Adipositas – Die Motivation zur Gewichtsabnahme

Es ist wieder Weihnachtszeit. Plätzchen, Weihnachtsmärkte, leckeres Essen überall, Glühwein … die Liste ist lang. Wie soll es, angesichts dieser vielen Angebote und den damit verbundenen Herausforderungen, gelingen, das Körpergewicht zu halten oder sogar noch zu reduzieren? Das Wort, welches zu dem Einleitungsgedanken zuerst einfällt ist: Spaßbremse. Und das stimmt zu einhundert Prozent. Abnehmen macht keinen Spaß.
Selbst wenn man unter Adipositas noch so sehr leidet, selbst wenn man sich nur schlecht bewegen kann, die Knie schmerzen und bereits Folgeerkrankungen aufgetreten sind oder man sich sozial ausgegrenzt fühlt, wird sich an dieser Tatsache gar nichts ändern. 
Dabei möchten die meisten Menschen, die unter Übergewicht oder Adipositas leiden, an ihrer Situation etwas ändern. Sie sind also motiviert. Trotzdem gelingt es häufig nicht.
Wir alle kennen die Situation, dass wir hochmotiviert an eine Sache herangegangen sind und plötzlich etwas passiert ist, was unsere Motivation zerstört hat. Das Gefühl der „Frustration“ ist uns allen bekannt. Wir stellen bei weiterer Überlegung fest, dass die Frustration deswegen aufgetreten ist, weil die gewünschte Belohnung aus irgendwelchen Gründen nicht eingetroffen oder in weite Ferne gerückt ist. 
Also hat Motivation immer etwas mit einer Belohnung zu tun. Es ist ein einfacher Mechanismus, den wir uns aber in den seltensten Fällen klarmachen. 
Ein zweiter Vorgang ist mindestens genauso wichtig. Es ist das Lernen. Um uns zu einer bestimmten Tätigkeit zu motivieren, müssen wir vorher gelernt haben, dass es sich lohnt, wenn wir die Tätigkeit ausführen. Es passiert in unserem Gehirn vereinfacht folgender Mechanismus:
Es gibt ein Ziel und einen Weg, der dorthin führt. Anhand von Vergleichen mit erlerntem und vorgestelltem Wissen vollzieht unser Gehirn eine unbewusste Abwägung, ob der Weg zum Erreichen des Ziels richtig ist und ob das Ziel eine ausreichende Belohnung für den Weg ist. Daraus entsteht eine unterschiedlich starke Motivation. Im Prinzip eine ziemlich einfache Rechnung. 
Übertragen wir unser Wissen über Motivation und Belohnung auf die Situation eines Menschen, der unter Adipositas leidet. 
Ein Patient hat in der Regel ein diffuses Ziel (ausreichende Gewichtsreduktion), welches keine emotionale Befriedigung verspricht. Anders als beispielsweise ein leckeres Essen, ein neues Kleid oder ein schnelles Auto. Zwar hatte der/der Patient/in irgendwann einmal das Zielgewicht, aber in der Erinnerung war es damals nicht mit besonders viel Spaß und Freude verbunden. Also ist das angepeilte Körpergewicht kein guter Motivator. 
Der Weg zu diesem Ziel (Abnehmen) wurde niemals erlernt. Er ist unbekannt und unbekanntes ist unangenehm. In der Vorstellung ist der Weg lang, von Niederlagen gesäumt und kaum zu schaffen. Ebenfalls kein guter Motivator. Die Belohnung ist in diesem Fall identisch mit dem Ziel und, wie bereits festgestellt, als emotionale Belohnung nicht ausreichend.
Aber es gibt Möglichkeiten, wenn wir bereit sind, uns ein wenig selbst zu überlisten. Die Mechanismen der Stoffwechselvorgänge in unserem Körper oder der Erzeugung einer Motivation sind nicht zu ändern, aber wir haben unser Großhirn, um uns kluge Strategien zu überlegen. Damit sind wir grundsätzlich in der Lage unser Verhalten zu ändern. Dies verschafft uns eine Überlegenheit anderen Lebewesen gegenüber. 
Wie sieht eine solche Strategie aus?
Wir müssen aus einem großen, unerreichbaren Ziel ohne schöne Belohnung und einem unbekannten, langen Weg ein in kurzer Zeit erreichbares Ziel machen, welches große Zufriedenheit verspricht. Es ist gar nicht so schwer. Statt des völlig diffusen „Ich muss einmal abnehmen…“ oder einer konkreteren Vorstellung wie „Körpergewicht von 80 kg in 80 Tagen“ sollten wir uns etwas vornehmen, was wir wirklich tun können. Eine Regel. Keinerlei kalorische Getränke zu konsumieren und uns am Ende jeder Woche, in der uns dies gelungen ist, einen Theaterbesuch oder ein gutes Essen in einem Restaurant zu gönnen, wäre dazu ein Beispiel. Das Einhalten der Regel muss so lange geübt werden, bis daraus eine Gewohnheit geworden ist und die Sucht nach süßen Getränken deutlich nachgelassen hat. Danach kommt der nächste Schritt mit der nächsten Regel. Die dauerhafte Umstellung der Essgewohnheit ist hier das langfristige Ziel. Patienten mit Adipositas stehen viele Hindernisse im Weg, das Ziel der ausreichenden Gesichtsabnahme zu erreichen. Dies reicht von Stoffwechselvorgängen im Körper, die nicht so einfach zu beeinflussen sind, bis zu Umweltbedingungen, die in mangelnder Akzeptanz und Stigmatisierung münden. Dabei sind die Betroffenen häufig sich selbst überlassen.
Am Anfang einer erfolgreichen Behandlung der Krankheit steht immer die Motivation des oder der Betroffenen. Im oben beschriebenen Motivationsprozess muss jeder Mensch zunächst die Entscheidung treffen, ob er sich auf den Weg machen will. Der Weg muss anschließend in kleine überschaubare Abschnitte mit erreichbaren Zwischenzielen und Belohnungen eingeteilt werden, die wirklich Zufriedenheit versprechen. 
Es ist schwierig, mit alten Gewohnheiten zu brechen, wenn man nicht weiß, wie die angestrebten, neuen Gewohnheiten funktionieren. Der Weg aus der Isolation ist schwierig, aber auch er beginnt immer mit einem ersten Schritt. Meistens benötigt man dazu die Unterstützung von anderen Menschen, denen es ebenso geht, wie einem selbst. 
Eine Adipositas-Selbsthilfegruppe ermöglicht das wichtige Gespräch mit anderen von der Erkrankung Betroffenen. Es ist durch nichts zu ersetzen. Häufig ist es für die Teilnehmer einer SHG das erste Mal, dass sie sich in ihren Problemen wirklich verstanden fühlen. 
Machen Sie den ersten Schritt.
Kontakt:
bianca_hauschke@web.de 
Tel: 01590-1210778

Über den Autor

Dr. med. Thomas Friedrich-Hoster
Dr. med. Thomas Friedrich-Hoster
Ehemaliger Leitender Oberarzt Allgemeine, Viszerale und Onkologische Chirurgie Klinikum Wetzlar
Ärztlicher Leiter des Adipositaszentrum

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