Kennen Sie Ihr LDL-Cholesterin, das Gift für Ihre Gefäße?
Cholesterin ist lebenswichtig für den Menschen. Die fettähnliche Substanz (Lipid) erfüllt wichtige Funktionen im ganzen Körper. So ist sie beispielsweise Bestandteil aller Zellmembranen, aber auch Ausgangsstoff für die Produktion von Gallensäuren zur Fettverdauung sowie für die Bildung von Vitamin D und bestimmten Hormonen. Cholesterin wird hauptsächlich in der Leber hergestellt, aber auch aus der Nahrung aufgenommen. Um alle anderen Zellen des Körpers damit zu versorgen, wird Cholesterin über das Blut transportiert. Zuständig hierfür ist in erster Linie das Lipoprotein LDL-(Low Density Lipoprotein)Cholesterin. Der LDL-Cholesterinspiegel im Blut steigt an, wenn die Körperzellen kein Cholesterin mehr benötigen oder aufnehmen können. Ist dies dauerhaft der Fall, kommt es zur Ansammlung von LDL-Cholesterin im Blut und zu Ablagerungen an den Blutgefäßinnenwänden (den sogenannten atherosklerotischen Plaques). Diese Ablagerungen werden bei hohen LDL-C-Konzentrationen im Blut durch ständige Umbauvorgänge instabil, können aufplatzen, der Körper reagiert darauf mit einem Blutgerinnsel und der Blutdurchfluss wird blockiert oder es können sich kleine Teile der Plaques lösen und so zu einem Gefäßverschluss in nachfolgenden kleineren Gefäßen führen. Passiert das in der Nähe des Herzens oder des Gehirns kommt es zu einem Herzinfarkt oder Schlaganfall, passiert es in den Beinen, wird das Laufen schmerzhaft, weil die Durchblutung gestört ist.
In den letzten Jahren haben umfangreiche internationale Studien mit tausenden von Patientinnen und Patienten das Wissen zum Thema Cholesterin deutlich erweitert und verändert, sowie zu neuen Therapieempfehlungen geführt. Ältere Erkenntnisse wurden zum Teil grundlegend widerlegt.
Studien haben gezeigt, dass bei sehr niedrigem LDL-C die bestehenden Plaques in den Gefäßen fester und somit stabiler werden und teilweise sogar kleiner werden können und durch diesen Mechanismus das Risiko eines Herzinfarktes oder Schlaganfalles verringert werden kann. Diese neuen nachgewiesenen Erkenntnisse waren der Grund, warum die empfohlenen Zielwerte für das LDL-C bei Hochrisikopatienten der Europäischen Kardiologischen Gesellschaft (ESC) von 2016 zu 2019 nochmals verringert wurden.
Das LDL-Cholesterin ist der Hauptrisikofaktor für einen ersten Herzinfarkt. Weitere Risikofaktoren sind Nierenschwäche, Übergewicht, Rauchen, hoher Blutdruck, Zuckerkrankheit.
Mehr als 300.000 Menschen bundesweit erleiden pro Jahr einen Herzinfarkt, Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind in Deutschland immer noch die Todesursache Nummer 1. Für die Überlebenden ist das Risiko für ein kurzfristiges weiteres Herz-Kreislauf-Ereignis sowie für lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen einschließlich eines plötzlichen Herztods noch Jahre danach deutlich erhöht. Studien zeigen, dass jeder fünfte Patient im Jahr nach dem Infarkt mit einem erneuten Herz-Kreislauf-Ereignis rechnen muss. Herzinfarktpatienten sind daher Hochrisikopatienten, die einer speziellen Nachsorge und medizinischen Betreuung bedürfen. Einer der entscheidenden Faktoren, um das Risiko für einen erneuten Herzinfarkt an sich und seine Folgeerkrankungen gering zu halten, ist der Wert des LDL-Cholesterins im Blut. Für sogenannte Herz-Gefäß-Hochrisikopatienten empfehlen die aktuell gültigen Leitlinien der Europäischen Kardiologischen Gesellschaft (ESC) aus dem Jahr 2019, dass der LDL-Cholesterinwert um mindestens 50 % vom Ausgangswert gesenkt und im Zielbereich von weniger als 55 mg/dl (oder 1,4 mmol/l) liegen sollte. Hierdurch lässt sich nachweislich das Risiko eines erneuten Herzinfarktes signifikant reduzieren. Regelmäßige körperliche Aktivität sowie ein Rauchstopp sind weitere hochwirksame Maßnahmen, um das Sterberisiko zu senken.
