visuelle Veränderungen) in den Wochen nach ihrem Trip an, bei 7% bestanden die negativen Effekte nach 3 Monaten fort und 2,6% begaben sich wegen ihrer Beschwerden in eine Behandlung. Auch das erstmalige Auftreten von Psychosen oder einer Schizophrenie wurde beschrieben.

Die Forschung bei der Behandlung der Depression mit Psychedelika hat sich in den letzten Jahren auf wenige Substanzen konzentriert. Dies sind im wesentlichen Esketamin, Psilocybin, LSD und MDMA.
In den letzten 20 Jahren wurden mit diesen Substanzen international viele Studien durchgeführt. Dabei ist LSD eher in den Hintergrund getreten, da die lange Wirkdauer eine aufwendige Betreuung erfordert und vielleicht auch weil die Substanz am ehesten negativ stigmatisiert ist. MDMA wird eine Wirkung in der Behandlung posttraumatischer Belastungsstörung zugeschrieben bzw. noch erforscht.

Für den Wirkstoff Esketamin konnte gezeigt werden, dass er in der Behandlung der Depression nicht nur wirksam ist, sondern gegenüber den bestehenden Therapien einen beträchtlichen Zusatznutzen aufweist (GBA 2023). Die Behandlung mit Esketamin wurde in die „Nationale Versorgungsleitlinie Unipolare Depression“ zur Behandlung therapieresistenter Erkrankungen aufgenommen. Esketamin ist derzeit das einzige in Deutschland zugelassene Psychedelikum.

Die stärksten Hoffnungen setzen Forscher in Europa aktuell auf Psilocybin. Es handelt sich um einen auch in der Natur, in sogenannten Magic Mushrooms vorkommenden Wirkstoff, der erstmals vom Schweizer Chemiker Albert Hofmann im Jahre 1959 nachgewiesen wurde. In der bislang größten deutschen Psilocybinstudie „EPIsoDE“ (Effecacy and safty of psiocybin in treatment-resistant major depression, Charité und ZI Mannheim, abgeschlossen 2/2024) wurde die Wirksamkeit von Psilocybin bei der Behandlung schwerer Depressionen nachgewiesen. Neben der guten Wirksamkeit konnte auch gezeigt werden, dass typische Nebenwirkungen anderer Antidepressiva bzgl. Sexualität oder Kognition ausbleiben. Und während Sie, lieber Leser, in der letzten Ausgabe dieser Zeitung von mir erfahren konnten, dass chronischer Cannabiskonsum zu einer Abnahme der Hirnsubstanz führen kann, deuten MRT-Untersuchungen der EPIsoDE darauf hin, das Psilocybin in niedriger Dosis zu einer Zunahme der grauen Substanz führt.

Entwicklungen im Ausland

In Australien sind seit Juli 2023 MDMA und Psilocybin als Arzneimittel zugelassen. In der Schweiz, in Kanada und in Israel sind LSD, MDMA und Psilocybin unter definierten Bedingungen (genehmigungspflichtig) im Rahmen einer psychedelisch augmentierten Psychotherapie erlaubt. In der Schweiz gilt dies bereits seit 2014.

Fazit

Die Behandlung mit Psychedelika eingebunden in eine Psychotherapie bei Depressionen ist eine vielversprechende Behandlungsoption insbesondere für Menschen, denen andere Behandlungen nicht gut helfen konnten. Aktuell ist dafür in Deutschland in der Regelversorgungen nur die Behandlung mit Esketamin erlaubt. Da das Verfahren neu ist, gibt es nur wenige entsprechend ausgebildete und erfahrende Anbieter (z.B Ovid Clinic Berlin). Möglicherweise wird Psilocybin künftig als weitere (noch bessere?) Behandlungsoption zugelassen. Bis dahin ist eine Behandlung nur im Rahmen von klinischen Studien möglich. LSD wird in Deutschland eher keine Bedeutung haben.

Über den Autor

Dr. med. Roger Agne
Dr. med. Roger Agne
Chefarzt Innere Medizin
Dill-Kliniken

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