Gesunde Neugeborene haben ein LDL-Cholesterin von ca. 30 mg/dl. Aktuell ergibt sich kein studiengesicherter Hinweis, dass ein sehr niedriges LDL-Cholesterin im Blut bedenkliche Nebenwirkungen hat.
Weniger als 20 Prozent der Risikopatientinnen und -patienten in Deutschland erreichen jedoch aktuell den LDL-Cholesterin-Zielwert der ESC! Deutschland liegt im Europäischen Vergleich diesbezüglich im hinteren Drittel und ist auf dem letzten Platz im Vergleich zu anderen westeuropäischen Ländern. Obwohl Deutschland in Europa die höchsten Ausgaben für Herz-Kreislauf-Erkrankungen im Gesundheitswesen aufbringt (903 EUR pro Kopf/pro Jahr), ist die Lebenserwartung z. B. im Vergleich mit Spanien (535 EUR pro Kopf/ pro Jahr) in unserem Land reduziert und dies hauptsächlich wegen einer erhöhten Sterberate aufgrund von Gefäßproblemen durch z. B. Herzinfarkt und Schlaganfall. Männer in Deutschland leben im Schnitt ca. 1,6 Jahre kürzer, Frauen in Deutschland leben im Schnitt ca. 2,6 Jahre kürzer als die Bevölkerung in Spanien.
Es gibt zwar passende, hocheffektive und günstige (Jahrestherapiekosten Statine ca. 80 Euro) Medikamente, die aber bislang nicht bei allen Risikopatienten zum Einsatz kommen. Diese Medikamente haben verschiedene Wirkansätze wie z. B. Die Verminderung der LDL-C-Bildung in der Leber (Statine) oder die verminderte LDL-C-Aufnahme im Darm (Ezetimib). Mit einer Kombinationstherapie lässt sich bei Bedarf unter Hinzunahme auch von modernen Wirkstoffen (Bempedoinsäure, PCSK-9-Synthese-Hemmer) eine dauerhafte Senkung des LDL-Cholesterins um über 80 Prozent erreichen.
Viele Betroffene meinen immer noch, dass Cholesterin mit einer entsprechenden Ernährung in den Griff zu bekommen sei. Eine herzgesunde Ernährung durch die Vermeidung von tierischen und gesättigten Fettsäuren ist wichtig und Basis jeder Behandlung, aber damit kann das LDL-Cholesterin nur um ca. 10 bis 15 Prozent gesenkt werden. Das ist für die allermeisten Hochrisikopatienten bei Weitem nicht ausreichend. Auch die Annahme, dass ein zu hohes LDL-Cholesterin durch das vermeintlich „gute“ HDL-Cholesterin (High-Density-Lipoprotein) ausgeglichen werden kann, um somit Herz-Kreislauf-Ereignisse zu vermeiden, hat sich zuletzt in vielen Studien nicht bewahrheitet.
Bei einigen Patienten liegt eine genetische Fettstoffwechselstörung vor (sog. „Familiäre Hypercholesterinämie“), die über eine Ernährungsoptimierung nicht wesentlich beeinflusst werden kann. Eine Senkung des LDL-Cholesterins ist bei diesen Patienten jedoch ebenso erforderlich.
Die Bestimmung des LDL-Cholesterins im Blut kostet weniger als einen Euro.
Lipidologen/Lipodolginnen sind Ärztinnen und Ärzte, die nach einer speziellen Fortbildung sowie nachgewiesenen positiven Behandlungsfällen und bestandener Abschlussprüfung von der Deutschen Gesellschaft für Lipidologie e. V. (DGFL) als Spezialisten zur Behandlung von Fettstoffwechselstörungen anerkannt sind.
Quellen:
- Deutsche Gesellschaft für Lipidologie e. V. - DGFL
- Yusuf S, et al. Lancet. 2004;364(9438):937–952
- Räber L, et al. JAMA. 2022;327(18):1771–1781
- European Journal of Epidemiology (2023) 38:839–850
- European Heart Journal (2023) 44, 4752–4767